Ratgeber

Wie die Innenarchitektin bei Teppichen in «Wohninseln» denkt

Pia Seidel
24.6.2021

Du denkst an einen neuen Teppich, aber weisst nicht, wo du bei der Suche anfangen sollst? Innenarchitektin Neshat Compani verrät dir, wie sie bei der Auswahl effizient vorankommt und worauf du achten kannst.

Vieles steht in der Basler Wohnung noch in Umzugskartons herum. Die Innenarchitektin Neshat Compani ist mit ihrer Familie erst vor Kurzem eingezogen. Trotzdem stechen mir die vielen unterschiedlichen Teppiche ins Auge. Vor allem die zahlreichen Mini-Rauten sprechen mich an, die bei einem der Designs sorgfältig gewoben wurden. Und spätestens als ich barfuss über das ein oder andere Modell laufe, fallen die Weichmacher auch meinen Füssen positiv auf. Obwohl noch nichts fertig ist, wirkt alles gemütlich. Das mag daran liegen, dass Neshat viel Erfahrung darin hat, Räume zu gestalten. Regelmässig wählt sie für ihre Interior-Projekte unter anderem Teppiche aus und besitzt auch privat eine Menge – von Kelims bis zu Outdoorteppichen. Ich will von der Expertin wissen, wie sie ihre eigene kleine Kollektion gefunden hat und wie sie sie inszeniert.

Neshat, als du mich durch die Wohnung geführt hast, sind mir zuerst die Perserteppiche aufgefallen.
Neshat Compani: Ja, meine Familie besitzt viele alte persische Teppiche aus verschiedenen Regionen. Darunter schöne Kelims mit floralen Motiven, die mein Vater damals mitgebracht hat. Er stammt ursprünglich aus dem Iran und lebt jetzt in Frankfurt, wo ich aufgewachsen bin. Ein Teil der Teppiche liegt seit dem Umzug leider noch im Keller.

Faible für Fussschmeichler: Neshat gefallen Kelims ganz besonders.
Faible für Fussschmeichler: Neshat gefallen Kelims ganz besonders.
Und das vor allem wegen ihrer abstrakten Motive.
Und das vor allem wegen ihrer abstrakten Motive.

Wie inszenierst du Perserteppiche?
Im Orient ist es üblich, den Teppich in der Raummitte zu platzieren. Mein Vater hat deshalb immer die Möbel an die Wand stellen wollen, damit der Teppich im Zentrum ist. Da die Motive Botschaften vermitteln, sollst du sie sehen können, hat er immer gesagt. Meine Mutter und ich haben aber interveniert, da der Raum begrenzt war. Auch heute verwende ich Teppiche vor allem dazu, um Räume zu strukturieren und wohnlicher zu machen. Deshalb steht schon mal das eine oder andere Möbel drauf.

Bis jetzt besitze ich nur einen Teppich. Das möchte ich ändern. Ich tue mich mit der grossen Auswahl aber schwer. Wie gehst du vor, um ein neues Modell zu finden?
Zuerst sehe ich mir den Grundriss des Raums und die Möbel darin an. Dann messe ich alles aus. Das Aussortieren fällt dir sofort leichter, wenn du nur nach der geeigneten Grösse suchst. Erst dann schaue ich mir Farbe, Muster und Qualität an. Egal, wie schön das Design ist – die Proportionen müssen stimmen. Ansonsten macht der Teppich viel kaputt. Sollte es das geeignete Format gar nicht geben, bestelle ich für Projekte auch auf Mass. Das kostet nur einiges mehr als ein Modell «von der Stange».

Das mit den richtigen Proportionen hört sich so leicht an. Wie finde ich heraus, was wo passt?
Du kannst in «Wohninseln» denken. Das heisst, einen Teppich gemeinsam mit Möbeln denken. Obwohl mein Vater das Gegenteil behaupten würde, wirkt ein Teppich im Raum harmonischer und weniger verloren, wenn noch ein Möbel drauf steht. Beim Sofa lege ich beispielsweise den Teppich ein Stück weit darunter, damit er nicht zu kurz geraten und dazugehörig wirkt. Je nach Modell sollten es mindestens zehn Zentimeter sein.

Ein Teppich sollte unterm Sofa oder Esstisch gross genug sein, damit keine Stolperfalle, sondern eine Einheit entsteht.
Ein Teppich sollte unterm Sofa oder Esstisch gross genug sein, damit keine Stolperfalle, sondern eine Einheit entsteht.

Bei mir liegt der einzige Teppich vor dem Sofa. Optisch bilden beide Elemente zwar eine Einheit. Allerdings stabilisieren die zwei Sofabeine den Teppich nicht gut. Wie ist das Rutschen auf Parkettböden zu verhindern?
Es gibt sogenannte Antirutschmatten, die dem Teppich am Boden halten. Du kannst sie für alle Teppicharten einsetzen. Sie verhindern auch, dass sich Falten bilden. Das ist bei besonders dünnen Designs wie einem Kelim von Vorteil.

