
Hintergrund
Cannabis eintopfen – Tinus Grow Report, Folge 3
von Martin Jud
Als wären meine Hanfpflanzen Schluckspechte, giesse ich täglich bis acht Liter. Das viele Grün fordert aber nicht nur Wasser. Manche Zweige sind so lang, dass die Blüten zu nahe an die heisse Natriumdampflampe kommen. Drastische Massnahmen sind notwendig.
Die vier Cannabis-Pflanzen meines CBD-Experiments sind heute 70 Tage alt und 170 bis 180 Zentimeter gross. Den Topf nicht eingerechnet. Das üppige Wachstum seit dem letzten Grow Report hat mich über die Feiertage überrascht und glücklich gemacht.
Doch schrillen zwischenzeitlich die Alarmglocken, denn Verbrennungsgefahr droht.
Zum ersten Mal ist es an Tag 59 soweit. Wie ein kleiner schlimmer Finger zeigt die Kronblüte von Pflanze Nr. 5 direkt ins Licht, das bereits ganz oben im Zelt hängt. Auf dem folgenden Bild ist sie im Hintergrund zu sehen.
Ganz schön heiss so nah an der 400-Watt-Natriumdampflampe. So geht das nicht. Sie ist 10 bis 15 Zentimeter vom Licht entfernt, als ich beschliesse, sie einen Kopf kleiner zu machen. Natürlich nur im übertragenen Sinne, denn ich ändere lediglich ihre Wuchsrichtung.
Dazu nehme ich einen Bleistift, um welchen ich den Stamm der Pflanze rund 50 Zentimeter unterhalb der Spitze knicke. Natürlich würde genauso ein Kugelschreiber gehen. Von einem direkten Knicken ohne Knickhilfe rate ich allerdings ab. Auch so schmerzt mein Herz beim Knicken und dem leisen Knackgeräusch als der Stamm nachgibt. Dann binde ich den geknickten Teil so weit waagrecht wie möglich an das Rohr der hinteren linken Ecke des Zelts.
So. Bitte nun weiterwachsen und -blühen.
Fünf Tage später, an Silvester 2020, scheint die Knickstelle bereits geheilt. Die Pflanze hat sie verstärkt. Ich habe nach dem Knicken einen leicht erhöhten Wasserbedarf registriert. Ansonsten wächst und blüht sie nun am Rand des Zeltes rundum gesund weiter.
Leider oder auch zum Glück ist Pflanze Nr. 3 zwischenzeitlich ebenfalls arg nahe an die Lampe gewachsen. Daher knicke ich diese genauso zur nächst gelegenen Zelt-Ecke vorne rechts.
Weitere 48 Stunden später ist Pflanze Nr. 2 reif für mein Knicktuning. Doch entscheide ich bei ihr, dass sie aufgrund zu vieler Zweige, die in den Weg kommen, nicht geknickt wird. Ich biege sie vorsichtig in die vordere linke Ecke des Zeltes und fixiere sie mit Schnur.
Endloses Knicken und Biegen. Mein Zelt dürfte echt grösser sein.
An Tag 69, also gestern, ist auch die bisher kleinste Pflanze genügend gross, um sie vor der Hitze schützen zu müssen. Gleichzeitig sind neue Zweige der schon geknickten Pflanzen erneut dicht am Licht, weshalb diese ebenfalls gebogen werden. Ich komme kaum hinterher mit dem Runterbinden.
Ohne Gegenmassnahmen würde im Zelt längst ein subtropisches Klima herrschen. Daher habe ich vor Weihnachten zwei Ventilatoren auf dem Boden aufgestellt, die dauernd für frische Luft von unten sorgen. Gemeinsam mit dem Diagonalventilator ganz oben im Zelt und genügendem Lüften des Zimmers sorgen die Massnahmen hoffentlich dafür, Schimmel und andere fiese Dinge davon abzuhalten, Fuss zu fassen.
Zeitaufwand und Spass beim Gärtnern sind übrigens, wenn ich ein Zwischenfazit ziehe, unausgeglichen. Der Spass überwiegt eindeutig und das Ziehen von Gras gehört dank der Schönheit des Cannabis sowie des guten Blüten-Duftes eindeutig zum Besten, was ich in meiner Freizeit bisher getan habe. Ausserdem lerne ich immer wieder Neues über meine grünen Freunde. Beispielsweise, dass sie wie Brennnesseln stechen und brennen.
Ob ich nebst roten Stellen bald auch fette Buds ernte, zeigen die kommenden Wochen. Ich melde mich wieder.
Irgendwann um 16:20 Uhr.
Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.