
Hintergrund
Milchpumpe im Einsatz
von Chantal Häusler-Naunheim
Ich, Chantal Häusler, bin Stillberaterin und begleite das Paar Fabienne und Peter während der Stillzeit. Zuvor haben sie zusammen mit der Hebamme Norina Wartmann ihren Sohn Benjamin auf die Welt gebracht. Mittlerweile ist der Kleine ein paar Monate alt und die Einführung von Beikost wird zum Thema. Fabienne will bald in ihren Beruf zurückkehren. Ich unterstütze und berate die Zwei während dieser Phase.
Wie praktisch ist es, wenn man für das leibliche Wohl des Kindes immer alles dabei hat. Die gesunde Muttermilch in der richtigen Temperatur und vor allem immer in ausreichender Menge, um satt zu werden. Wer mit einem Kind unterwegs ist, muss sowieso schon an viele andere Utensilien denken. Wickelsachen dabei? Ersatzkleider oder Nuggi und Nuschi schon eingepackt? Wäre doch echt eine Katastrophe, wenn man mal das Milchpulver, das Wasser oder die Flasche vergessen würde!
Das Stillen in der Öffentlichkeit ist nicht jeder Frau’s Sache. Gerade wenn es mit dem Stillen noch nicht so einfach klappt, sind die Hemmungen grösser. Ich rate jeder Mutter, sich Schritt für Schritt heranzutasten. Suche dir bewusst Orte aus, an denen du stillen möchtest und kannst. Am Anfang ist es vielleicht nur ein einsames Bänkli in einem Park oder auf einem Spazierweg. Mit genügend Übung traust du dich sicher öfters an Orte, an denen sich auch andere Leute befinden. Still-Loops oder Stilltücher können dir einen Sichtschutz bieten, damit es dir beim Stillen wohler ist. Es ist wichtig, dass Mamas in der Öffentlichkeit stillen und sich nicht in schmutzige WC-Toiletten zurückziehen müssen. Die Stillende deckt ein Grundbedürfnis ihres Kindes und das sollte sie auch immer und überall machen dürfen. Mit etwas Übung gelingt es den meisten Frauen so zu stillen, dass man es kaum bemerkt – diskret und ohne viel Aufmerksamkeit zu erregen.
Fabienne, Peter und Benjamin erleben nun seit rund fünf Monaten den ganz normalen Wahnsinn einer Familie. Da Benjamin noch voll gestillt wird, hat das Stillen einen festen Bestandteil im Alltag. In rund fünf Wochen startet Fabienne allerdings wieder mit dem Berufsalltag und hat mich aus diesem Grund kontaktiert. Der Zeitpunkt ist ideal, denn so hat Fabienne noch genug Zeit, um allfällige Fragen zu klären und eventuelle Massnahmen am Arbeitsplatz zu organisieren. Fabienne wird zwei Tage in der Woche abwesend sein und möchte Benjamin weiterhin stillen.
Wichtig zu wissen: Als Stillende hast du Rechte am Arbeitsplatz. Die Zeit, die du zum Stillen oder Abpumpen brauchst, zählt im ersten Lebensjahr noch als Arbeitszeit. Um die Milchproduktion genügend aufrecht zu erhalten, wird empfohlen, im Trinkrhythmus des Kindes abzupumpen. Das kann je nach Kind zwischen zwei und vier Stunden variieren. Idealerweise kannst du die Milch nach dem Abpumpen sofort irgendwo kühlen und gekühlt nach Hause transportieren. Informiere deinen Arbeitgeber im Voraus, dass du noch stillst und abpumpen möchtest. Vielleicht kann er dir auch einen geeigneten Raum dafür zur Verfügung stellen. Es ist wichtig, dass man den Arbeitgeber vorab informiert, das Gespräch sucht und gegebenenfalls die Rechtslage erläutert.
Auf das Thema Milchpumpe und Abpumpen bin ich im letzten Beitrag eingegangen:
Von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) wird offiziell empfohlen, sechs Monate voll zu stillen. Im ersten Lebensjahr ist die Hauptnahrung Muttermilch oder Pulvermilch. Darum heisst es auch BEI-Kost. Das heisst, wenn du vor dem ersten Geburtstag abstillst, musst du deinem Baby zusätzlich noch Pulvermilch geben. Es gibt verschiedene Anzeichen, ob dein Kind bereit ist für die Einführung der Beikost. Achte auf diese Reifezeichen und beginne nicht zu früh. In welchem Alter das sein wird, ist von Kind zu Kind unterschiedlich.
