Die Vor- und Nachteile der Trendfaser Tencel
Hintergrund

Die Vor- und Nachteile der Trendfaser Tencel

Pia Seidel
30.1.2023

Die Nachfrage nach Tencel steigt. Miriam Tyrangiel ist Geschäftsleiterin der Schweizer Heimtextil-Marke «Undercover Living» und erklärt mir, was die Naturfaser so besonders macht.

Tencel, auch unter dem Namen Lyocell bekannt, hat viele Vorzüge gegenüber Baumwolle. Welche das sind, weiss Miriam Tyrangiel. Sie ist die Gründerin von Undercover Living, ihr Label hat die Naturfaser als eines der ersten in der Heimtextilindustrie verwendet.

Miriam, warum war der Stoff vor fünf Jahren, als du Undercover Living gegründet hast, noch nicht so verbreitet?
Miriam Tyrangiel: Tencel gibt es eigentlich schon seit 1972. Doch die Baumwolle macht einfach schon länger den Löwenanteil in der Industrie aus. Viele etablierte Marken wagen sich nicht so schnell an neues Material. Das habe ich als Chance gesehen.

Hast du also in erster Linie mit der Naturfaser arbeiten oder Bettwäsche produzieren wollen?
Die Idee für Bettwäsche war zuerst da. Ich habe mich mit verschiedenen portugiesischen Produzenten getroffen, weil diese viel Erfahrung haben, in der EU sind und faire Löhne zahlen. Dabei wurde mir eigentlich immer zuerst mittelwertige bis günstige Baumwolle vorgeschlagen. Ich wusste aber, dass Tencel zu der Zeit in der Mode und Unterwäsche, insbesondere bei Pyjamas erfolgreich war. Also habe so lange weitergesucht, bis ich ein Familienunternehmen gefunden habe, das die Naturfaser herstellt.

Miriam Tyrangiel hat das Potenzial von Tencel gleich gesehen.
Miriam Tyrangiel hat das Potenzial von Tencel gleich gesehen.
Quelle: Nora Brumm

Woraus besteht die Faser genau?
Tencel ist eine pflanzliche Faser, die aus verschiedenen Bäumen gewonnen wird. Wie zum Beispiel Eukalyptus und Buche. Diese Bäume benötigen für Wachstum weit weniger Wasser und Pestizide als Baumwolle. Die gewonnene Cellulose wird durch das nachhaltige Lösemittel N-Methylmorpholin-N-Oxid (NMMO) in Stofffasern verwandelt. Für dieses Verfahren gewann die Marke den europäischen Umweltpreis.

Wie gross ist der ökologische Fussabdruck der Faser?
Sie ist CO₂-neutral, biologisch abbaubar, kompostierbar und der Wasserverbrauch ist zehn- bis 20-mal niedriger als bei Baumwolle. Lyocellfasern entstehen in einem geschlossenen Herstellungsprozess – sprich: Der Zellstoff wird mit hoher Ressourceneffizienz und geringer ökologischer Auswirkung in Cellulosefasern umgewandelt. Dabei wird das organische Lösungsmittel zu mehr als 99 Prozent in den Produktionskreislauf zurückgeführt. Bei Bambus wird ein ähnliches, aber weniger geschlossenes Verfahren verwendet.

Wo wird Tencel angebaut?
Auf der offiziellen «TENCEL™»-Website findest du Sustainability-Reports, in denen genauestens belegt wird, aus welchen zertifizierten Wäldern die verarbeiteten Bäume stammen. Das Holz stammt demnach nicht aus dem Regenwald und trägt entweder ein FSC-Zertifikat oder ist PEFC-zertifiziert. Vielerorts kommt es aus Wäldern, wo mehr gepflanzt als abgebaut wird. Buche kommt zum Beispiel in Tschechien oder Österreich. Eukalyptus stammt aus Amerika, Südafrika.

Die Naturfaser kann seidig matt glänzen.
Die Naturfaser kann seidig matt glänzen.
Quelle: Georgia Gold

Wodurch zeichnet sich Eukalyptus aus?
Er wächst sehr schnell und braucht weniger Wasser.

Ähnlich wie Bambus, oder?
Genau, er wird auch zu Stoffen weiterverarbeitet und hat einen ähnlichen Produktionsprozess. Allerdings ist der Vorteil von Tencel, dass die eingetragene Marke mit strikten Qualitätskontrollen verbunden ist. Beim Bambus gibt es diese Transparenz nicht.

Es ist allgemein ein Problem, dass viele Stoffe keine nachvollziehbaren Zertifikate haben.
Ja, es gibt wenig vertrauenswürdige Beispiele. Das einzige, auf das wir für unsere Bio-Baumwolle-Kollektion setzen, ist das Global Organic Textile Standard Zertifikat (GOTS). Es garantiert, dass die gesamte Lieferkette von der Farm bis zum Produkt akkreditiert werden muss, um strenge Standards zu erfüllen, einschliesslich ökologischer und sozialer Kriterien.

Tencel eignet sich für Ganzjahresbettwäsche.
Tencel eignet sich für Ganzjahresbettwäsche.
Quelle: Georgia Gold

Welche Vorteile hat Tencel- gegenüber Baumwoll-Bettwäsche?
Es ist angenehm auf der Haut, sowohl im Sommer als auch im Winter. Es ist atmungsaktiv, feuchtigkeitsregulierend – mehr als Baumwolle – und ist dadurch auch antibakteriell. Selbst nach Jahren bleibt die seidige, weiche Haptik erhalten.

Ist Tencel für Menschen mit Allergien geeignet?
Ja, Tencel eignet sich sehr gut für Allergikerinnen und Allergiker. Unsere Bettwäsche ist zudem OEKO-TEX-zertifiziert und enthält keine Schadstoffe.

Und wie verhält es sich im Unterschied zu Leinen und Hanf?
Der Stoff ist angenehm weich und weniger grob. Wenn die Bettwäsche zu 100 Prozent aus Tencel bestehen würde, wäre sie wie Seide. Wir kombinieren Tencel jedoch mit langstapeliger Baumwolle.

Tencel ist weich wie Seide.
Tencel ist weich wie Seide.
Quelle: Nora Brumm

Wie pflege ich Tencel, damit ich lange was davon habe?
Um die Fasern zu schonen, empfehle ich dir, die Bettwäsche bei bis zu 40 Grad in der Waschmaschine zu waschen. Du kannst sie auch in den Trockner legen. Nur bleichen solltest du sie nicht.

Benutzt du ein bestimmtes Waschmittel?
Wir empfehlen das schwedische Biowaschmittel Yuzu, weil wir damit gute Erfahrungen gemacht haben und es der Bettwäsche einen angenehmen Geruch verleiht. Aber unsere Bettwäsche kann mit jedem herkömmlichen Waschmittel gewaschen werden.

Ein Grossteil deiner Designs sind unifarben. Kann Tencel wie andere Stoffe mit Mustern versehen werden oder gibt es in der Gestaltung Limitierungen?
Nein, du kannst es bedrucken oder einfärben.

Hat Tencel eigentlich irgendeinen Nachteil?
Es ist relativ teuer im Vergleich zu Baumwolle. Wir hoffen aber, dass das Bewusstsein steigt und sich Kundinnen und Kunden künftig öfter für das nachhaltige Material entscheiden, um mit ihrer Bettwäschewahl die Umwelt zu schonen.

Titelfoto: Nora Brumm

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Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit. 


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