Hintergrund

Damit du im Wald nicht auf dem Holzweg bist

Martin Rupf
12.5.2022

Darf ich eigentlich Holz aus dem Wald mit nach Hause nehmen? Und wenn wir grad dabei sind: Darf ich mit meinen Kindern im Wald eine Baumhütte bauen? Ich verrate dir, wie du dich im Wald nicht zum Affen machst.

«Du Schatz, könntest du wohl verdankenswerterweise noch diesen Ast dort mitnehmen?», sagte ich neulich zu meiner Frau kurz vor Ende eines kurzen Vormittags-Waldspaziergangs. Homeoffice macht's möglich – nur für meinen Chef: Selbstverständlich war ich ausgeloggt. Grund meiner Bitte war, dass ich noch «ein bisschen» Brennholz für unseren Grill nach Hause transportieren wollte. Denn als Alt-Pfadfinder konnte ich mich bis jetzt nicht für einen Gas-, geschweige denn Elektrogrill erwärmen und bevorzuge immer noch das gute alte Holz. Beim dritten Ast, den meine Frau noch hätte aufheben sollen – ich war bereits vollbepackt – verweigerte sie aber ihre weitere Zusammenarbeit. Dies nicht in erster Linie, weil sie den einen Ast nicht auch noch hätte tragen können. Nein, sie war vielmehr der Meinung, es reiche jetzt und überhaupt: «Darf man Holz zum Verbrennen aus dem Wald schleppen?»

Natürlich, gab ich grossspurig an und tat so, als wüsste ich ganz genau Bescheid. Ich meine auch wirklich mal gehört zu haben, dass man eine gewisse Menge Holz aus dem Wald mitnehmen darf. Bevor wir diese Frage klären, hier noch zehn Fakten zum Wald, die dir zwar überhaupt nichts bringen, dir aber je nach Situation erlauben, mit Wald-Wissen aufzutrumpfen.

10 Dinge, die du über den Wald wissen musst (oder auch nicht)

  1. Ein Drittel der Schweizer Landesfläche ist mit Wald bedeckt. Insgesamt beträgt die Länge aller Waldränder knapp 120’000 Kilometer. Die Fläche entspricht rund 1,28 Mio. Hektaren, was rund 0,15 Hektaren Wald pro Einwohner:in ergibt. Die Waldfläche nimmt jährlich um zirka die Fläche des Thunersees zu. Grund: Viele Wälder werden nicht mehr bewirtschaftet.
  2. Der Gesamtvorrat (alles Holz, das im Wald steht) an nutzbarem Holz, der im Schweizer Wald steht, beträgt knapp eine halbe Milliarde Kubikmeter. Und jedes Jahr wachsen in der Schweiz 10 Mio. Kubikmeter Holz nach.
  3. Der jährliche Holzverbrauch der Schweiz liegt mitsamt Importholz bei fast 11 Mio. Kubikmeter.
  4. In Schweizer Wäldern stehen über eine halbe Milliarde Bäume. Pro Einwohner:in ergibt das stolze 66 Waldbäume. Die drei häufigsten Bäume sind Fichte (Rottanne), Tanne und Buche.
  5. Schweizer Bäume sind durchschnittlich 100 Jahre alt. Die ältesten Bäume sind Eiben, deren Alter auf etwa 1500 Jahre geschätzt werden.
Diese mehrere 100 Jahre alte Eibe habe ich in England vor die Linse bekommen.
Diese mehrere 100 Jahre alte Eibe habe ich in England vor die Linse bekommen.
  1. Die gesamte Schweizer Wald- und Holzwirtschaft bietet mehr als 100 000 Arbeitsstellen. Die Arbeiten sind aber risikobehaftet. Jährlich ereignen sich an die 1500 Arbeitsunfälle.
  2. Total 30 500 Kilometer Waldstrassen ermöglichen die Waldpflege und die Bewirtschaftung – und laden natürlich auch zum Spazieren ein.
  3. Gut 40 Prozent des Waldes haben eine Schutzwirkung, wie etwa vor Steinschlag oder Lawinen. Der Schweizer Wald schützt etwa 130 000 Gebäude und mehrere Tausend Kilometer Verkehrswege.
  4. Rund 250 Tonnen Pilze im Wert von ca. 11,5 Mio. Franken werden jährlich in Schweizer Wäldern gesammelt. Dazu kommen 2000 Tonnen Honig (Wert 52 Mio. Franken) und 2000 Tonnen Wildfleisch (Wert 20 Mio. Franken).
  5. In unserem Wald sind fast 550 Mio. Tonnen CO2 gespeichert, was mehr als dem zehnfachen entspricht, was in der Schweiz jährlich ausgestossen wird.

