

Bardelli fährt Castelli – kannst du auch, musst du aber nicht

Auf dem Velo richtig angezogen zu sein, ist kompliziert. Vor allem im Sommer. Hier gibt’s (fast) alles zum Wie, Was und Wann.
Das Wichtigste gleich vorneweg: Natürlich kannst du auf dem Velo anziehen, was du willst. Vielleicht pendelst du zur Arbeit, vielleicht holst du am Sonntagmorgen Brötchen in der Bäckerei oder vielleicht fährst du mit dem Drahtesel am Samstagabend in die Stadt in den Ausgang. Vielleicht nutzt du das Fahrrad, so wie ich, aber auch als Sportgerät. Und spätestens dann wird’s in Sachen Kleidung kompliziert.
Klar, gibt es auch dazu unterschiedliche Ansichten darüber, was geht und was nicht. Und nicht nur in Sachen Funktionalität. Die Jungs und Mädels vom Gran Fondo Cycling Magazin zum Beispiel tragen auf dem Rad auch gerne mal Jeansshorts und Flanellhemd.
Einmal alles von Castelli bitte
Heute kümmere ich mich um Kleidung fürs Rennvelo und das Gravelbike in der warmen Jahreszeit. Ich bin zwar ab und zu auch mit einem Mountainbike unterwegs, jedoch nur selten und dann nutze ich einfach meine Velobekleidung sozusagen um. Cool wären hier jetzt natürlich die Klamotten von
Rapha, weil sie einerseits total im Trend sind und andererseits … Nein, Moment, das reicht eigentlich schon. Nur führen wir diesen Brand nicht im Sortiment. Schade, aber sei’s drum.
In den letzten Monaten bin ich so Ausrüstungsstück für Ausrüstungsstück beim italienischen Brand Castelli gelandet. Sieht meiner Meinung nach auch gut aus und passt irgendwie zu mir. Natürlich gibt es viele der folgenden Essentials fürs Bike auch von anderen Herstellern wie Giro, Pearl Izumi, Assos oder Alé. Aber jetzt kommt die geballte Ladung Castelli von Bardelli.

Quelle: Manuel Wenk
Neues Lieblingsteil: der Baselayer
Während meiner letzten Ausfahrt hatte ich eine Erleuchtung: Baselayer ist cool. Wortwörtlich. Ich habe schon viel davon gehört, darüber gelesen und Videos zum Thema geschaut. Und dabei stets gedacht: Das macht doch keinen Sinn. Ein T-Shirt für drunter, dann schwitze ich im Sommer ja noch mehr. Tja, falsch gedacht. Das Gegenteil ist der Fall. Sitzt der Baselayer unter dem Veloshirt eng an der Haut, transportiert er Feuchtigkeit ab und das ist sehr viel angenehmer. Darum nie mehr ohne, aber mit zwei Varianten für kühle und heisse Sommertage.
Klassiker zum Ersten: das Veloshirt
Über den Baselayer kommt ein enges Fahrradshirt. Sowieso ist eng auf dem Velo besser. Warum? Du fährst und fängst an zu schwitzen. Trifft dann Luft auf die nasse Haut, wird es kalt und du beginnst zu frieren. Bei einer sommerlichen Radtour in der Toskana bei 40 Grad ist das kein Problem. Bei uns in Mitteleuropa schon eher. Eine gemütliche Runde bei 21 Grad kann ganz entspannt sein, hat es jedoch viel Wind, ist es schnell vorbei mit gemütlich. Du willst also Wind am Körper, wenn es dir zu heiss ist und umgekehrt. Darum gilt: Möglichst wenig Raum zwischen der Kleidung und deiner Haut oder tight is king.
Klassiker zum Zweiten: das Gilet aka die Weste
Noch so ein Teil, das ich, wie den Baselayer, bis vor Kurzem komplett unterschätzt habe. Die Weste oder auf Velodeutsch: das Gilet. Es gibt sie in unterschiedlichen Ausführungen für Sommer und Winter, für trockene und nasse Verhältnisse. Die Dinger haben in der Regel ein geringes Packmass und passen so hinten in die Trikottaschen. Ist sozusagen Sackbefehl, gehört also bei jeder Ausfahrt dazu. Faustregel: Bleibt der Torso warm, ist auch der Rest warm. Die Arme sind dabei nicht so wichtig, Hauptsache der Oberkörper friert nicht. Ich nutze zwei Westen von Castelli für trockene Verhältnisse: eine leichte für heisse und eine gefütterte für kühle Sommertage. Sie hat mir auch schon während einer Pause in der Gartenwirtschaft im kühlen Schatten einiger Ahornbäume gute Dienste geleistet.

