Produkttest

Baumhaus bauen für Stubenhocker

Martin Rupf
8.4.2022

Ich baue mit meinen Kindern fürs Leben gerne Hütten und kleinere Baumhäuser im Wald. Doch was taugt die Schlechtwetter-Plastikvariante aus 4000 Teilen?

Langsam aber sicher kommen meine Kinder mit sieben und neun Jahren in ein Alter, in dem die Ankündigung eines Ausflugs in den Wald zum Hütten bauen und bräteln nicht mehr automatisch für Begeisterungsstürme sorgt. Da nützt es auch nichts, darauf hinzuweisen, dass wir keine neue Hütte bauen, sondern lediglich unsere – seit über fünf Jahren existierende Hütte – in Schuss halten müssen. Nun, es ist nicht so, dass meine Kinder Hütten und Baumhäusern nichts mehr abgewinnen könnten. Doch genauso gerne wie im Wald spielen sie mit Playmobil- oder Schleich-Baumhütten.

Kürzlich bin ich eher zufällig in unserem Shop auf das Baumhaus von Mould King gestossen.

Mould King, das sind Bausteine aus Plastik designt und hergestellt in China, die mit denjenigen des Marktführers Lego aus Dänemark kompatibel sind. Da das Patent von Lego auf die Steine abgelaufen ist, dürfen auch andere solche Klemmbausteine herstellen und verkaufen. Auch Galaxus verkauft Sets von Mould King. So hat mein Kollege Martin Jungfer Anfang Jahr das «Japanese Castle» zusammengebaut und über seine Erfahrungen mit dem Lego-Imitat geschrieben.

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Was der eine Martin kann, sollte doch dem anderen Martin auch gelingen. Gesagt, getan: Ich mache mich an das «Treehouse» mit knapp 4000 Teilen – immerhin fast 1000 Teile mehr als das «Japanese Castle». Mir geht es dabei weniger um den Vergleich mit Lego. Hierzu geht mir schlicht die Erfahrung ab, wie sie etwa unseren Lego-Experten Ramon Schneider auszeichnet. Nein, mir stellt sich vielmehr die Frage, ob das Bauen einer Baumhütte in der warmen Stube an das Erlebnis im Wald draussen herankommt. Und was mich auch wunder nimmt: Würde ich das Teil einem 14-jährigen Kind, so wie auf der Packung angegeben, zutrauen?

Das Verpackungsmaterial füllt (fast) einen ganzen Abfallsack

Die knapp 4000 Teile sind in rund 70 Plastiksäckchen verpackt.
Die knapp 4000 Teile sind in rund 70 Plastiksäckchen verpackt.

Die 4000 Teile sind in zehn grösseren Plastiktüten verpackt, in denen sich jeweils rund fünf bis sieben kleinere Plastiksäckchen befinden. Mit anderen Worten, das Verpackungsmaterial füllt schon fast einen 17-Liter-Abfallsack. Gut, was habe ich bei einem chinesischen «Lego»-Hersteller denn anderes erwartet? Zuerst denke ich mir, dass diese vielen Packungen wohl Sinn ergeben. Doch weit gefehlt, und zwar doppelt. Nicht nur sind die Teile der einzelnen Säckchen nicht in chronologischer Reihenfolge aufzubauen. Nein, noch viel eigenartiger: Dort, wo in der 240 (!) Seiten langen Bauanleitung das Öffnen einer neuen grossen Tüte angeordnet wird, sind noch gar nicht alle Teile der letzten grossen Tüte verbaut. Das hat mich anfangs ziemlich verwirrt. Ich dachte, ich hätte vergessen, einige Teile zu verbauen.

Die Bauanleitung kommt ansonsten ziemlich ähnlich daher wie bei Lego und ist alles in allem ziemlich verständlich. Und: Sofern ich nichts übersehen habe, hat sich auf den 240 Seiten nur genau ein Fehler eingeschlichen, was mich sehr beeindruckt hat. Ebenso eindrücklich fand ich die Tatsache, dass kein einziges der knapp 4000 Teile gefehlt hat. Vielleicht sollte man das für eine Selbstverständlichkeit halten, doch mir hat das imponiert.

Die Bauanleitung ist ziemlich einfach und ähnlich wie Lego zu lesen.
Die Bauanleitung ist ziemlich einfach und ähnlich wie Lego zu lesen.

Schnelligkeit vor Genauigkeit – ein kapitaler Fehler

Nach rund drei Stunden habe ich die erste grosse Packung geschafft. Ich rechne hoch: In zirka 27 Stunden werde ich das Werk also beendet haben. Wobei es wahrscheinlich eher weniger sein sollten, da ich davon ausgehe, mich in Sachen Effizienz zu steigern. Denn als Anfänger unterlaufen mir zu Beginn klassische Fehler. So gewichte ich Schnelligkeit höher als Genauigkeit, und es dauert nicht lange, bis diese kurzsichtige Arbeitshaltung bestraft wird. Dann nämlich, als ich versuche, ein zusammengebautes Teil auf eine Plattform zu setzen. Nur weil ich bei der Plattform ein Klötzchen nicht an genau der richtigen Stelle platziert habe, passt nun gar nichts mehr aufeinander.

Zum Glück ist der Lapsus schnell behoben. Doch diese Zusatzschlaufe hat mich gelehrt, genauer zu arbeiten. Kommt hinzu, dass es – und hier kann ich den Vergleich zu Lego machen – relativ mühsam ist, zwei einmal zusammengesetzte Teile wieder voneinander zu lösen. Also mühsam ist eigentlich untertrieben, mit blossen Hände ist es viel eher ein Ding der Unmöglichkeit (was vielleicht auch an meinen äusserst gepflegten, sprich geschnittenen Fingernägeln liegt). Zum Glück lag die Nagelfeile meiner Frau in der Nähe, die mir fortan als wichtiges Werkzeug diente.

