
Hintergrund
Keiner mag den letzten Samichlaus
von Michael Restin
Kopflos kauft ihr uns bei Black Friday seit Jahren leer, ohne euch Gedanken zu diesem historischen Tag zu machen. Dabei hat Black Friday seinen Ursprung sogar in der Schweiz. Eine historisch sehr ungenaue Erläuterung.
Historikerinnen und Historiker haben unlängst neue Quellen entdeckt, die Hinweise auf die Umwälzungen im Einkaufsverhalten liefern. Könnten die Angaben aus alten Schriften bestätigt werden, müsste die Antwort auf die Frage «Wer hat’s erfunden?» neu geschrieben werden. Nicht in den USA ist der Tag entstanden, die Schweiz ist für den Brauch verantwortlich.
Wie der Inschrift zu entnehmen ist, sollte der Freitag, der 29. des elften Monats im Jahr 1315, das Einkaufsverhalten in der noch jungen Eidgenossenschaft gehörig auf den Kopf stellen. Ein geiziger Möbelhändler, eine findige Schreinerin und eine freche Magd waren die Auslöser für die erste Rabatt-Schlacht von Rappenswil.
Der Möbelhändler nämlich hatte aus der Ferne Möbel zu wenigen Gulden ersteigert, um sie später in Rappenswil zu deutlich höherem Preise zu verkaufen. Das brachte die Schreinerin in Bedrängnis, hatte sie doch dem Förster schon gutes Holz abgekauft, das sie im Begriffe war, zu Tischen und Stühlen zu verarbeiten. Was sollte sie bloss tun?
Es zogen ein paar Tage ins Lande, als die Magd der Schreinerin einen Besuch abstattete. Die Schreinerin klagte der Magd ihr Leid, sie könne aus dem Holz keine Möbel mehr herstellen, weil das Volk dem gewieften Möbelhändler die Waren aus den Händen reissen und sie auf ihrem Holz sitzen bleiben würde. Die Magd, schlau wie sie war, hatte schnell eine Lösung für die missliche Lage. Sie solle doch die schon gezimmerten Möbel zu einem tieferen Preise anbieten. Das würde ihr zunächst weniger Gulden einbringen. Die Kundschaft würde so aber von der Qualität der Ware überzeugt. Der Möbelhändler nämlich hatte wohl günstige Möbel eingekauft. Deren Machart war aber von so zweifelhafter Natur, dass die Kunden bald schon zeternd vor ihm stünden und ihr Geld für die mangelhafte Ware einfordern würden. Dann wäre die Kundschaft der Schreinerin bald wieder bereit, den vollen Preis zu zahlen.
Nun hatte der Möbelhändler aber von diesem Plan Wind bekommen. Ein schwarzer Rabe hatte die Worte der beiden Frauen gehört. Drei Nüsse musste der Möbelhändler dem Raben versprechen, bevor dieser mit der Sprache herausrückte. Und so kam es, dass am Freitag, dem 29. des elften Monats im Jahr 1315, die Schreinerin ihre Möbel zu einem tieferen Preise anbot als der Möbelhändler seine Ware aus der Ferne. Die ersten Bürgerinnen und Bürger von Rappenswil stürmten herbei und kauften Stühle, Tische und Schränke. Bald schon war auf den engen Gassen aber zu hören, dass wohl der Möbelhändler die noch tieferen Preise hätte. Boten wurden in die umliegenden Dörfer geschickt, um Kunde zu tun von dem eigenartigen Treiben. Die Schreinerin unterbot den Möbelhändler abermals, worauf dieser seine Preise noch einmal um ein paar Gulden senkte.
Alsbald stand das Volk aus der ganzen Vogtei vor dem Stadttor von Rappenswil und erwartete tiefe Preise. So kam es, dass auch Wirtsleute in den Wahn einstiegen und das Bier zu wenig Gulden verkauften. Der Bauer bot Kohl und Rüben feil, die er erst später am Markt verkaufen wollte, und der Schneider holte den missratenen Zwirn aus dem Keller, um ihn der kaufwütigen Kundschaft zu vermindertem Preise unter die Nase zu reiben. Immer weiter ging der Spuk, immer tiefer fielen die Preise und immer mehr Menschen säumten die Gassen und Strassen der Stadt bis tief in die Nacht. Die Rabatt-Schlacht von Rappenswil!
Am nächsten Tage, als die Handwerksleute und Handelsleute ihre Kassen stürzten, merkten sie, dass sie zwar Gulden in den Taschen, aber keine Waren mehr zum Verkauf hatten. Es sollte ein harter Winter werden, denn die verdienten Gulden sollten nur wenige Monde reichen, um die hungrigen Mäuler zu stopfen. Alle Zünfte versammelten sich auf dem Marktplatz, um ihrer Ernüchterung Ausdruck zu verleihen. Nach unzähligen Reden und Aufschreien wurde beschlossen, dass sich ein solcher Wucher nie wiederholen dürfe. Dieser Freitag sollte fortan als «Schwarzer Freitag» in die Chronik der Stadt eingehen. Um aber nicht die Wut der freien Bürger der gesamten Vogtei auf sich zu ziehen, waren die Zünfte zu einem Kompromiss bereit: Genau am letzten Freitag des elften Monats dürfe fortan Sodom und Gomorra herrschen. Das restliche Jahr über sollten die üblichen Preise gelten. Diese Tradition hat bis heute Bestand.
Ich werde an diesem Black Friday nicht in die Rabattschlacht ziehen. Ich brauche nichts, ist noch billiger. Aber als Historiker hatte ich meine Freude, endlich mal ein Schlachtengemälde zu pinseln. PS. Für alle, die sich gerade gefragt haben: Ja, der 29.11.1315 war ein Freitag. Stimmt alles.
Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.