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Wohin mit all den Büchern? Neues Zuhause für bereits Gelesenes

Tabea Graf
8.8.2017

Es kommt der Moment, an dem wir ganz stark sein müssen. Denn in seltenen Extremfällen müssen wir uns von heissgeliebten Büchern trennen. Hier ein Guide, wie deine Bücher auch nach ihrem Leben in deinem Bücherregal jemandem Freude bereiten.

Bald steht mir wieder einmal ein Umzug bevor. Vor einem graut mir schon jetzt: der Bücherfrage. Wohin mit all den Taschenbüchern aus der Schulzeit? Was machen mit den Gesammelten Werken von XY, die man auf einem Flohmarkt erstanden hat? Was wird aus den Bestsellern vom vergangenen Sommer? Ich bin eine notorische Bücherbehalterin. Umzüge enden meist damit, dass ich mich schweren Herzens von einem mageren Reclambändchen trenne. Wenn es hochkommt, gebe ich vielleicht noch ein Taschenbuch weg, das mir in die Badewanne gefallen ist. Doch dieses Mal soll sich das ändern. Ich habe jetzt schliesslich einen E-Reader.

Qual der Wahl im Bücherregal – Welche Bücher müssen weg?

Mir fällt es schwer, mich von Büchern zu trennen. So viele Titel stehen in meinem Bücherregal, die ich unbedingt noch lesen will. Klassiker, die ich aufgegabelt habe. Empfehlungen, in die immer schon einmal reinlesen wollte. Was ihnen allen gemeinsam ist, ist der Staub, den sie angesetzt haben. Wie haben schon die Bandmitglieder von Modest Mouse so weise gesagt: «All them books I didn’t read. They just sat there on my shelf looking much smarter than me.»

Gleichzeitig platzt mein Büchergestell aus allen Nähten. Büchertürme wachsen neben ihm aus dem Boden, einzelne Ausreisser bilden einen Pfad durch das ganze Zimmer. Auch das Bett ist bereits umzingelt. Ich muss der Wahrheit ins Gesicht sehen. Ich habe zu viele Bücher und zu wenig Platz. Diese Einsicht fällt mir nicht leicht. Ich bin eine begeisterte Bücherretterin und kann kaum an einem Altpapier-Stapel vorbeigehen, ohne nach einem verlorenen Buch Ausschau zu halten. Bücher im Altpapier, das ist kein schöner Anblick. Sie haben es nicht verdient, neben alten Zeitungen zu landen. Wobei, ein Paar wenige Ausnahmen gibt es da schon, aber dazu später mehr.

Ich beschliesse also, mich von den Büchern zu trennen, die ich ja doch nicht so bald lesen werde. Prousts gesammelte Werke? Kommen weg. Sie haben schon drei Umzüge mitgemacht und ich bin noch immer nicht auf der Suche nach der verlorenen Zeit. James Joyces Ulysses in Originalsprache? Vielleicht in zehn Jahren. Ich bin eine Meisterin darin, Bücher für später zu erwerben. Nach lange Ringen habe ich dann doch einen Papiersack voller Bücher, von denen ich mich trenne.

Brings ins Brocky – Eine zweite Chance für Ausrangiertes

Wenn die Bücher aussortiert sind, folgt bereits die nächste Frage: Wohin damit? Entsorgen will ich sie nicht, also ab damit ins Brocky. Bücherbrockenhäuser sind meine erste Anlaufstelle für literarische Altlasten. Es gibt sie in der ganzen Schweiz verteilt und sie sind alle einen Besuch wert. Mein Favorit ist das Bücher-Brocky in Zürich an der Bederstrasse 4.

Nicht nur, weil ich meine schweren Büchersäcke nur schwer über die Kantonsgrenze hinaus mitschleppen kann. Es verfügt auch über eine wunderbare Auswahl. Von Belletristik über Sachbücher bis hin zu antiquarischen Sammlerstücken findet man alles. Darin liegt allerdings auch die Gefahr der Brockys. Es ist mir schon mehr als einmal passiert, dass ich fünf Titel hinbringe und anschliessend drei neue wieder mit nach Hause nehme. Ein weiterer Pluspunkt am Zürcher Bücher-Brocky: Falls man es übertrieben hat und eine Tasche voller Neuerwerbungen mitschleppt, der Bahnhof Enge ist zum Glück nicht weit.

