
Produkttest
Ich Papa, du Gei
von Michael Restin
Weihnachten naht. Meine Tochter hat «Ricky, mein schlaues Hündchen» in einem Spielwarenkatalog entdeckt. Das elektrifizierte Hündchen liegt bei uns im Büro herum. Also nehme ich Ricky mal mit nach Hause. Das hätte ich lieber nicht getan.
Plüschhund Ricky ist von meiner Tochter nach der Lektüre eines Spielwarenkatalogs zu einem der Favoriten gekürt worden. Er liegt ungetestet im Büro rum und meine Tochter will ihn gerne mal ausprobieren. Ich spreche mich mit Spielzeug-Papst Ramon ab. «Klar, leih das Ding aus», meint er.
Gegenüber meiner Tochter deklariere ich es klar als vorübergehenden Besuch und betone, dass der Plüschhund uns wieder verlassen muss. Dies, weil wir Eltern uns gegen das Spielzeug entschieden haben. Denn die Geschenke sind bereits gekauft. Meine Frau war stark gegen den temporären Aufenthalt von Ricky bei uns zu Hause, aber meine Tochter und ich haben sie basisdemokratisch überstimmt.
Bei meiner Tochter löst schon die Ankündigung, dass ich das Hündchen mit nach Hause bringen darf, Freudenjauchzer aus. Bei meiner Frau nicht. Kurz vor Feierabend ruft mich meine Tochter sogar an: «Kommt das Hündchen?» «Ja!» «Ha! Mama hat die Wette verloren!» Ich muss ein Kichern unterdrücken.
Kollege Michael hat übrigens ein ähnliches Experiment mit Rickys Seelenverwandtem durchgeführt, Papagei «Pauli»
Ricky kommt nicht im Körbchen, sondern im Galaxus-Plastiksack nach Hause. Er wird von meiner Tochter stürmisch begrüsst. Sie probiert ihn sofort aus und ist entzückt. Auch ich finde den Plüschhund eigentlich noch herzig.
Der flauschige Plüschhund ist einem Husky-Welpen nachempfunden. Er ist etwa 45 cm hoch und wiegt 2.3 Kilo. Das Gewicht kommt von einigen Motoren, die in seinem Bauch stecken und dank denen er einige Tricks beherrscht.
Die Augen und die Ohren sind ebenfalls motorisiert. Die Augenlider öffnen und schliessen sich während Aktionen. Die Ohren wackeln wild. Ausserdem rutscht Ricky während des Betriebs langsam rückwärts. Laufen kann die arme Kreatur leider nicht.
Nach einigem Zuschauen bin ich ernüchtert. Der Plüschhund ist zwar niedlich, aber noch bekloppter als vermutet. Für 150 Franken erwarte ich ja keinen Plüsch-Terminator, aber das Ding ist dann doch ziemlich limitiert.
Die Batterien sind übrigens trotz des stolzen Preises nicht mit dabei. Vier Mal 1.5V Typ C (das sind die grossen, dicken):
Meine Tochter stören weder die fehlenden Batterien noch die mangelnde Intelligenz. Sie ist restlos begeistert. Sie tauft den Plüschhund «Oliver» und ist felsenfest davon überzeugt, dass Oliver ihr gehorcht. Ich habe ihr zwar erklärt, dass die Aktionen einprogrammiert sind, aber sie verwechselt Ursache und Wirkung gerne, weil das Spiel dann schöner ist. Der Geräuschsensor und das Bellen, wenn man mit ihm spricht, komplettieren die Illusion.
Immer wieder legt meine Tochter Oliver den Knochen auf die Nase und befiehlt ihm, ihn fallen zu lassen. Sie belohnt den Plüschhund mit einem Goodie. Das er immer gleich wieder rausscheissen muss. Sie wiederholt das mit erstaunlicher Ausdauer. Zwischendurch nimmt sie ihn in die Arme und knuddelt den Plüschhund.
Zwar spielt meine Tochter nicht ständig mit dem ausgeliehenen Kameraden, aber immer wieder. Oliver ist während seines Aufenthalts klar die Nummer 1. Die 30 anderen Stofftiere haben das Nachsehen.
Es war von Anfang an so ausgemacht: Der «Hundi» muss unsere Wohnung nach wenigen Tagen wieder verlassen.
Meine Tochter zieht alle Register:
Es führt nichts daran herum: Oliver muss uns verlassen. Für den Abschied haben wir ein Ritual ausgemacht. Meine Tochter verabschiedet sich abends von Oliver. Schluchzend wünscht sie ihm vom Kinderbett aus ein letztes Mal gute Nacht und wirft sich weinend in die Kissen. Am nächsten Morgen stecken wir ihn gemeinsam in den Plastiksack. Beim Abschied bekommt meine Tochter nochmals feuchte Augen.
Es ist herzzerreissend und berührt mich wirklich. Ich wäre schwer in Versuchung, wenn sie nicht schon dieses «Baby Born» zu Weihnachten kriegen würde. Die Puppe war vor dem Auftritt des Plüschhundes der sehnlichste Wunsch meiner Tochter, der nun erfüllt wird. Die Puppe kann trinken, weinen, Kleister essen und in die Windel machen.
Und «Ricky, mein schlaues Hündchen»? Seine limitierten Fähigkeiten haben meine Tochter überhaupt nicht gestört. Wie lange sie Spass an ihrem «Hundi» gehabt hätte, das weiss ich nicht.
Er ist mit knapp 150 Franken – plus Batterien! – ein ordentlicher Posten und wäre sicher ein sehr grosses Geschenk gewesen, vermutlich von mehreren Personen zusammen.
Für Kinder, die Hunde mögen und deren Eltern keine Berührungsängste mit dieser Art Spielzeug haben, ist der Plüschhund eine Überlegung wert. Er sorgt ziemlich sicher für glänzende Augen.
Auch bei mir, Oliver. Ich werde mich noch wehmütig an dich erinnern, wenn ich die eingetrocknete Scheisse von «Baby Born» aus dem Teppich kratze.
Ich bändige das Editorial Team. Hauptberuflicher Schreiberling, nebenberuflicher Papa. Mich interessieren Technik, Computer und HiFi. Ich fahre bei jedem Wetter Velo und bin meistens gut gelaunt.