Dank der Nagelfeile konnte ich falsch zusammengesetzte Teile wieder voneinander trennen.
Dank der Nagelfeile konnte ich falsch zusammengesetzte Teile wieder voneinander trennen.

Da könnte Mould King noch etwas von Lege lernen. Denn Lego liefert bei einigen Sets einen Teilchentrenner mit.

Kinderarbeit bei Galaxus? Natürlich nicht!

Mit Fortdauer des Bauens komme ich immer mehr ins Meditieren. Das Fokussieren nur auf eine Sache hat auf mich eine beruhigende Wirkung. Wehe, meiner Frau kommt es in den Sinn, mich während meiner höchst anspruchsvollen Tätigkeit zu stören, indem sie etwa fragt, was man noch einkaufen müsse. Da gerate ich regelrecht in Rage (ok, hierzu braucht es grundsätzlich nicht so viel). Gerne hätte ich auch meinen neunjährigen Sohn mitbauen lassen. Doch erstens ist Kinderarbeit bei Galaxus verpönt und zweitens war ihm das Level ganz offensichtlich doch zu hoch. Und da meine Frau keine Zeit hat – sie muss ja einkaufen gehen –, bleibt die ganze Plackerei an mir hängen.

Doch wie gesagt. Je länger ich am Baumhaus baue, desto mehr wird aus Arbeit Freizeit. Wobei mir passiert, was wohl alle Lego- und andere Klemmstein-Aficionados kennen. Gewisse Bauetappen bereiten mehr Spass und Freude als andere. Und gewisse Bauteile mag man mit der Zeit besonders gerne, während man andere am liebsten aus dem Sortiment kippen würde. In der Regel diejenigen, die man immer erst nach langer Suche ausfindig macht. Mit Abstand am wenigsten Spass bereitet mir beim Bau der Baumhütte das Anbringen der Holzfassade. Monoton und eintönig. Auch durchschaue ich gewisse Bauetappen als reine Beschäftigungstherapie. Dann nämlich, wenn das Zusammensetzen einzelner Teile weder einen praktischen noch wenigstens einen optischen Nutzen erfüllt.

Hat mich am Anfang irritiert: Obwohl laut Anleitung eine Bauetappe abgeschlossen war, blieben noch Teile übrig, die teils erst später verbaut werden mussten.
Hat mich am Anfang irritiert: Obwohl laut Anleitung eine Bauetappe abgeschlossen war, blieben noch Teile übrig, die teils erst später verbaut werden mussten.

Warnung vor zu viel Krafteinsatz

Der Bau der Baumhütte stellt sich insofern als Herausforderung dar, als ein Grossteil der Arbeiten auf der Plattform, die auf den Baumstamm aufgesetzt wird, erfolgt. Weil ich am Anfang mit etwas zu viel Kraft ans Werk gehe, kracht mir gleich ein Grossteil der Konstruktion zusammen. In der Folge fasse ich mein Bauwerk sprichwörtlich mit Samthandschuhen an. Und auch das mit der Effizienz bewahrheitet sich tatsächlich. Etwa beim Ausleeren der Säckchen, indem ich sofort identische und ähnliche Teile sortierte. Und so biege ich nach etwas mehr als 24 Stunden, natürlich verteilt auf mehrere Tage, auf die Zielgerade ein. Wobei sich der letzte Teil wieder eher als Arbeit denn Vergnügen anfühlt. Es gilt Dutzende von Plastikblättern anzubringen, damit das Ganze auch wirklich nach Baumhütte aussieht. Schnell noch die mitgelieferte Lichterkette installiert und fertig ist das Werk. Nicht nur ich bin mit Stolz und Zufriedenheit erfüllt, auch meinen Kindern gefällt das Resultat sehr gut. «Papi, in so einem Baumhaus möchte ich wohnen.»

Ups: Da ist mir bei der Pflanze ein Stück abgebrochen. Zum Glück hat es so viel Plastik-Grünzeug, dass dies nicht auffällt.
Ups: Da ist mir bei der Pflanze ein Stück abgebrochen. Zum Glück hat es so viel Plastik-Grünzeug, dass dies nicht auffällt.

Mein persönliches Fazit: Das Bauen hat wirklich grossen Spass gemacht und hatte auf mich fast schon eine meditative Wirkung. Und für knapp 200 Franken ist man auch gebührend lange beschäftigt. Und doch werde ich auch künftig das Bauen und Werkeln im Wald dem Bau einer Plastik-Baumhütte vorziehen. Aber ich muss mich wohl oder übel darauf einstellen, dass ich dies je länger je mehr allein machen muss. Immerhin ist unsere Hütte im Wald so stabil gebaut, dass ich sie wahrscheinlich dereinst meinen Grosskindern zeigen kann – wie auch das Treehouse von Mould King, das bei mir zuhause einen Ehrenplatz erhält.

Und fertig ist die Baumhütte: Nach rund 24 Stunden Arbeit bin ich doch ein bisschen stolz auf mein Werk.
Und fertig ist die Baumhütte: Nach rund 24 Stunden Arbeit bin ich doch ein bisschen stolz auf mein Werk.

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Zweifachpapi, nein drittes Kind in der Familie, Pilzsammler und Fischer, Hardcore-Public-Viewer und Halb-Däne. Was mich interessiert: Das Leben - und zwar das reale, nicht das "Heile-Welt"-Hochglanz-Leben.


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