

Bio, vegan, wenig Histamin – diese Weine sind in der Nische erfolgreich

Winzer Rainer Allacher verzichtet auf Plaketten und Medaillen für seine Weine. Für seinen Erfolg geht er unkonventionelle Wege, nicht zu Wettbewerben – und wurde dafür auch schon ausgelacht.
Es ist gar nicht so leicht, Kontakt zu bekommen zu Rainer Allacher vom gleichnamigen Winzerhof. In Gols, einer Marktgemeinde im österreichischen Burgenland, am Neusiedler See gelegen, hat er gerade jetzt im Juli viel zu tun. Bei der Laubarbeit werden die Weinstöcke während der Blüte von unnötigen Seitentrieben befreit, damit später alle Kraft in die Trauben geht.
Trotzdem nimmt sich der 43-Jährige die Zeit für ein Telefongespräch über Wein im allgemeinen und seine Weine im Besonderen. Die habe ich vor ein paar Jahren bei einem Besuch in einem Hotel in Tirol entdeckt. Im Restaurant stand ein «histamingeprüfter» Wein auf der Karte. Für einige Menschen ist Histamin, ein sogenanntes Gewebshormon, in der Ernährung problematisch.
Gerade Rotwein enthält in aller Regel recht viel Histamin. Beim Allacher sei das anders, versicherte uns der Kellner. Also probierten wir eine Flasche zum Abendessen. Der Wein schmeckte, und am nächsten Morgen war der Kopf weniger schwer als erwartet. Seitdem haben wir immer einen Vorrat des Weins im Keller und ich empfehle ihn gerne auch Freunden und Bekannten.
Studien gehen davon aus, dass etwa ein Prozent aller Menschen, unter einer Histaminintoleranz leiden. Reicht diese kleine Zahl potenzieller Kundinnen – meistens sind Frauen betroffen – denn aus, um einen Winzerhof wirtschaftlich erfolgreich zu betreiben? Darauf gibt es als Antwort kein klares Ja oder Nein, sagt Allacher am Telefon. Er setzt auf ein «Gesamtpaket». Das besteht aus biologischen und veganen Weinen. Und eben aus solchen, bei denen der Histamingehalt unter 0,1 Milligramm pro Liter liegt.
«Histaminarm» oder gar «histaminfrei» darf Allacher seine Weine seit 2015 und Inkrafttreten einer EU-Verordnung nicht mehr nennen. Das aber stört weder ihn noch seine Kunden, sagt er.
Als die Nachbarn ihn auslachten
Überhaupt kennt sich der Winzer aus mit Widerständen. Bereits seit 1992 ist der Betrieb biologisch zertifiziert, als einer der ersten damals in Österreich.
Er war 15 Jahre alt, als er ein prägendes Erlebnis hatte. Damals, so erzählt er, hat sein Vater den Betrieb zu einem biologischen gemacht. Unter anderem wurde aus diesem Grund das Gras zwischen den Rebstöcken nicht per Gift vernichtet. Es stand hüfthoch. Ältere Männer aus dem Dorf seien vorbeigelaufen, hätten kehrt gemacht und seinen Vater und ihn ausgelacht. «So etwas prägt», sagt Allacher. «Ich habe relativ wenig Probleme, andere Wege zu gehen.»
Bio-Betriebe gibt es heute in Österreich mehrere hundert, damit hebt sich der Winzerhof Allacher also nicht mehr von der Masse ab. Mit Weinen, die deutlich histaminarmer sind als andere, dagegen schon. Wie kam es dazu?
Im Grund war es eine Verkettung glücklicher Umstände, erinnert sich Allacher. Als 1990 sein Vater den Betrieb als biologischen führte, lockte er Kunden an, die «speziell» waren. Bio – das waren damals noch vorrangig Körnlipicker und Birkenstock-Träger. In Wien hatte der Winzerhof zwei Ärzte als Kunden, die bemerkt hätten, dass sie nach dem Genuss von Allachers Weinen weniger Reue spürten – er war bekömmlicher und verträglicher.
Trotzdem dauerte es noch Jahre des Ausprobierens und Forschens auf einem Gebiet, wo es nicht viele Forscher gibt. Auch Rainer Allacher selbst spürte im Laufe der Jahre, dass er nach dem Verkosten von Weinen von Kollegen manchmal zwei, drei Tage ausser Gefecht war – «als hätte mich ein Autobus erwischt». Vor allem Weine von Top-Betrieben seien oft «Histamin-Granaten», weil sie in alten Holzfässern ausgebaut und länger gelagert werden.
Seit 2005 arbeitet die Familie Allacher in der Weinbaugemeinde Gols gezielt daran, Histamin aus dem Wein zu bekommen bzw. es gar nicht erst entstehen zu lassen. Mit Experten und Analysen. Wie genau das funktioniert, ist Betriebsgeheimnis. Und auch noch längst nicht hundertprozentig geklärt. Allacher vermutet, dass es auch an den biologisch gewachsenen Trauben liegen könnte. Allerdings, «die eierlegende Wollmilchsau haben wir noch nicht gefunden», so Allacher.
2007 war es dann erstmals soweit: Der erste «histamingeprüfte» Zweigelt konnte in Flaschen abgefüllt werden, wie auf der Homepage stolz erklärt wird. Heute gibt es auch weitere Sorten mit dem «Frei gewinnt!»-Etikett, das den reduzierten Gehalt an Histamin EU-konform erkennbar macht.
An die EU-Vorgaben hält sich Allacher. An andere Usancen der Branche weniger. An Prämierungen, wo andere Silber- und Goldmedaillen einsammeln, nimmt das Weingut nicht mehr teil. Man habe das früher gemacht, durchaus auch erfolgreich. «Aber ich habe entschieden, dass wir es bleiben lassen», sagt Allacher. «Ich weiss eh, dass unser Wein gut ist», so klingt der erfolgreiche Unternehmer, der demnächst den Vertrieb in drei weiteren Ländern starten will. Man lebe von Empfehlungen.
Die kommen übrigens meist von Frauen, wie Allacher noch erklärt. Die seien sensibler, während die Männer oft beratungsresistent sind und sowieso ungern zum Arzt gingen. Vielleicht, so vermutet der Winzer, gibt es deshalb noch viel mehr Menschen, die seine Weine in Zukunft kaufen könnten, wenn sie erst einmal gelernt hätten, dass die feinen Tropfen ohne Histamin am Abend mindestens genauso gut schmecken und am nächsten Tag deutlich weniger Kopfschmerzen bedeuten.


Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln.