
«Modernist Bread»-Review: Das 650 Franken Brotbackbuch
Das Paket wiegt 25 Kilogramm. Darin sind fünf Bücher und eine Rezeptübersicht enthalten. «Modernist Bread» ist das teuerste Brotbackbuch aller Zeiten und jeden Franken wert.
Eigentlich ist «Modernist Bread» viel mehr als «nur» ein Brotbackbuch. Es ist Geschichtsbuch, Biologiebuch, Coffeetable Book und Rezeptsammlung in fünf Bänden. Nur gerade zwei der fünf Bücher sind Rezepte. 1 200 Backrezepte, die zudem handlich in einem Ringbuch zusammengefasst sind. Denn Niemand will mit einem 5 Kilogramm schweren Welzer in der Küche stehen. Das zeigt schon, wie viel Detailverliebtheit in «Modernist Bread» steckt.

Vom Cheftechniker zum Chefkoch
Geschrieben hat das Buch Nathan Myhrvold. Der ehemalige Chief Technology Officer bei Microsoft ist steinreich. Statt sein Vermögen im Ruhestand zu geniessen, hat Myhrvold eine neue Firma gegründet. «The Cooking Lab» beschäftigt über 20 Mitarbeiter und veröffentlicht Kochbücher. Die erste Sammlung «Modernist Cuisine» beschäftigte sich mit Molekular-Küche. «Modernist Bread» widmet sich nun ausschliesslich dem Thema Teig und Backen in all seinen Facetten.

Aufgeteilt sind die Bände in «Geschichte und Grundlagen», «Inhaltsstoffe», «Technik und Ausstattung» sowie zwei Bände mit Rezepten. Dass Myhrvold aus der Tech-Branche kommt, zeigt sich am Aufbau der Bücher. Es wimmelt von Querverweisen auf alle anderen Bände, als wären es Hyperlinks. Das kannst du nachschlagen, musst du aber nicht. Auch bei den Rezepten verhält sich das so. Für Baguette etwa gibt es dutzende Rezepte, von simpel bis hochkomplex. Grundbegriffe wie «Poolish» oder «Autolyse» mögen zunächst verwirren, eine mehrseitige Abhandlung aller Begriffe findest du in den grossen Büchern. Willst du sie nicht aufschlagen, ist alles kurz im Rezept erklärt.

Fast alles für fast jeden
Hast du Bock, mehr über die chemikalische Zusammensetzung von Teig und die Wechselwirkung mit der Hefe zu erfahren? Das kannst du nachlesen. Willst du wissen, wie du merkst, dass der Teig zu fest aufgegangen ist und wie du ihn noch retten kannst? Auch das findest du im Buch, brauchst es aber kaum, weil die Rezepte so genau beschrieben sind, dass sie dir nicht misslingen. Die Geschichte des Brotes? Die 200 Seiten kannst du dir für einen regnerischen Sonntag aufsparen, alles wunderschön bebildert.
Alleine die Fotografien in diesen Büchern sind ein Meisterwerk. Tatsächlich hat Myhrvold in den USA vier Galerien eröffnet, in denen die Bilder aus «Modernist Cuisine» und «Modernist Bread» ausgestellt sind. Du kannst zum Angeben also tatsächlich einen Band zu deinen anderen Fotobüchern auf den Beistelltisch legen. Die Gäste werden nicht merken, dass das gar kein Coffeetable-Book ist.
Und schliesslich findest du unter den 1 200 Rezepten eigentlich jede Brotart, die du kennen musst. Ob Baslerbrot, bayrische Brezn’, indisches Naan oder japanisches Shokupan – «Modernist Bread». Oft sogar in mehrfacher Variation.

Ja, «Modernist Bread» ist obszön teuer. Der Preis ist aber völlig gerechtfertigt. Ich habe noch nie ein so umfangreiches, schön gestaltetes und brauchbares Set an Kochbüchern besessen.

Myhrvold und sein Team arbeiten bereits am nächsten Werk. «Modernist Pizza» soll bald erscheinen. Ich beginne schon mal zu sparen.
Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.