

J-Beauty-Expertin: «Die Hautpflege wird in Japan sehr ernst genommen»

Helen Dao importiert japanische Kosmetik in die Schweiz und kennt sich bestens mit dem Phänomen J-Beauty aus. Sie verrät mir, welche Produkte hierzulande besonders Anklang finden und worauf du als Neuling beim Kauf achten solltest.
Wer sich in der Schweiz gelegentlich mit japanischen Beauty-Produkten eindeckt, hat vermutlich schon von Little Japan gehört. Helen Dao (28) hat den Online-Shop vor vier Jahren aus eigener Not ins Leben gerufen. 2016 kam die gebürtige Vietnamesin für ihren Bachelorabschluss in Hotel Management in die Schweiz. Heute ist sie schweizweit die einzige Importeurin japanischer Kosmetik. Auch auf Galaxus ist sie als Marktplatzhändlerin vertreten. Ich habe die Unternehmerin auf einen Eistee getroffen.
Helen, wieso J-Beauty? Konnten die vietnamesischen Kosmetikprodukte nicht mithalten?
An meinem Interesse ist meine Cousine schuld. Wir wuchsen gemeinsam in der Stadt Ho-Chi-Minh auf. Später heiratete sie und zog nach Tokio. Jedes Mal, wenn sie uns besuchen kam, brachte sie mir etwas mit. Mal waren es Lippenstifte, mal ein Wangenrouge. Die Produkte wurden fester Bestandteil meiner Routine. Als ich 2016 in die Schweiz kam, gingen mir aber die Produkte aus. Damals gab es hier keinen Anbieter für japanische Beauty-Produkte.
Und jetzt gibt es Little Japan. Wie kam es dazu?
Ich begann, mir meine Produkte für den Eigenbedarf direkt aus Japan zu bestellen. Mit Versand- und Zollkosten ein teures Unterfangen. 2020 hatte ich dann zum ersten Mal die Idee für Little Japan. Ich wusste nur nicht, ob ausser mir noch andere Leute Interesse an japanischen Produkten hatten.
Offenbar warst du nicht alleine.
Vor meiner nächsten Bestellung fragte ich auf Social Media, ob sonst noch jemand gerne etwas aus Japan hätte und ob wir uns die anfallenden Kosten teilen wollten. Nach meinem Aufruf kontaktierten mich viele Leute. Es folgten zahlreiche Gemeinschaftsbestellungen und immer wieder flatterten neue Anfragen rein. Damals gab ich die Bestellung noch an meine Cousine durch und sie kaufte die Produkte in Japan zusammen. Irgendwann überstieg die Nachfrage ihre Kapazität, schliesslich hatte sie noch einen Fulltime-Job. Stell dir vor, du musst jeden Tag nach der Arbeit noch in der Migros Produkte für deine Verwandtschaft kaufen gehen. Wie mühsam. So entwickelte sich die Idee für den Shop: Ich suchte mir einen verlässlichen Partner in Japan, der Kontakt mit den Herstellern aufnimmt und den Versand in die Schweiz koordiniert.

Quelle: Helen Dao
Was schätzt du an J-Beauty am meisten?
Dass es die Philosophie verfolgt, die Hautbarriere gesund zu halten und aufzubauen. Ähnlich wie die koreanische Kosmetik, setzt sie auf milde Inhaltsstoffe. In Europa und den USA findest du hingegen vermehrt aktive Wirkstoffe wie zum Beispiel peelende Säuren. Japan hat zudem im Vergleich zu anderen Ländern die strikteste Regulierung, was Produktformulierungen anbelangt. Das heisst, dass sie strenge Vorgaben haben, an die sich die Hersteller halten müssen, wenn sie ihre Produkte in Japan vertreiben wollen.
Das war mir gar nicht bewusst. Daher wohl auch der gute Ruf.
Ja, es ist aber üblich, dass japanische Marken in weniger streng regulierten Ländern, wie zum Beispiel Vietnam, Tochtergesellschaften gründen. Das heisst: Wenn du das vermeintlich selbe Produkt einmal Made in Japan und Made in Vietnam vergleichst, dann wirst du einen Unterschied merken – weil das Produkt, das in Japan hergestellt wurde, höheren Qualitätsanforderungen genügen muss.
Wie entscheidest du, welche Produkte du in dein Sortiment aufnimmst?
In erster Linie habe ich natürlich meine Favoriten an Bord geholt. Aber in den Anfragen auf Social Media liessen sich auch schnell Muster erkennen. Viele meiner Kundinnen und Kunden sind bereits informiert und wissen genau, was sie möchten. Daran orientiere ich mich.
Welche japanischen Produkte kommen in der Schweiz besonders gut an?
Die Fino-Haarmaske von Shiseido für Geschmeidigkeit, sowie das feuchtigkeitsspendende Shampoo und der Conditioner von & Honey.