Grundsätzlich darf jeder Wald von jedem betreten werden

Zurück zur Ausgangsfrage, was für Holz in welcher Menge man aus dem Wald mitnehmen darf. Ich frage einen, der es wissen muss. Florian Landolt ist Leiter Kommunikation und Politik bei «WaldSchweiz», dem Verband der Waldeigentümer. «Im Schweizer Wald gilt grundsätzlich ein freies Betretungsrecht.» Dabei spiele es keine Rolle, ob das betreffende Waldstück in privatem oder öffentlichem Besitz ist. Natürlich gibt es Einschränkungen, wie etwa in Naturreservaten oder besonderen Schutzzonen. Und: Dieses Recht erlaubt es nicht, den Wald zu befahren oder zu bereiten. Für den motorisierten Verkehr gilt im Wald sogar ein allgemeines Fahrverbot. Fahrradfahrerinnen und Reiter dürfen grundsätzlich nur befestigte Waldwege benutzen.

Ok, ich darf Wälder also betreten. Wie ist es nun mit dem Holzsammeln? «Es gilt die Faustregel, dass man so viel Holz nach Hause mitnehmen darf, wie man tragen kann», führt Landolt aus. Dabei muss es sich um Totholz handeln. «Es darf also nicht abgesägt werden, sondern muss sich um Holz handeln, das entweder rumliegt oder leicht abgebrochen werden kann.» Wichtig: Auch einzelne, vom Förster abgesägte Hölzer, die nicht mehr für Brennholz dienen, müssen liegen gelassen werden. "In der Regel werden solche Hölzer absichtlich liegen gelassen zum Beispiel als Lebensraum für Kleintiere", so Landolt.

Totes Holz, das wie hier rumliegt, darf mit nach Hause genommen werden.
Totes Holz, das wie hier rumliegt, darf mit nach Hause genommen werden.

Apropos rumliegen: Ist ein Asthaufen für Kleintiere angehäuft oder ist gespaltenes Brennholz zu einer Beige aufgestapelt, dann darf das nicht angerührt werden.

Ob noch lose rumliegend oder...
Ob noch lose rumliegend oder...
...schön gestapelt: Zugeschnittenes Brennholz darf nicht mitgenommen werden.
...schön gestapelt: Zugeschnittenes Brennholz darf nicht mitgenommen werden.

Baumhütten sind nicht erlaubt

So weit zum Thema «was darf ich in welcher Menge aus dem Wald mitnehmen». Doch wie verhält es sich umgekehrt? Sprich: Was darf in den Wald hinein und vor allem, was ist im Wald drin eigentlich erlaubt? Das habe ich mich kürzlich gefragt, weil ich mir überlegt habe, mit meinen Kindern eine Baumhütte im Wald zu bauen. Bisher steht bei uns zu Hause nur eine aus 4000 Plastikteilen.

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    von Martin Rupf

«Der Wald ist ein Rückzugsgebiet für Tiere und Pflanzen und soll deshalb möglichst frei von Bauten und Anlagen gehalten werden», sagt Landolt. Darum braucht es für jede Baute oder Anlage eine Baubewilligung. Diese wird in der Regel nur erteilt, wenn die Bauten der Waldbewirtschaftung dienen, so etwa bei einem Werkhof des Forstbetriebs. «Eine Hütte aus abgestorbenen Ästen und Zweigen zu bauen, ist hingegen erlaubt, solange sie sich problemlos wieder abbauen lässt.»

