

Alarm-Schloss von Abus: Schlägt die Nervensäge den Bolzenschneider in die Flucht?

Ein Veloschloss hat bei mir bislang nie für erhöhten Pulsschlag gesorgt. Beim Abus Bordo Alarm 6000A ist das anders, denn mit ihm fühle ich mich auch als Besitzer ein bisschen wie ein Dieb.
Da stehe ich im Grossraumbüro, in der Hand eine jaulende Klapperschlange. Ich habe etwas ausgepackt und angefasst, ohne die Bedienungsanleitung zu lesen. Fehler! Dabei war es doch nur ein Veloschloss. Und jetzt spendiere ich eine Runde Tinnitus für alle. Die Kollegen lachen noch, doch ich spüre auch: 100 Dezibel machen sich hier auf Dauer nicht gut. Hilflos schüttle ich das Abus Bordo Alarm und verschwinde schliesslich im Nebenraum, um es zum Schweigen zu bringen. Als wieder Ruhe herrscht, beschliesse ich: mit dir bin ich noch nicht fertig. Sicher gibt es Gründe dafür, dass du bist, wie du bist.
Weg ist weg
Die finden sich in der Polizeilichen Kriminalstatistik 35 025-fach. So viele Velodiebstähle wurden 2017 registriert. Bei einer Aufklärungsquote von überschaubaren 2,2% bedeutet das: weg ist weg. Weg ist gar nicht so unwahrscheinlich. Und weg kann ganz schön weh tun. Drum ist die Investition in ein ordentliches Schloss keinesfalls dumm. Doch dann gilt es noch eine befriedigende Antwort auf das Velo-Schloss-Paradoxon zu finden: einerseits zahlst du gutes Geld dafür, dass dein Velo möglichst leicht ist – nur um es dann mit einem Stahlträger von Schloss zu sichern. Liegt vor mir vielleicht die Lösung?

Gummiert und mit Technik im Kopf
Ein echtes Leichtgewicht ist das Abus Bordo Alarm allerdings nicht. Es hat 5 mm starke Stäbe und bringt bei 90 cm Länge 1450 g auf die Waage. Im Vergleich mit meinem normalen Faltschloss ist es kopflastig – und es hat ja auch etwas im Kopf! Hier stecken die Alarmtechnik und eine CR2-Batterie, an die du natürlich nur in geöffnetem Zustand rankommst. Wenn die Batterie ausgetauscht werden sollte, wirst du durch ein verändertes akustisches Signal darauf aufmerksam gemacht. Der Hersteller empfiehlt den Wechsel nach spätestens einem Jahr. Die Gummierung der Stäbe ist praktisch, sie schützt den Lack und reduziert das Klappern während der Fahrt. Faltest du das Schloss zusammen, rastet es auf einer ersten Stufe ein und ist in dieser Transportstellung abschliessbar, ohne dass der Alarm aktiviert wird. Laut wird das Abus bei anderen Gelegenheiten.

Der Kettenhund ist scharf
Sobald du das Schloss vollständig einrasten lässt und den Schlüssel drehst, ist der Alarm aktiviert, was das Abus Bordo Alarm mit einem lauten Piepton signalisiert. So weit, so gut. Der Kettenhund ist scharf. Am besten nimmst du jetzt die Finger weg. Denn wenn du das Schloss weiterhin bewegst, folgen noch fünf Warntöne. Danach löst der Alarm endgültig aus und macht 20 Sekunden lang Lärm. Registriert es dann keine Bewegung mehr, gibt es Ruhe und stellt sich erneut scharf.
Ich spiele Sprengstoffräumungskommando
Ein Verhalten, das mich im Alltag vor Probleme stellt, denn Stellplätze vor dem Büro sind begehrt und mein Velo ist häufig zwischen anderen eingekeilt. Wenn das Schloss nicht leicht zugänglich ist, muss ich gefühlt Sprengstoffräumungskommando spielen. Jede Erschütterung provoziert den Warnton, jede weitere könnte den Countdown auslösen. Also bringe ich mich in Zeitlupe in Position, bevor ich zugreife. Das Schloss piepst, der Schlüssel steckt, die Leute gucken schon. Ich fühle mich ertappt, weshalb das mit dem Aufschliessen auch nicht gleich klappt, und erleichtert, als ich das Abus schliesslich öffnen kann, bevor der Hauptalarm losgeht. Wie die Alarmfunktion reagiert, kannst du im Video sehen und hören. Ich habe es an einem ruhigeren Ort ausprobiert.
Ruhe bitte!
Ganz leise geht das Öffnen und Schliessen nie vonstatten, was je nach Umgebung mehr oder weniger störend ist. Eine Abschaltautomatik wäre toll. Sobald ich mit dem Schlüssel in die Nähe komme, möchte ich keine Warntöne ertragen müssen. Zwar werde ich routinierter im Umgang mit dem Schloss und löse nicht mehr versehentlich den Hauptalarm aus, bin aber trotzdem froh, als ich wieder auf mein gewöhnliches Modell umsteige. Es klappert, aber es piepst und jault nicht. Und darauf verzichte ich sehr gerne. Wer mein Velo klauen will, muss schon mit gröberem Werkzeug anrücken. Diese Gewissheit reicht mir. Die Antwort auf die Titelfrage lautet: Ja, die Nervensäge schlägt zwar den Bolzenschneider in die Flucht – aber wenn der Besitzer regelmässig flucht, ist auch nichts gewonnen.
Fazit
In meinem Alltagstest ist das Abus Bordo Alarm durchgefallen. Ein Alarmschloss bietet vielleicht dann einen grossen Mehrwert, wenn du dein Velo häufiger mal in gut zugänglichen schummrigen Ecken abstellen musst und trotzdem jemand in Hörweite ist. Gibt’s nicht allzu oft. Ein Durchschnittsdieb ohne Lust auf unnötigen Nervenkitzel würde wohl weiterziehen, die Statistik (siehe oben) spricht dafür, dass er an der nächsten Ecke problemloser zugreifen kann. Falls das Schloss den Massenmarkt erobern sollte, würde ich Velo-Hotspots wie rund um den Zürcher HB nicht mehr ohne Gehörschutz betreten – und die Tinnitus-Statistik im Auge behalten.



Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.