
Ratgeber
Tier im Recht: Leiden Hauskatzen drinnen?
von Darina Schweizer
Haustiere gehören zu den beliebtesten Fotosujets und lassen viel mit sich machen. Doch es gibt auch Grenzen. Darauf musst du achten, wenn du Vierbeiner fotografieren, filmen oder ins Internet stellen willst.
Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, muss ich ständig stehen bleiben. Nicht, weil ich so viele Leute kenne (Gott sei Dank) oder exzessiv dem Schaufenster-Shopping fröne (okay, manchmal). Sondern, weil ich ständig unfassbar schnuckeligen Hunden begegne. Mein letzter «Crush» war ein Sennenhund vor dem Coop. Fast wollte ich den süssen Kerl mit meinem Smartphone ablichten. Doch ich hatte ein mulmiges Gefühl.
Darf ich eigentlich fremde Haustiere fotografieren? Wie ist es mit Filmen? Und ist es erlaubt, die Aufnahmen ins Internet zu stellen? Caroline Mulle, rechtswissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stiftung für das Tier im Recht, hat Antworten.
Caroline Mulle, darf ich einen fremden Hund fotografieren?
Fragen ist natürlich immer angebracht. Rechtlich darf man jedoch von jedem Tier ein Foto aufnehmen. Man sollte aber auf jeden Fall darauf achten, dass der Besitzer oder die Besitzerin nicht erkenntlich gemacht wird.
Weshalb?
Man könnte das Recht am eigenen Bild verletzen.
Dasjenige des Tieres nicht?
Nein, Tiere haben in der schweizerischen Gesetzgebung keine eigenen (Persönlichkeits-)Rechte.
Gelten sie also als Sache?
Mittlerweile nicht mehr. Auf sie werden aber, wo es keine tierspezifischen Vorschriften gibt, dieselben Bestimmungen wie bei einer Sache angewandt.
Darf ich ein fremdes Hunde- oder Katzenfoto ins Internet stellen?
Da es kein Recht am Bild der eigenen Sache gibt, ist die Veröffentlichung eines Bildes straflos, solange keine Rückschlüsse auf die Tierhalterin oder den Tierhalter gezogen werden können.
Gilt dasselbe auch für Videoaufnahmen?
Ja.
Worauf sollte man bei einer Haustieraufnahme sonst noch achten?
Bei einer besonders gekennzeichneten Wohnung oder Details im Hintergrund des Fotos sollte man vorsichtig sein. Denn sobald man von diesen auf Personen schliessen kann, ist eine Strafbarkeit möglich. Auch sollte der Zugang zum Tier nicht illegal verschafft worden sein. Das zählt als Verletzung der Privatsphäre.
Was passiert, wenn das Tier in einer sehr unvorteilhaften Position gezeigt wird?
Die Würde des Tieres wird in der Schweiz ausdrücklich geschützt und ist somit stets zu beachten. Der Würdeschutz ist sowohl in der Schweizer Bundesverfassung als auch im Schweizer Tierschutzgesetz verankert. Demnach darf ein Tier insbesondere nicht erniedrigt oder übermässig instrumentalisiert werden. Und es darf nicht tiefgreifend in sein Erscheinungsbild oder seine Fähigkeiten eingegriffen werden.
Verletze ich also die Würde des Tieres, wenn ich es auf einem Bild lächerlich mache?
Ja, das ist möglich. Wird diese Verletzung nicht durch überwiegende Interessen gerechtfertigt, liegt eine strafbare Würdemissachtung vor. Sie gilt als eine Form der Tierquälerei. Geahndet werden kann sie mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.
Wie sieht es bei Videos und Beiträgen aus, in denen Tiere verkleidet werden?
Bei vielen Tiervideos mit Jö-Effekt, die im Internet kursieren, ist eine Tierquälerei nicht sofort erkennbar. Dennoch bedeuten diese für die Tiere oftmals enormen Stress und eine Missachtung der Würde. Dies kann auch bei einer Verkleidung der Fall sein.
Wann genau?
Wenn das Tier dadurch lächerlich gemacht wird, in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird oder das Kostüm beim Tier zu Schmerzen und Leiden führt. Auch bei Kunststücken werden teilweise tierquälerische Methoden angewendet.
Wie soll man mit solchen Tiervideos umgehen?
Auf keinen Fall sollte man diese liken, sharen oder Kommentare anbringen. Denn so werden Klicks und Reichweite generiert und es werden noch mehr solcher Videos produziert.
Macht man sich strafbar, wenn man ein tierquälerisches Video likt oder teilt?
Das Bundesgericht hat in einem neueren Entscheid zu einem Ehrverletzungsdelikt festgehalten, dass das Liken und Sharen eines fremden Beitrags auf Facebook eine eigenständige Tatbestandsvariante der üblen Nachrede darstellt. Damit hat es die strafrechtliche Verantwortung im digitalen Raum erheblich ausgeweitet. Eine Anwendung auf die Verbreitung von Gewaltdarstellungen durch Likes oder Shares ist denkbar und eine Strafbarkeit nicht ausgeschlossen. Das gilt auch für Videos mit Tieren.
Worauf achtest du, wenn du Fotos und Videos von Tieren machst? Hast du auch schon fragwürdige Aufnahmen entdeckt? Verrate es mir in einem Kommentar.
Ich mag alles, was vier Beine oder Wurzeln hat. Zwischen Buchseiten blicke ich in menschliche Abgründe – und an Berge äusserst ungern: Die verdecken nur die Aussicht aufs Meer. Frische Luft gibt's auch auf Leuchttürmen.