
Hintergrund
Wein-Wissen: Appellationen als Qualitätsmerkmal
von Tanja Lehmann
Über die Feiertage lassen wir es knallen: sprudelnd, prickelnd und dekadent – mit Champagner. Doch warum ausgerechnet Champagner? Es gibt viele Schaumweine, so auch Prosecco, welche wie Champagner gerne genossen werden. Ich erkläre dir den Unterschied, damit auch du den Durchblick bekommst.
In der Vergangenheit habe ich zu Unrecht und aus Unwissen alle Schaumweine in einen Topf geschmissen. Jetzt habe ich gelernt, dass Schaumweine und andere Partyknaller zwar wohlklingend sind, sich hinter dem Etikett aber nicht immer edle Tropfen verbergen. Da kommt auch gleich die Preisfrage auf: Wieso sind Champagner teurer als unbekanntere oder in Massen angebotene Schaumweine? Und was genau unterscheidet den Prosecco vom Champagner? Das versuche ich nun zu klären. Wie so oft beim Wein, hängt vieles von der Produktion und Herkunft ab. Abschliessend teste ich zwei Champagner und Prosecco, um herauszufinden, ob man wirklich einen Unterschied merkt.
Bei der Gärung entstehen Kohlendioxid und Alkohol, deshalb schäumen zu einem bestimmten Zeitpunkt alle Weine. Meist lässt man das Kohlendioxid entweichen, doch manche Weine schmecken besser, wenn sie sprudeln. Um die Kohlensäure dafür einzufangen, wurden besondere Methoden entwickelt, wie beispielsweise den letzten Teil der Gärung in druckdichte Behälter zu verlegen.
Die in der Champagne entwickelte Methode «méthode traditionelle» wird immer noch weltweit für Schaumweine der Spitzenklasse angewendet, weil sie auf einzigartige Weise Frische mit Üppigkeit verbinden kann. Für einfache Weine gibt es weniger umständliche Verfahren und einfachere Varianten der Methode oder auch das Auslassen der Zweitgärung. Die Methode wird folgendermassen angewendet.
Schritt 1: Bereitung des Grundweins
Grundlage ist meistens ein trockener, alkoholarmer Weisswein aus oft kaum reifen roten und weissen Trauben. Jedoch gibt es auch Winzer, die Roséweine oder gar Rotweine dafür verwenden.
Schritt 2: Abfüllen und süssen
Der in die Flasche abgefüllte Grundwein für den Champagner wird mit einer Dosis Zucker und Hefe versehen und verschlossen. Gleiches passiert mit dem Prosecco in grossen Tanks.
Schritt 3: Zweitgärung
Die Hefe wandelt den Zucker in Alkohol und Kohlendioxid um. So entsteht die Kohlensäure im Schaumwein.
Schritt 4: Reifung auf dem Hefesatz
Nach der Gärung setzt sich die Hefe als Sediment ab. Dieser Hefesatz verleiht dem Schaumwein Brotnoten und eine vollere Textur. Beim Champagner passiert dies in der Flasche, wobei die Flasche nach dem Prinzip der «Remuage» gerüttelt wird. So kommt die gesamte Flüssigkeit mit der Hefe in Kontakt, wobei der Wein mehr Brotnoten erhält. Beim Prosecco passiert dies in einem grossen Tank, wobei sich die Hefe ebenfalls am Boden als Sediment ablagert. Hierbei wird nicht gedreht oder gerührt, wobei weniger Kontakt von der Hefe zur Flüssigkeit entsteht. Dadurch sind beim Prosecco die Hefenoten viel diskreter oder oft auch nicht wahrnehmbar.
Schritt 5: Klärung des Weins
Die Reifung dauert 6 Monate bis 10 Jahre. Danach erfolgt die Entfernung des Bodensatzes beim Champagner. Durch das Eintauchen der Flaschenhälse in ein Gefrierbad werden die Ablagerungen zu einem Eisblock gefroren, der dann entfernt werden kann. Beim Prosecco wird der Wein beim Umfüllen in druckdichte Behälter gefiltert. In diesen Behältern bekommt der Prosecco mit der zweiten Gärung die berühmten Perlen. Am Ende der Schaumweinbereitung, die mindestens 30 Tage dauert, wird durch das richtige Absenken der Temperatur die Gärung gestoppt und ein Restzucker gelassen, um die Ausgewogenheit und Harmonie zu garantieren.
Schritt 6: Auffüllen und süssen
Die Champagner-Flasche wird mit Wein aufgefüllt und etwas Rohrzucker zugegeben, welcher den extrem trockenen Geschmack mildert. Für Rosé-Stile wird Rotwein verwendet.
