
Ratgeber
Tier im Recht: Tierquälerei – das sind die häufigsten Opfer
von Darina Schweizer
Es passiert blitzschnell und kann weitreichende Folgen haben: Wenn Hunde zubeissen, ist ein rasches Handeln wichtig. In dieser Folge von «Tier im Recht» erfährst du, wie du richtig reagierst und welche Rechte und Pflichten du hast.
Als Kleinkind teilte ich meine Guetzli mit den imposantesten Riesenschnauzern. Mit meinen dünnen Fingerchen steckte ich ihnen das Gebäck zwischen die spitzen Zähne. Angst hatte ich keine. Bis heute jagen mir Vierbeiner selten einen Schauer über den Rücken, viel eher noch Zweibeiner.
Trotzdem kann ich gut nachempfinden, wie sich Personen fühlen, die sich fürchten. Wenn auf einem Spaziergang – mit oder ohne Hund – ein kläffender Bauernhofhund anprescht, zucke auch ich kurz zusammen. Was, wenn er plötzlich zubeisst? Caroline Mulle, rechtswissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung für das Tier im Recht, weiss, was zu tun ist.
Caroline Mulle, aus welchen Gründen beissen Hunde?
Zum Beispiel aufgrund von Angst, Schmerz, Stress oder fehlender Erziehung. Es ist wichtig, die Ursachen zu verstehen, um das Verhalten zu ändern. Oder besser noch: Anzeichen zu erkennen, bevor es zu einem Vorfall kommt.
Welche können das sein?
Vor dem Beissen zeigen Hunde oft Stresssignale wie starres Blicken, Knurren und gespannte Körperhaltung.
Ist solches Verhalten für gewisse Rassen typisch oder sind die Haltenden schuld?
Rassen können Unterschiede in der Reizschwelle und dem Verhalten aufweisen. Denn Hunde wurden für spezifische Aufgaben gezüchtet, wie beispielsweise für die Jagd oder den Schutz von Tier und Hof. Allerdings ist Aggressivität in erster Linie durch die Haltenden, die Erziehung und die Erfahrungen des Hundes geprägt.
Wie reagiere ich am besten, wenn ein Hund auf mich zurennt?
Man sollte ruhig stehen bleiben, den Körper abwenden und auf keinen Fall hektisch werden oder gar weglaufen. Das könnte der Hund missverstehen. Ebenfalls sollte man das Tier nicht direkt anstarren, sondern versuchen, den Hund zu ignorieren.
Was kann ich tun, wenn Hunde aneinandergeraten?
Es ist wichtig, trotz der hektischen Situation Ruhe zu bewahren. In erster Linie sollte man auf die eigene Sicherheit und die anderer achten. Keinesfalls sollte mit Händen oder dem Körper dazwischen gegangen werden. Stattdessen könnten die Hunde mit einem grösseren Gegenstand, wie beispielsweise einem Rucksack, getrennt werden. Auch das Bespritzen mit Wasser führt häufig dazu, dass die Tiere voneinander ablassen.
Und wenn sie das nicht tun und mein Hund einen anderen gebissen hat?
Wichtig ist, die Verletzungen schnell zu versorgen und falls nötig in einer Tierarztpraxis behandeln zu lassen. Ausserdem sollten Kontaktdaten ausgetauscht werden.
Welche Konsequenzen haben Besitzerinnen und Besitzer zu befürchten?
Bei einer Strafanzeige wegen Tierquälerei sowie wegen Verletzung der kantonalen Hundevorschriften kann eine Geldstrafe von bis zu 180 Tagessätzen oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren drohen. Zudem kann das Veterinäramt Massnahmen anordnen. Zivilrechtlich ist zu beachten, dass Hundehaltende für Schäden haften, die ihr Hund verursacht. Ausser, die betroffene Person befreit sich von ihrer Haftung.
Was heisst das konkret?
Man muss nachweisen können, dass ein freilaufender Hund abrufbar und gefahrlos im Umgang mit anderen Tieren und Menschen ist. Und auch ein angeleinter Hund muss so erzogen sein, dass er seiner Halterin oder seinem Halter gehorcht und keine anderen Tiere angreift.
Auf welche Art kann ich das beweisen?
Der Beweis ist in der Praxis tatsächlich schwierig umzusetzen. Diesen könnte man beispielsweise durch Augenzeugen erbringen.
Wie sieht die Situation aus, wenn der eigene Hund gebissen wurde?
Hundehaltende können einen Beissvorfall beim kantonalen Veterinäramt melden. Verpflichtet sind sie dazu jedoch nicht. Nach einer Meldung entscheidet das kantonale Veterinäramt über das weitere Vorgehen.
Was wird geprüft?
Etwa, ob das Tier an einer Verhaltensstörung leidet, die durch Hundeerziehungskurse oder Maulkorb- und/oder Leinenzwang gemildert werden kann.
Kann Beissen wirklich abgewöhnt werden?
Es ist möglich, erfordert jedoch konsequentes Training und Geduld. Am besten gelingt dies mithilfe von Hundetrainern oder Verhaltensspezialistinnen. Wobei darauf geachtet werden muss, dass nur gewaltfreie Methoden angewendet werden. Wichtig ist zudem, frühzeitig auf Anzeichen von Unsicherheit oder Aggression zu reagieren. Zusätzlich ist es entscheidend, Risikosituationen zu vermeiden, beispielsweise durch den Einsatz von Leine oder Maulkorb.
Wie geht man vor, wenn der eigene Hund einen Menschen gebissen hat?
Grundsätzlich gilt dasselbe wie bei einer Beisserei zwischen Hunden. Wobei die haftpflichtrechtlichen Schadenskosten um einiges höher sein können – zum Beispiel, weil die Person aufgrund der Verletzung vorübergehend nicht mehr arbeiten kann und es zu einem Erwerbsausfall kommt. Ausserdem kann ein Strafverfahren in Sachen Körperverletzung eingeleitet werden.
Wie sieht die Situation bei Katzenbissen aus?
Bei Katzen unterliegt die Tierhalterhaftung einigen Einschränkungen. Katzen sind im Gegensatz zu Hunden kaum durch ihre Halter kontrollier- und erziehbar. Daher müssen Katzenhalterinnen und -halter in der Regel nicht für Sach- oder Personenschäden einstehen, die ihre Katzen verursachen.
Kann unter Umständen verlangt werden, den Hund einzuschläfern?
Als letztes Mittel kann die Euthanasie des Hundes angeordnet werden. Jedoch nur, wenn eine erhebliche Gefahr für die Bevölkerung und andere Tiere von ihm ausgeht und diese nicht auf andere Weise verhindert werden kann. Das Veterinäramt übernimmt diese Abwägung und entscheidet letztlich.
Ich mag alles, was vier Beine oder Wurzeln hat. Zwischen Buchseiten blicke ich in menschliche Abgründe – und an Berge äusserst ungern: Die verdecken nur die Aussicht aufs Meer. Frische Luft gibt's auch auf Leuchttürmen.