Hintergrund

Kinder, Kohle, Konto: Wichtige Tipps rund ums Taschengeld

Katja Fischer
23.9.2022

Wie viel kostet dieses Glace und wie lange muss ich für die Puppe sparen? Plötzlich stellt meine Tochter Geldfragen und plündert heimlich ihr Sparschwein. Höchste Zeit also für Taschengeld? Die wichtigsten Antworten von einem Experten zum Thema.

Bevor meine Tochter zur Schule aufbricht, muss sie zur täglichen Leibesvisitation. Ich durchsuche Hosen- und Jackentaschen und scanne ihren Thek – immer auf der Suche nach: Geld.

Mein täglicher Check hat wenig mit einer Flughafen-Sicherheitskontrolle zu tun. Aber ein kleiner Zwischenfall hat mich unfreiwillig zur strengen Ordnungshüterin gemacht. Kürzlich fischte sie sich heimlich ein paar Münzen aus ihrem Sparschwein und legte auf dem Schulweg mit einem Freund einen Zwischenhalt am Kiosk ein. Davon erfahren habe ich, weil sie mit ihrem Süssigkeiteneinkauf anschliessend in der Schule prahlte. Und sich daraufhin die Mutter einer Mitschülerin bei mir meldete. Pipifax, schon klar. Trotz klärendem Gespräch mit ihr erwischte ich meine Tochter tags darauf aber erneut mit Kleingeld im Sack. Und frage seither deshalb jeden Tag nach, bevor sie das Haus verlässt.

Mein erstes Mal bei der Budgetberatung

Tatsache ist: Geld und Chrömle (gibt’s nur auf Schweizerdeutsch und heisst so viel wie «Kleinigkeiten kaufen») sind zurzeit Riesenthemen bei ihr. Mit Freundinnen und Freunden spielt sie «Verchäuferlis» im improvisierten Verkaufsladen mit Spielgeld, im Schwimmbad besteht sie neuerdings darauf, mit meinem Portemonnaie die Glace-Runde zu bezahlen, und plötzlich will sie auf grosse Dinge auf ihrer Wunschliste selbst sparen, statt sie sich zu Weihnachten zu wünschen. Höchste Zeit also für eigenes Taschengeld? Das fragen sich mein Mann und ich. Aber hadern in der gleichen Sekunde mit der Vorstellung. Sie hat gerade erst die 1. Klasse gestartet – ist eigenes Geld nicht viel zu früh?

«Nein», versichert mir Philipp Frei in einem Gespräch. Und er muss es wissen: Der 38-Jährige ist Geschäftsführer des Dachverbandes Budgetberatung Schweiz und selbst zweifacher Vater. Es ist mein erster Termin überhaupt mit jemandem aus der Budgetberatung, gemeinsam gehen wir den wichtigsten Fragen rund ums Thema Taschengeld nach.

Ab welchem Alter soll ein Kind Taschengeld bekommen?

Das ist individuell und hängt von der Entwicklung des Kindes, aber auch den Möglichkeiten der Familie ab. Ein guter Zeitpunkt, damit zu starten, ist die 1. Klasse – dann, wenn das Kind anfängt zu rechnen. Gleichzeitig betont Experte Frei: Kinder haben keinen Anspruch auf Taschengeld. «Es ist keine Elternpflicht, sondern eine freiwillige Leistung.»

Braucht es Taschengeldregeln?

«Ja, denn einfach nur Sackgeld zu haben, fördert die Finanzkompetenzen nicht», so Frei. Folgende Fragen sollten vorgängig geklärt werden: Was soll sich das Kind mit dem Geld leisten können? Was nicht? Darf es frei über seine Ausgaben entscheiden? Oder sollen wir als Eltern mitbestimmen? Frei empfiehlt eine Mischform: bei einem Anteil definieren, wofür er ist, den anderen Teil zur freien Verfügung stellen. «Es ist wichtig, dass das Kind wegen einer Fehlausgabe auch mal auf die Nase fällt. Fehler gehören zum Lernen dazu.»

Wie viel Taschengeld ist angemessen?

1 Franken pro Klasse und Woche gilt als Empfehlung. Ab ungefähr der 5. Schulklasse empfiehlt der Dachverband Budgetberatung eine monatliche Auszahlung. «Erst ab dann ist das Kind fähig, seine Ausgaben über einen längeren Zeitraum als nur eine Woche zu planen.»