Beikost kann in Breiform oder Fingerfood angeboten werden: Baby Led Weaning-Methode.
Viele Familien fragen mich, wie lange den gestillt werden sollte. Grundsätzlich soll gestillt werden, solange es für die Familie, vorwiegend Mutter und Kind, stimmig ist. Schön finde ich persönlich immer, wenn die Stilldauer mindestens ein Jahr anhält. Nach dem ersten Geburtstag muss dann auch kein Milchersatz mehr angeboten werden. Die WHO empfiehlt, wie oben schon erwähnt, sechs Monate volles Stillen, bis zum 2. Lebensjahr neben der Beikost weiter zu stillen und wenn möglich darüber hinaus. Wichtig zu wissen ist, dass jeder Schluck Muttermilch wertvoll ist, egal welches Alter das Kind hat. Die Immunabwehrstoffe sind sogar im 2. Stilljahr wieder in einer höheren Konzentration vorhanden und schützen bzw. unterstützen das kindliche Immunsystem Tag für Tag. Auch die Frau selber profitiert von einer langen Stilldauer. Das Risiko an Brustkrebs zu erkranken sinkt mit längerer Stilldauer. Stillen ist dementsprechend viel mehr, als nur Nahrung für das Kind. Das natürliche Abstillalter liegt übrigens irgendwo zwischen drei und sechs Jahren. Was? Ja, genau. Leider haben viele Leute ein falsches, befremdliches Bild vom Stillen von grösseren Kindern. Oder finden es sogar pervers. Oft werden die langzeitgestillten Kinder aber tatsächlich nur noch abends oder nachts gestillt. Das Bild vom Kindergartenkind, dass Mama in aller Öffentlichkeit das Oberteil hochzieht und an der nackten Brust saugt, ist kaum Realität. Auch das Stillen während einer erneuten Schwangerschaft ist in der Regel problemlos möglich. Viele Langzeitstillende stillen zum Teil auch Tandem – ein grösseres und jüngeres Kind gleichzeitig. Auch das ist möglich. In dem Fall sollte das jüngere Kind immer Vorrang haben.
Wann und wer den Zeitpunkt des Abstillens bestimmt, ist von Familie zu Familie individuell. Vor dem ersten Lebensjahr stillen sich die Kinder kaum von selber ab. Egal, aus welchen Gründen es zum Abstillen kommt, es ist ein kleiner Abschied von einer ganz speziellen Zeit. Ein abruptes Abstillen ist nur im Notfall zu empfehlen. Das sanfte Abstillen erleichtert das Ablösen auf beiden Seiten und ist auch für die Brust angenehmer. Die Stillmahlzeiten werden in der Regel seltener und weniger lang. Die Brust und das weibliche Hormonsystem registrieren das und entsprechend wird weniger Milch gebildet. In den letzten Jahren hatte ich mehrfach Anfragen von Frauen, die gerne relaktieren wollen. Also erneut beginnen möchten das Kind zu stillen. Oft wurden sie falsch oder mangelhaft beraten und es kam gegen ihren Willen zum Abstillen. Weil sie damit noch nicht abgeschlossen haben oder sie damit nicht mehr einverstanden sind, gibt’s die Möglichkeit die Brust nochmals anzukurbeln. Dies ist zwar möglich, bedingt jedoch eine engmaschige Begleitung durch eine erfahrene Stillberaterin.
Im nächsten und letzten Beitrag widme ich mich einem Thema, das in vielen Familien allgegenwärtig ist: «Einschlafen und Durchschlafen». Du darfst gespannt sein, was ich als Schlafberaterin von «1001kindernacht» dazu zu berichten habe.
Ich bin verheiratet und Mutter von zwei Söhnen. Als gelernte Pflegefachfrau HF habe ich im Spital Stans auf der Wochenbettstation und im Spital Lachen als Leiterin des Stillambulatoriums gearbeitet.
Nach meiner Weiterbildung zur Stillberaterin IBCLC und zur «Schlafberaterin 1001kindernacht» bin ich aktuell freiberufliche Stillberaterin IBCLC im Kanton Zug und führe eine eigene Praxis in Unterägeri. Nebenbei bin ich Präsidentin im Vorstand des Vereins kindLine, welcher das einzigartige Familienzentrum im Kanton Zug betreibt.<br><a href="http://stillberatung-haeusler.ch/" target="_blank">www.stillberatung-haeusler.ch</a>