Die Zürcher Bücher-Brocky. Bild: Anna Chernova

Ein Schrank voller Bücher

Wer seine Bücher gratis weitergeben will, ist bei den Bücherschränken richtig. Man kann ausgemustertes Lesefutter ganz einfach vorbeibringen. Die Titel werden allerdings nicht verkauft, sondern können kostenlos aus den Schränken mitgenommen werden. Nebst dem Gedanken des Weitergebens ist das Tolle an den Bücherschränken, dass man ihnen ganz oft unerwartet begegnet. Mal sind es ausgediente Telefonkabinen, die umfunktioniert werden, mal sind es Metallkästen, die Bücher vor Wind und Wetter schützen.

Mein Liebling ist die «Stadtbibliothek 9¾» am Bahnhof Rheinfelden. In einer alten Telefonzelle neben dem Wartehäuschen auf Gleis 3 und 4 hat die Stadtbibliothek Rheinfelden einen Bücherschrank aufgestellt. Nebst ausgemusterten Bibliothekstiteln finden sich auch literarische Spenden von Privatpersonen. Eine weitere Auswahl zum Entdecken findet ihr auf Wikipedia.

Eine öffentliche Bibliothek in New York City. Quelle: nypl.tumblr.com

Es gibt eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten, bereits Gelesenes weiterzugeben. Altersheime freuen sich oft darüber und auch Hilfsorganisationen nehmen teilweise gerne Bücherspenden entgegen.

Book Art – Neue Kunst aus alten Büchern

Sieben Enzyklopädien zu einem Kunstwerk verarbeitet von Kenji Nakama

Eine ganz andere Art, mit ausrangierten Titeln umzugehen, ist Book Art. Der Begriff umfasst alles von kunstvollen Faltwerke bis hin zu Skulpturen aus Altpapier. Antiquarische 1000-Seiter werden zu filigranen Scherenschnitten. Aus einem Stapel alter Taschenbücher wird eine witzige Büste. Mein handwerkliches Geschick ist leider eher bescheiden. Aber für Hobbybastler und Freizeitkünstler ist Book Art genau das Richtige. Nicht nur Pinterest quillt über davon, auch Galerien und Museen entdecken die neue Kunstform für sich.

Allenfalls doch Altpapier

Es gibt sie doch. Die wenigen Bücher, die jedes Brockenhaus dankend ablehnt. Die im Bücherschrank auch nach einem halben Jahr unberührt auf dem untersten Regal liegen. Die Exemplare, mit denen auch die begeisterte Scherenschnittmeisterin nicht anfangen kann. Bücher, die ins Altpapier können. Sie liegen schon seit Jahren in einer Bananenschachtel auf dem Estrich. Man nimmt sich immer mal wieder vor, sich aufzuschlagen. Oft sind sie mit Erinnerungen verbunden und verteidigen so ihren Platz im Regal. Aber irgendwann kommt der Moment, wo klar wird: dieses Buch kann weg.

Microsoft Windows 8 Pro - Das Handbuch (Deutsch, Martina Grom)
Fachbücher

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Marilyn Manson (Deutsch, Christoph Gurk, Marilyn Manson, 2012)
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Sudoku meisterhaft (Deutsch, Stefan Heine, 2006)
Sachbücher
CHF8.90

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Deutsch, Stefan Heine, 2006

Meine Anwärter für den Titel des Allenfalls doch Altpapier-Awards: Römertopf-Rezepte aus den 1970er Jahren. Selbstverständlich inklusive Fettflecken. Ein Buch, das du von den Grosseltern geschenkt bekommst. Auch wenn du gar keinen Römertopf hast. Weiter geht’s mit Windows 98 für Dummies. Anno 1998 war ich zehn Jahre alt und meilenweit weg von einem eigenen Computer. Dann kommen die peinlichen Musiker-Biografien. In meinem Fall wäre das die musikalische Familiengeschichte der Kelly Family. Den Abschluss macht schliesslich der Baedecker-Reiseführer Italien aus dem Jahr 1989. Voller gelbvergilbter Seiten und Restaurants, die es schon lange nicht mehr gibt.

Aber wer weiss, vielleicht findet sich auch für diese Bücher jemand, der nicht mit leeren Händen an einem Altpapier-Stapel vorbeigehen kann.

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Als Autorin und leidenschaftliche Leserin gehört ein Grossteil meiner Zeit der Welt der Wörter. Ich bin gerne auf Reisen und entdecke die Welt, immer mit einem Buch im Gepäck. Sprachen aller Art begeistern mich, fast so sehr wie die Aussicht auf den nächsten Kaffee. 

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