Quelle: Manuel Wenk
Wichtig: Der Reissverschluss der Weste soll sich auch von unten nach oben öffnen lassen. Das ist eine Funktion, die auf dem Velo super cool ist, um während der Fahrt Abkühlung von unten zu bekommen. Ist hier leider nur bei der Puffy Vest der Fall.
Klassiker zum Dritten: die Windjacke
Im Sommer frühmorgens oder -abends in der Dämmerung ein unverzichtbares Ausrüstungsteil ist die Windjacke. Sie kam nebst der Weste auch schon während der Mittagspause an einem schattigen Plätzchen zum Einsatz, um nicht zu frieren. Und natürlich bei längeren Abfahrten nach schwitzigen Aufsteigen unverzichtbar.
Und noch ein Klassiker: die Regenjacke
Der zweite natürliche Feind von Velofahrerinnen und Velofahrern ist nebst dem Wind der Regen. Und ich gebe es hier an dieser Stelle gerne zu: Wenn es aus Kübeln giesst, fahre ich nicht. So gesehen ist meine «Regenjacke» fürs Velo auch keine eigentliche Regenjacke. Castelli verwendet für die Perfetto RoS Long Sleeve aussen ein wasserabweisendes Gore-Tex-Material und einen Gore-Tex-Windstopper im Inneren. Ich war damit auch schon bei schlechtem Wetter und unregelmässigen Regengüssen während rund vier Stunden unterwegs und blieb trocken. 200 Kilometer bei Dauerregen schafft diese Jacke aber sicher nicht.

Quelle: Manuel Wenk
Königsdisziplin: die Shorts
Beim Velofahren wirken so genannte Scherkräfte. Diese entstehen durch die wechselseitige Belastung der Tretbewegung. Die leichte, aber ständige Bewegung des Beckens auf dem Sattel sorgt für schmerzhafte Scherkräfte an der Knochenhaut. Darum ist einerseits der richtige Sattel von grosser Bedeutung und andererseits die richtige Velohose. Dies ist eine Wissenschaft für sich. Nur so viel: Wenn du schon länger mit dem Rad unterwegs bist, wirst du die richtige Fahrradhose für dich gefunden haben. Wenn du erst damit anfängst, bleibt dir nichts anderes übrig, als im Ausschlussverfahren so lange zu pröbeln, bis du die richtige Hose für deinen Po gefunden hast. Denn nur dein Po ist wie dein Po. Und ganz wichtig: Unter der Velohose trägt man KEINE Unterhose.

Quelle: Manuel Wenk
Das von Castelli nahtlos gefertigte Progetto X2 Air Seamless-Sitzpolster der Free Unlimited Bibshort ist für lange Tage im Sattel gemacht. Ich nenne es einfach: ein geiles Gefühl in der Hose. Aber eben: Was für meinen Po funktioniert, passt für deinen vielleicht nicht. Und auch hier gilt: tight is king. Je weniger Luft zwischen Hose und Haut, umso weniger Reibung. Mit oder ohne Träger? Ich fahre immer Hosen mit Trägern, die sitzen besser und schützen die Nieren, wenn es hintenrum mal wieder kühler wird.
Noch so ein Ding: die Armlinge
Dann gibt es natürlich auch noch die Armlinge und das Gleiche in Grün für die Beine, die Beinlinge. Letztere habe ich allerdings noch nie benutzt. Die Armlinge haben wie die Weste ein sehr kleines Packmass und passen locker in eine der Trikottaschen. Bei der Weste habe ich geschrieben, dass warme Arme nicht so wichtig sind. Ja, aber. Bist du frühmorgens oder spätabends unterwegs und hast «nur» die Weste dabei, nicht aber die Windjacke, können die Armlinge schon sehr nützlich sein. In den kurzen Velohosen habe ich bisher im Sommer noch nie gefroren, darum besitze ich keine Beinlinge. Im Winter kommen lange Shorts (ein Widerspruch, ich weiss) zum Einsatz.
Zusammengefasst: die Essentials der Velo-Sommer-Einkaufsliste
- Kurzarmtrikot und Velohose
- Baselayer
- Weste aka Gilet
- Windjacke
- Regenjacke
- Armlinge/Beinlinge
Last but not least: die Socken und Handschuhe
Bei den Socken hört der Spass auf. Hier wird es heikel. Lange Socken, kurze Socken, schwarze Socken, weisse Socken oder gar bunte Socken. Velosocken sind ein Politikum. Ich verhalte mich bei diesem Thema schweizerisch-neutral und trage alles: lange schwarze, kurze weisse und bunte Socken.

Quelle: Patrick Bardelli
Weniger umstritten ist das Thema Handschuhe. Wobei auch hier immer mal wieder die Frage gestellt wird: Wozu? Meine Antwort: Mit den Handballen voran auf den Schotter fallen und du weisst wozu. Bisher war ich mit dem Unlimited LF Glove von Castelli unterwegs. Für den Sommer habe ich mir zusätzlich den kurzen Rosso Corsa Pro V gegönnt. Fazit: Passt.

Quelle: Manuel Wenk
Und zum Schluss noch das: So liberal ich bei den Socken bin, so konservativ bin ich beim Thema Helm. Auf dem Velo, egal welchem, gehört er einfach dazu. Mein Favorit: Giro Helios Spherical Mips. Und dann braucht es noch eine gescheite Velobrille. Wozu? Wenn dir der Dreck und die Steine des Vordermannes oder der Vorderfrau schon mal ins Auge geflogen sind, weisst du auch hier wozu. Und da gibt es aktuell nur eine. Mein Schatz:
So, jetzt ist aber wirklich Schluss mit der Sommer-Veloklamotten-Shoppingtour. Wie erwähnt, habe ich mich für Produkte von Castelli entschieden, du findest ähnliche Kleidung natürlich auch bei anderen Marken. Und selbstverständlich darfst du dich auch gerne in Bundfaltenhosen auf dein Rennvelo oder das Gravelbike schwingen. Falls du das wirklich möchtest.
Titelfoto: Patrick Bardelli

Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.