Der Prosecco wird in Flaschen abgefüllt und es wird zusätzliche Kohlensäure und Zucker hinzugegeben.
Grundsätzlich unterscheiden sich die Grundweine, wodurch sich andere Geschmacksnoten entfalten. Dadurch, dass der Champagner länger reift und einen intensiveren Kontakt mit der Hefe hat, entfalten sich mehr Brotnoten, welche die Kenner als Noten von Brioche beschreiben. Ausserdem kann der Champagner intensivere und komplexere Aromen entwickeln. Der Prosecco ist süsser als der Champagner, da die Reifung weniger lang andauert und sich der Zucker weniger zersetzt. Ein Prosecco ist weniger komplex. Die aufwendigere Produktionsmethode und die lange Lagerung des Champagners im Vergleich zum Prosecco ist der Hauptgrund des Preisunterschieds.
Ein wichtiger Punkt bei den beiden Schaumweinen ist, dass sie herkunftsgeschützt sind, und somit nur unter dem Namen verkauft werden dürfen, wenn sie aus den definierten Regionen stammen. Mehr dazu hier:
Du fragst dich vielleicht, ob man den Unterschied als Laie herausspürt. Genau so ging es mir, weshalb ich kurzerhand zwei Champagner und Proseccos verglich. Ich starte auf Anraten unseres internen Kenners beim Prosecco. Im Rennen sind folgende Tropfen:
Champagner
Prosecco
Villa Sandi Prosecco Valdobbiadene Superiore DOCG Extra Dry
1 x 75 cl
Prosecco im Direktvergleich
Der Prosecco von Villa Sandi hat für mein Gefühl mehr und grössere Sprudelblasen, ist süsser und hat fruchtige Noten, die an Birne und Pfirsich erinnern. Der zweite Prosecco von De Faveri, hat die feineren Blasen, erfrischt mit Noten von Zitrusfrüchten. Würde ich mir eine Flasche kaufen, würde ich doch eher zum zweiten greifen, da ich den Villa Sandi im direkten Vergleich zu süss fand.
Champagner im Direktvergleich
Nun greife ich zum Champagnerglas, zuerst ist der Tropfen von Jacquart dran. Zugegeben, ich durfte schon mal verschiedene Jacquart Champagner an einer Degustation probieren und bin gespannt, ob der ausgewählte Wein auch dieses Mal überzeugen wird. Mir schlagen feine Bläschen und Honig sowie schmackhafte, fruchtige, aber nicht zu süsse Aromen entgegen. Die Hefenoten, die bei den Proseccos gänzlich gefehlt haben, sind dezent. Die Säure ist angenehm und für mich als Verfechterin von Süssem wirklich angenehm.
Der Bollinger zeigt sich in der Nase kraftvoller. Beim Trinken erinnert mich die Säure ein wenig an Kinderfaust-grosse Äpfel im Nachbarsgarten. Die Vanillearomen der Eichenfasslagerung sind klar spürbar. Auch die Hefe ist intensiver als beim Jacquart Champagner. Man spürt dezente Früchte und auch die Birne ist wieder präsent, zusammen mit feinen floralen Noten.
Schon optisch unterscheiden sich die beiden Schaumweine. Die Champagner besitzen eine starke goldgelbe Farbe, wobei der Prosecco eher durch zurückhaltende Blässe glänzt. Um faire Konditionen zu schaffen, vergleiche ich den dezenteren Champagner auch mit dem dezenteren Prosecco. Dabei ist mir etwas Interessantes aufgefallen.
Jacquart vs. Villa Sandi: Im Direktvergleich rückt der zuvor eher präsente Prosecco vollkommen in den Hintergrund. Er verliert im Vergleich zum Champagner an Präsenz und wirkt schlicht und einfach sehr simpel.
Bollinger vs. De Faveri: Richtig spannend wird es in diesem Vergleich. Zum Prosecco kann ich in diesem Vergleich nichts mehr sagen. Er hat einfach nach Wasser geschmeckt.
Man spürt den Unterschied. Champagner sind tatsächlich komplexer, was man auch als Laie herausschmeckt. Unbestritten sind Proseccos was Gutes. Hier kommt es auf den eigenen Geschmack an. Ich würde nun nicht grundsätzlich sagen, dass Proseccos durch die Süsse für jedermann besser sind. Auch wenn Champagner in der Regel einen tieferen Zuckergehalt aufweisen, können sie durchaus kräftiger nach Frucht schmecken. Meine Empfehlung ist ganz klar der Jacquart Brut.
Freunde, Familie, Katzen und guter Wein sind mein Lebenselixier.