
Hintergrund
E-Wandern statt E-Biken: So fühlt es sich an
von Siri Schubert
Roman Braschler hat ein Elektromotorrad entwickelt und gebaut. Am Anfang seines Projekts stand er mit 764 Franken da. Nächstes Jahr ist das Bike bei Galaxus bestellbar.
Als ich die Werkstatt von Roman betrete, weht mir ein Hauch «Pimp my Ride» entgegen – minus protzige, tätowierte Typen. Roman ist das pure Gegenteil davon. Er strahlt schweizerische Bodenständigkeit aus. Mit einem Lächeln auf den Lippen zeigt er mir sein Motorrad, den RP3. «Das ist er nun.» Trotz karger Wortwahl, dringt der Stolz über seinen Töff in jeder Silbe durch.
Roman zeigt mir kurz seine Werkstatt, bevor wir bei einem Kaffee ins Gespräch kommen und er mir erzählt, wie er sich vor neun Jahren selbstständig gemacht hat.
Seine erste eigene Werkstatt befindet sich in Einsiedeln am Hang. Zur Arbeit fährt er jeden Tag mit dem E-Bike. Trotz Unterstützung durch den Motor ist das mühsam: In Einsiedeln geht es hoch und runter. Das E-Bike ist auf Dauer keine Lösung. Im Sommer kommt er verschwitzt an und im Winter friert er sich 20 Minuten lang die Hände ab. Nach drei Jahren hat er genug: Er beschliesst, sich einen E-Scooter zu kaufen.
Doch auch nach längerer Suche wird er nicht fündig. «Ich wollte ein Fahrzeug, das zu mir passt und dennoch ökologisch ist. Als langjähriger Töfffahrer ist es mir wichtig, wie mein Fahrzeug aussieht.» Roman denkt um. «Ein Motorrad zu bauen, war schon immer mein Traum. Dank meiner Lehre als Polymechaniker bei der Bahn habe ich Ahnung von Mechanik und Elektronik. Die Arbeit mit CAD und Carbon war mein täglich Brot.» Er hat alle Puzzleteile für den Bau eines Elektromotorrades zusammen. Wann nötig, holt er sich Hilfe. Als erstes fürs Design bei einem Freund. Heute ist ein siebenköpfiges Team an der Entwicklung beteiligt.
«Bereits als kleiner Junge war ich fasziniert von Motorrädern. Mit meinem Vater habe ich ausgedehnte Touren im Tessin gemacht, an die ich auch heute noch schöne Erinnerungen habe. Mit 18 habe ich dann sofort die Prüfung gemacht. Seither fahre ich Töff.»
Diese Passion behält sich Roman in den kommenden Jahren bei. Er macht viele Touren: Motorradfahren ist vor allem Hobby. «Im jugendlichen Übermut bin ich auch häufig zu schnell gefahren», sagt Roman mit spitzbübischem Grinsen. Sofort wird er wieder ernst. «Retrospektiv war das selbstverständlich überhaupt nicht toll und ich würde das heute nicht mehr machen. Ich bin älter und reifer geworden.»
Bereits als Kind beobachtet er, dass Verbrennungsmotoren schlecht für die Umwelt sind. «Mein Elternhaus lag an einer Hauptstrasse. Unsere Fenstersimse waren immer schwarz von all den Autoabgasen.» Dieses Bewusstsein kommt mit Mitte 20 wieder ein wenig zurück und schliesslich definitiv bei der Geburt des ersten Kindes. «Ich will meinen Kindern ein Leben in einer sauberen Umwelt ermöglichen.» Deshalb muss sein Töff unbedingt mit erneuerbaren Energien betrieben werden.
Vor sechs Jahren macht sich Roman daran, seinen Töff zu bauen. «Ich hatte noch 764 Franken. Ich wollte unbedingt diesen Töff bauen. Ich habe dann effektiv mein letztes Hemd gegeben: Mit dem Geld habe ich mir den ersten Elektromotor für meinen Prototypen gekauft.» Beim ersten Prototypen geht alles sehr schnell. Weil er die 24 Stunden eines Tages voll ausnutzt, dauert es von der Idee bis zum ersten Prototyp lediglich 3 Monate.
Schon bald folgt der zweite Prototyp.. Bei der ersten Version seien die Fertigungskosten zu hoch gewesen und die Reichweite zu gering. Das verbesserte Modell steht ebenfalls bereits nach drei Monaten. Die Leistung des Motors wird auf 11 kw Dauerleistung erhöht, der Töff fährt bis zu 100 Kilometer weit mit einer Ladung.
Das reicht Roman und seinem Team aber noch nicht. Sie tüfteln und tüfteln. Diesmal dauert alles viel länger. «Der Optimierungsprozess dauert am längsten und ist zäh. Dennoch liebe ich das Experimentieren. Es gibt mir enorm viel, mich mit dem RP3 auseinanderzusetzen.» Am meisten Mühe bereitet dem Team die Batterie. «Da das Produkt sehr spezifisch ist, stellt es leider niemand her.»Deshalb entwickeln Roman und sein Team die Batterie selbst. Mittlerweile verkaufen sie die und Antriebssysteme an neue Kunden.
Mit dem RP3 hat er sich ein zweites Standbein aufgebaut. Nach sechs Jahren ist der Töff beinahe bereit für die Kleinserienproduktion. Roman hat auch immer wieder Kunden, die den Töff probefahren. «Es ist ein tolles Gefühl, nach der Fahrt sogar durch den Helm zu sehen, wieviel Freude die Leute am Fahren haben.»
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.