Taschengeldempfehlung: 1 Franken pro Klasse und erst ab etwa 10 Jahren eine monatliche Auszahlung.
Taschengeldempfehlung: 1 Franken pro Klasse und erst ab etwa 10 Jahren eine monatliche Auszahlung.
Quelle: Dachverband Budgetberatung Schweiz

Frei gibt jedoch zu bedenken: «Die Beträge der Tabelle sind schon einige Jahre alt und wurden seit Längeren nicht der Kaufkraft angepasst.» Er empfiehlt Eltern deshalb, die folgende Frage in den Vordergrund zu stellen: Wofür soll mein Kind sein Geld ausgeben können? «Wenn es sich zum Beispiel pro Woche ein Glace leisten können soll, sind wöchentlich zwei, drei Franken angebracht.»

Ist Taschengeld streichen als Bestrafung okay?

«Nein», findet der Experte. «Sackgeld sollte nicht zum Erziehungsinstrument werden.» Weder Streichen als Bestrafung noch Zusatzgeld als Belohnung. Als «Korrekturmittel» habe Geld schliesslich noch nie funktioniert. Und eine Belohnung zum Beispiel für gute Noten sei aus pädagogischer Sicht nicht zu empfehlen. «Geld ist der falsche Anreiz», sagt Frei.

Soll das Taschengeld aufgestockt werden, wenn es zu früh aufgebraucht ist?

Auch hier lautet die Antwort des Experten: nein. Wenn das Geld weg ist, ist es weg – und mit den Konsequenzen soll das Kind leben lernen. Es gebe aber Ausnahmen, fügt Frei an. Dann etwa, wenn das Kind seine Kleider vom Taschengeld selbst kaufen muss und die Schuhe Löcher haben. «Wenn das Sackgeld schon für anderes ausgegeben wurde, können die Eltern durchaus einen Betrag vorschiessen. Dann sollte der Vorschuss aber auch vom nächsten Taschengeld abgezogen werden, bis die Schulden zurückbezahlt sind.»

Apropos Schuhe: Wann sollen Dinge wie Kleider, Coiffeur und Mobiltelefon selbst bezahlt werden?

Ab ungefähr der Oberstufe ist sogenanntes «erweitertes Taschengeld» für mehr Ausgaben ein sinnvoller Schritt zu mehr Eigenverantwortung.

Mit dem erweiterten Taschengeld für Jugendliche fallen zusätzliche Ausgaben an.
Mit dem erweiterten Taschengeld für Jugendliche fallen zusätzliche Ausgaben an.
Quelle: Dachverband Budgetberatung Schweiz

Die Beträge sollen sich nach den finanziellen Verhältnissen der Eltern richten. «Ausserdem raten wir, die Kinder zu begleiten», sagt Frei. Will heissen? «Zum Beispiel gemeinsam ein Budget erstellen und die Ausgaben zusammen besprechen.»

Ab wann ist ein eigenes Bankkonto sinnvoll?

Früher sei diese Antwort klar gewesen: ab dem ersten Lehrlingslohn. Mit dem Trend zum bargeldlosen Zahlungsverkehr sei aber das Alter stark gesunken – «und wird sicher weiter sinken», prophezeit Frei. Bereits gibt es Bankkarten speziell für Kinder. Das sei auch okay, solange es sich nicht um Kreditkarten handle. Er empfiehlt, seinem Kind mit etwa zwölf Jahren ein Konto einzurichten.

Von einer eigenen Bankkarte ist meine Sechsjährige noch Jahre entfernt, erst einmal starten wir jetzt mit dem ersten Sackgeld. Noch ist Geld für sie sowieso etwas komplett Abstraktes. Als ich einen absurden Einkaufswunsch von ihr kürzlich mit «Dafür habe ich kein Geld» abtat, meinte sie nämlich schulterzuckend: «Dann hol doch einfach mit deiner Bankkarte.» Als wäre die Kohle dort für alles und unendlich verfügbar.

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Anna- und Elsa-Mami, Apéro-Expertin, Gruppenfitness-Enthusiastin, Möchtegern-Ballerina und Gossip-Liebhaberin. Oft Hochleistungs-Multitaskerin und Alleshaben-Wollerin, manchmal Schoggi-Chefin und Sofa-Heldin.


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