Diese Hütte habe ich mit meinen Kinder vor rund fünf Jahren gebaut.
Diese Hütte habe ich mit meinen Kinder vor rund fünf Jahren gebaut.
Dank regelmässigen Restaurationsarbeiten hat sie den Naturgewalten bis heute Stand gehalten.
Dank regelmässigen Restaurationsarbeiten hat sie den Naturgewalten bis heute Stand gehalten.

Und wie schaut es aus mit Zelten? Vorausgesetzt die Eigentümerin – also in den häufigsten Fälle eine Gemeinde – gibt das Ok, darf campiert werden. «Man muss sich aber vorab sehr gut informieren, da die Rechtslage von Kanton zu Kanton unterschiedlich sein kann», mahnt Landolt.

Wald-Knigge mit 10 Tipps zum respektvollen Aufenthalt im Wald

Grundsätzlich müsse man sich immer bewusst sein, dass jedes Waldstück in der Schweiz einen Besitzer habe und entsprechend auch kein rechtsfreier Raum sei, so Landolt. «Wir von «WaldSchweiz» appellieren jeweils an die Vernunft der Waldbesucher:innen und -nutzer:innen», und verweist dabei auf den Wald-Knigge mit 10 Tipps für den respektvollen Waldspaziergang.

Die Bedeutung und Attraktivität habe in den letzten Jahren – vor allem auch während der Pandemie – zugenommen, so Landolt. «Das freut uns natürlich auf der einen Seite und es ist schön, dass immer mehr Nutzungsformen Anspruch auf die Wälder erheben.» Auf der anderen Seite steige dadurch die Herausforderung, den Wald als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu schützen.

Klimawandel setzt dem Wald zu

«Was uns am meisten auf dem Magen liegt, ist das leider immer noch weit herum fehlende Verständnis für die Holzwirtschaft», betont Landolt. Dabei nehme die Schweizer Holzwirtschaft weltweit eine Pionierrolle ein. «Seit Einführung des Waldgesetzes 1876 gibt es keine grossflächigen Rodungen mehr.» Zudem werden immer nur so viele Bäume gefällt, wie wieder aufgeforstet werden und nachwachsen können. «Man kann deshalb sagen, dass im Schweizer Waldgesetz das Prinzip der Nachhaltigkeit erstmals in einem Gesetzestext erwähnt wurde», so Landolt stolz. Umso bedauerlicher sei es, dass die Holzernte seit Ende der 1980er-Jahre für die Mehrheit der Schweizer Forstbetriebe nicht mehr rentabel ist. Gründe dafür sind vor allem Naturphänomene wie Stürme, Trockenheit, Hitze oder Borkenkäferbefall. «Der Klimawandel ist im Schweizer Wald angekommen und zu einem echten Problem geworden.»

Natürlich liess ich es mir nicht nehmen, beim Fotografieren für diesen Artikel, gleich noch einen ordentlichen Prügel Brennholz mitgehen zu lassen. Zwar totes Holz, das offensichtlich keiner Verwendung mehr angedacht ist. Weil aber abgesägt, hätte ich das Stück Holz im Wald liegen lassen müssen, was ich aber erst nach der Recherche dieses Artikels erfahren habe.
Natürlich liess ich es mir nicht nehmen, beim Fotografieren für diesen Artikel, gleich noch einen ordentlichen Prügel Brennholz mitgehen zu lassen. Zwar totes Holz, das offensichtlich keiner Verwendung mehr angedacht ist. Weil aber abgesägt, hätte ich das Stück Holz im Wald liegen lassen müssen, was ich aber erst nach der Recherche dieses Artikels erfahren habe.

Wenn der Klimawandel zum Problem für die Wälder wird, dann wird das – neben vielen anderen Auswirkungen – definitiv auch ein Problem für mich. Denn ich liebe den Wald als Erholungsraum. Und ja, hin und wieder findet sich ein schöner Ast für meinen Grill Denn eines ist klar: Grilliert wird bei uns auch künftig mit Holzkohle!

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Zweifachpapi, nein drittes Kind in der Familie, Pilzsammler und Fischer, Hardcore-Public-Viewer und Halb-Däne. Was mich interessiert: Das Leben - und zwar das reale, nicht das "Heile-Welt"-Hochglanz-Leben.


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