Quelle: Natalie Hemengül
Unter den Sonnenschutzprodukten ist das Skin Aqua UV Super Moisture Gel mein Bestseller. Im Bereich Make-up sind es unter anderem die Produkte von Canmake. Vor allem die Cream Cheek Blushes und das Marshmallow Finishing Powder.
Glaubst du, dass J-Beauty vom K-Beauty-Hype profitiert?
Das Interesse an K-Beauty hat die Menschen sicherlich neugierig darauf gemacht, was der asiatische Beauty-Markt noch zu bieten hat. Die Koreanerinnen und Koreaner haben eine gute Arbeit geleistet, ihre Beauty-Produkte an den Rest der Welt zu vermarkten. Die japanischen Marken hingegen investieren deutlich weniger Geld in die Bekanntmachung ihrer Produkte über ihre Landesgrenzen hinaus.
Welchen Trends begegnest du in Japan?
Eine schöne, gesunde Haut ist ein grosses Thema. Das liegt unter anderem daran, dass an den Schulen das Tragen von Make-up nicht erlaubt ist. Viele junge Frauen suchen dennoch einen Weg, wie sie Schminke nutzen können, ohne dass es auffällt. Deshalb ist die asiatische Make-up-Ästhetik auch eher auf der natürlichen Seite. Es sieht aus, als wären die Menschen einfach mit makelloser Haut gesegnet. Dahinter stecken aber viel Pflege und natürlich wirkende Make-up-Produkte. Ein etwas neuerer Trend, der ursprünglich aus Korea stammt, ist das sogenannte Aegyo-Sal. Dabei werden die Hautfalten unter dem Auge betont, was besonders niedlich wirken soll.
Dann geniesst das Thema Skincare in Japan einen hohen Stellenwert?
Die Hautpflege wird in Japan sehr ernst genommen. Im Vergleich zu westlichen Schönheitsidealen versuchen die Menschen im ost- und südostasiatischen Raum sonnengebräunte Haut zu vermeiden. Sie bevorzugen den blassen Look. Deshalb gehört die Sonnencreme bei Männern wie auch Frauen zur täglichen Routine. Das ist auch der Grund, weshalb die Formeln meist auf den täglichen Gebrauch ausgerichtet sind. Das heisst, es sind nicht fettende, leichte Texturen, die sich auch unter dem Make-up gut machen.
Mir ist aufgefallen, dass fast alle japanischen Sonnenschutzmittel in drei verschiedenen Ausführungen erhältlich sind. Was hat es damit auf sich?
So werden die Brands unterschiedlichen Hauttypen gerecht. Die Sonnenmilch zum Beispiel ist ein Fluid, das sich durch eine lange Tragedauer auszeichnet und wasser-, hitze- sowie schweissresistent ist. Sie eignet sich besonders für ölige Haut und muss vor der Anwendung gut geschüttelt werden. Gel wiederum besitzt eine erfrischende, wasserbasierte Textur, die ideal für Mischhaut ist. Und dann wäre da noch die Essenz, die trockener Haut besonders viel Feuchtigkeit spendet und von der Textur her ein bisschen an ein Serum erinnert.
Ich habe neulich japanische Sonnenschutzmittel getestet. Auffallend war, dass alle drei in sehr viel Plastik verpackt waren. In der Schweiz ein eher ungewohnter Anblick. Was steckt dahinter?
Im asiatischen Raum wird Bequemlichkeit oft gross geschrieben. Umweltaspekte sind leider nicht so präsent wie hier. Die Plastik-Kultur in Japan ist zudem auf einen starken Hygiene-Bedarf zurückzuführen. In den letzten Jahren habe ich aber beobachtet, dass das Bewusstsein dafür zugenommen hat und sich die Dinge verändern – wenn auch nur langsam. Die Sonnencreme von Anessa zum Beispiel, die du getestet hast, setzt neu auf eine Kartonverpackung.
Hast du einen japanischen Beauty-Tipp für mich?
Verwende ein sogenanntes «Facial Foaming Net», ein Tool, das in Japan besonders beliebt ist. Ich hab dir sogar eins mitgebracht.
Oh, das ist aber lieb, vielen Dank! Und wie und wozu verwende ich das?
Du benutzt es zur sanften Gesichtsreinigung. Gib einen Pumpstoss deines wasserbasierten Cleansers auf das Netz, feuchte es an und rubbel daran, bis ein dicker, fester Schaum entsteht, den du von Hand allein gar nicht hinbekommst. Dann nimmst du den Schaum und reinigst damit deine Haut. Aber bitte nicht direkt mit dem Netz ins Gesicht. Sonst wird deine Haut bei der Reinigung unnötiger Reibung ausgesetzt.
Das werde ich definitiv ausprobieren! Zum Schluss noch eine eigennützige Frage: Ich reise bald nach Japan und habe etwas Respekt vor der grossen Auswahl an Beauty-Produkten. Worauf soll ich achten?
Ein guter und verlässlicher Anhaltspunkt ist das Cosme-Gütesiegel. Cosme ist vergleichbar mit Sephora und in Japan die Nummer Eins in Sachen Produkt-Rating. Ihr Ranking ist vertrauenswürdig und basiert auf landesweiten Feedbacks der Nutzerinnen und Nutzer. Die Top-Produkte verschiedener Kategorien findest du auf ihrer Webseite, die du erst auf Deutsch übersetzen musst. Oftmals drucken die Hersteller das runde, gelbe Gütesiegel aber auch direkt auf ihre Produktverpackungen. So siehst du auf einen Blick, ob ein Produkt beliebt ist.

Quelle: Natalie Hemengül


Als Disney-Fan trage ich nonstop die rosarote Brille, verehre Serien aus den 90ern und zähle Meerjungfrauen zu meiner Religion. Wenn ich mal nicht gerade im Glitzerregen tanze, findet man mich auf Pyjama-Partys oder an meinem Schminktisch. PS: Mit Speck fängt man nicht nur Mäuse, sondern auch mich.