Welche anderen Wohninseln siehst du noch?
Ich habe nicht nur drinnen, sondern auch draussen Teppiche. Unter dem Gartentisch oder in der Spielecke meines Sohnes. So sitzt er auf einer warmen Unterlage.

Die Teppiche in der Spielecke sind unterschiedlich hoch. Wie entscheidest du, wo Hoch- oder Niederflorteppiche infrage kommen?
Hochflorteppiche sind überall schön, wo du vorwiegend barfuss unterwegs bist. Im Schlafzimmer sind sie als Bettvorlage für einen sanften Einstieg in den Tag besonders angenehm. Und im Kinderzimmer sind sie toll, weil sich dort vieles am Boden abspielt. Sie sind aber pflegebedürftiger als Niederflorteppiche. Dellen lassen sich beispielsweise nicht vermeiden, wenn du ein Möbelstück drauf stellst. Es sei denn, du stellst regelmässig um oder beugst ihnen mit Filzgleitern vor.

Du hast vorhin gesagt, Farbe und Muster wählst du erst, wenn das Format klar ist. Wie gehst du da vor?
Es passiert selten, dass du als Erstes den Teppich hast. Daher sehe ich mir zuerst die Farben und Dinge an, die bereits im Raum sind. Im Kinderzimmer meines Sohnes sind Spielzeug, Möbel und Wände bereits bunt. Ein bestickter Teppich hängt an der Wand, den ich schon als Kind gehabt habe. Daher wähle ich dort lieber einen einfarbigen Teppich. Wenn viele Bilder an den Wänden hängen, bleibe ich ebenfalls bei unifarbenen Modellen. So stehen Teppichmotiv und Kunst nicht in Konkurrenz.**
Ist der Raum in Sachen Farbe und Muster zurückhaltend eingerichtet, kann der Teppich zum Kunstwerk werden und entsprechend auffallen. Das Gleiche gilt bei einem neutralen Bodenbelag wie Beton oder Parkett. Hier können gemusterte Kelims und Co. schön sein. Dann achte ich nur darauf, dass einige der Teppichfarben schon irgendwo im Raum vorkommen. In meinem Wohnzimmer passt der rötliche Teppich zum rosafarbenen Sofa, weil sich beide Töne in derselben Farbskala bewegen.

Ein Schmuckstück für die Wand: Teppiche sind auch Kunst.
Ein Schmuckstück für die Wand: Teppiche sind auch Kunst.
Bei einem neutralen Parkettboden eignet sich ein gemusterter Teppich.
Bei einem neutralen Parkettboden eignet sich ein gemusterter Teppich.

Hast du auch schon mal einen Fehlkauf gemacht?
Kürzlich habe ich mich von der Ästhetik täuschen lassen. Der Teppich auf dem Boden im Kinderzimmer löst sich in seine Einzelteile auf. Er ist mittlerweile alles andere als hochflorig: Weil er nur geklebt statt gewebt ist, kann mein Sohn die einzelnen Fäden herausziehen und damit spielen (lacht). Ich empfehle dir daher, günstige Preise zu hinterfragen und die Machart genauer anzuschauen.

Kein Teppich fürs Leben: Die Fransen sind nur aufgeklebt und verlieren mit der Zeit ihr Volumen.
Kein Teppich fürs Leben: Die Fransen sind nur aufgeklebt und verlieren mit der Zeit ihr Volumen.

Oft hallt es in meinen Zimmern, obwohl bereits einige Möbel darin stehen. Gibt es Teppiche, die für eine bessere Akustik sorgen?
Ja, je hochfloriger der Teppich ist, desto mehr schluckt er Schrittgeräusche. Das kann im Schlafzimmer oder im Eingangsbereich angenehm sein. Um Gespräche zu schlucken, eignen sich jedoch Vorhänge besser, weil sie höher hängen.

Worauf schaust du beim Material?
Bei Outdoorteppichen finde ich wichtig, dass sie wasserabweisend sind und sich idealerweise alleine mit Wasser abwaschen lassen. Synthetische Stoffe wie Polypropylen können das in der Regel gewährleisten. Noch besser ist natürlich, wenn sie in die Waschmaschine passen. Im Innenraum bevorzuge ich Woll- und Seidenteppiche. Sie sind auch wasserabweisend, stossen Dreck gut ab und laden sich nicht statisch auf. Du schwitzt darauf auch weniger als auf künstlichen Stoffen.

Am liebsten würde ich mich für maschinenwaschbare Modelle entscheiden, um mir das manuelle Putzen zu ersparen. Wie würdest du diese arrangieren?

Du kannst kleine Teppiche gut überlagern. Auf diese Weise werden sie zu einem grossen Ganzen. Das hätte auch den Vorteil, dass du dich nicht nur für ein einziges Muster entscheiden musst und der Qual der Wahl zumindest etwas entgehen kannst.

Überlagerungen sind entscheidend.
Überlagerungen sind entscheidend.
Damit werden Möbel und Teppich zur Wohninsel.
Damit werden Möbel und Teppich zur Wohninsel.

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Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit. 


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