
Hintergrund
«Nicht immer gewinnt der Beste» Der Weltmeister im Monopoly über Glück im Spiel, Lehren fürs Leben und Tricks zum Nachmachen
von Daniel Ramm
Dass ich den Jackpot im Schweizer Lotto wieder einmal nicht geknackt habe, regt mich nicht (mehr) auf. In Rage bringt mich der Umstand, dass der Gewinner mit sechs Richtigen plus Superzahl praktisch die ganze Gewinnsumme einkassiert. Ich will von Swisslotto wissen: Wann ändert sich das endlich?
«Du Schatz, ich habe den Jackpot leider wieder nicht geknackt.» So tönte es am Donnerstagmorgen, als meine Frau in der Küche erschien. Soeben realisierte ich, dass ein glücklicher Gewinner am Abend zuvor knapp 18 Millionen Franken eingesackt hatte.
So sehr ich der oder dem Glücklichen den Gewinn gönne, so sehr rege ich mich zum wiederholten Mal über die Verteilung der Preissumme auf. Es kann doch einfach nicht sein, dass sich die zwölf Spieler mit fünf Richtigen plus richtiger Superzahl mit gerade einmal etwas mehr als 5000 Franken abspeisen lassen müssen.
Ja, ich gebe es zu. Ich spiele Schweizer Lotto. Zwar nicht regelmässig, doch immer mal wieder. Und ja, auch ich lasse mich – auch, aber eben nicht nur – von hohen Jackpotsummen verleiten – und versuche dabei die Tatsache auszublenden, dass die Chance auf einen Gewinn bei 1:140 Millionen steht. Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich vor eineinhalb Jahren fünf Richtige tippte. Mir rutschte fast das Herz in die Hose, und ich erinnere mich, wie ich mir schon ausmalte, ein neues Rennvelo anzuschaffen oder endlich mit meiner Familie nach Thailand zu reisen.
Doch die Euphorie wurde schnell zur Ernüchterung. Läppische 880 Franken erhielt ich für die fünf Richtigen. Gut, normalerweise sind es 1000 Franken, was ich jetzt auch nicht wahnsinnig toll finde. Doch weil ich einen Anfängerfehler begangen hatte und auf allgemein beliebte Zahlen getippt hatte, musste ich mir den Gewinn mit ganz vielen anderen «Fünfern» teilen. Seither frage ich mich immer wieder: Weshalb erhält beim Schweizer Lotto der Jackpot-Gewinner fast alles, während die unteren Ränge sich mit Brotsamen begnügen müssen?
Ich frage bei Swisslotto nach: Würden nicht viel mehr Menschen Schweizer Lotto spielen, wenn man zum Beispiel mit fünf Richtigen eine stolze Summe einkassieren könnte?
«Die Verteilung erfolgt nach einem strengen Schlüssel, wobei natürlich ein tieferer Rang nicht mehr erhalten darf als ein höherer Rang», erklärt Swisslos-Sprecher Willy Mesmer. Dass Swiss Lotto attraktiver wäre, wenn tiefere Ränge wie zum Beispiel fünf Richtige plus richtige Superzahl mehr aus dem Gewinntopf erhielten, sei eine romantische Idee. «Das entspricht eindeutig nicht dem Spielverhalten, das Swisslos für alle Produkte immer und immer wieder analysiert. Menschen lassen sich mit hohen Jackpots nachweislich mehr zum Spielen animieren.»
Dies umso mehr als Swisslotto seit 2004 in Konkurrenz zu Euromillions steht, der Swisslotto zusammen mit neun anderen europäischen Lotterien ebenfalls angeschlossen ist. «Unser Ziel ist es, drei, vier Mal pro Jahr einen Jackpot zu erreichen, der bei Euromillions gang und gäbe ist», so Mesmer. Letztlich geht es darum, eine Formel zu finden, die hin und wieder einen schönen Jackpot generiert, die aber auch immer das Knacken eben dieses Jackpots erlaubt. Um den Jackpot in Höhe von knapp 18 Millionen Franken am Mittwoch zu knacken, bedurfte es 22 Ziehungen. Der Rekord datiert aus dem Jahr 2017: Erst nach sage und schreibe 49 Ziehungen wurde der Rekord-Jackpot in Höhe von 70 Millionen Franken damals geknackt – und das dann gleich von drei Spielern gleichzeitig.
Das aktuelle System mit 42 Zahlen, sechs Glückszahlen und einer Replayzahl ist übrigens bald zehn Jahre alt. Und es hat sich also bewährt. «Natürlich probieren wir immer wieder alle möglichen Formeln und Systeme aus. Auch die von ihnen vorgeschlagenen höheren Gewinne für zum Beispiel fünf Richtige. Doch alle Auswertungen zeigen uns, dass das aktuelle System im Moment immer noch das beste ist», betont Mesmer. Und eines dürfen wir vor lauter Jackpot-Euphorie nicht vergessen: «Bei der Ziehung vom Mittwochabend gab es rund 40 000 Gewinner von kleineren Beträgen und rund 80 000 Reply-Gewinner, welche also nochmals für den eingesetzten Betrag spielen dürfen.»
Doch wie viel der einbezahlten Spielbeträge wird überhaupt als Gewinn ausbezahlt? «Jedes unserer Produkte verfügt über eine eigene sogenannte Ausschüttungsquote. Beim Swiss Lotto beträgt diese 54,5 Prozent», so Mesmer. Sprich: Von allen Einsätzen geht nur etwas mehr als über die Hälfte als Gewinn wieder an die Spieler. Der Rest wird für Detailhandel-Provisionen, für die Verwaltungs- und Personalkosten von Swisslos sowie für gemeinnützige Projekte verwendet. «Rund ein Drittel der Spieleinsätze beim Swiss Lotto fliesst in solche Projekte», präzisiert Mesmer.
Die Ausführungen des Swisslotto-Sprecher leuchten alle irgendwie ein. Trotzdem kann und will ich aber nicht recht glauben, dass sich so viele Lottospielende einzig und alleine von einer Jackpotsumme blenden lassen, die sie so oder so nie gewinnen werden. Mir grausts auf alle Fälle, wieder einmal fünf Richtige zu tippen und hierfür mit einer mehr schlechten als rechten Almose abgespiesen zu werden. Vielleicht boykottiere ich Swiss Lotto aber auch einfach, bis mein «romantisches» – ja, man kann sagen «soziales» System – eingeführt wird.
Allen Lottospielern wünsche ich viel Glück auf der Jackpotjagd. Achtung: Nachdem der Topf am Mittwoch geleert wurde, winken diesen Samstag 1,5 Millionen Franken.
Zweifachpapi, nein drittes Kind in der Familie, Pilzsammler und Fischer, Hardcore-Public-Viewer und Halb-Däne. Was mich interessiert: Das Leben - und zwar das reale, nicht das "Heile-Welt"-Hochglanz-Leben.