
Schweiß gegen Angst: neue Therapie bei Sozialphobie
Keine schöne Vorstellung: Am Schweiß fremder Menschen zu riechen. Doch Forschungsergebnisse weisen jetzt darauf hin, dass genau das Personen mit sozialen Ängsten zukünftig als neue Therapieform helfen könnte.
Es ist sicherlich ein merkwürdig anmutender Versuchsaufbau: Testpersonen, die zur Überwindung ihrer Ängste den Achselschweiß von Fremden einatmen. Aber möglicherweise kann das in Zukunft noch zu einer hilfreichen Therapie gegen soziale Ängste werden. Ihre Untersuchung stellte ein Team aus europäischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Elisa Vigna vom Karolinska Institut in Stockholm kürzlich auf dem European Congress of Psychiatry vor. Sie vermuten, dass der Geruch von Achselschweiß Gehirnbahnen aktiviert, die mit Emotionen in Verbindung stehen. Das soll sich beruhigend auf Angstpatienten auswirken. Ob sich ihre Hypothese schlussendlich bestätigen wird, ist jedoch noch unklar.
Nicht immer angenehm: Gerüche geben uns wichtige Signale
Schon Babys kommen mit einem ausgeprägten Geruchssinn zur Welt und riechen in der ersten Zeit am liebsten ihre Mama und deren Milch. Später im Leben geben uns Gerüche zum Beispiel wichtige Hinweise auf Gefahren: Der Geruch von Rauch etwa, der uns vor Feuer warnt, oder auch unangenehm riechende Pflanzen, die uns vor dem Verzehr giftiger Stoffe bewahren können. Gerüche können aber auch starke Erinnerungen hervorrufen und ganze Gefühlswelten wieder erwecken, die wir vor langer Zeit damit verbunden haben.
Im oberen Teil unserer Nase befinden sich Rezeptoren, die Geruchsaromen wahrnehmen können. Sie leiten die Signale weiter an unser Gehirn, genauer an das limbische System. Dort wird das Affektverhalten (emotional gesteuertes Handeln) kontrolliert. Es ist zudem Teil des Gedächtnisses und speichert Erinnerungen ab, die mit Emotionen verknüpft sind.
Angstschweiß versus Glücksschweiß – unterschiedliche Wirkung?
Die Hypothese der schwedischen Forscherinnen und Forscher: Der menschliche Körpergeruch kann unseren emotionalen Zustand vermitteln, also zum Beispiel ob jemand gerade glücklich oder ängstlich ist. Sie vermuten sogar, dass der Schweißgeruch bei der riechenden Person eine ähnliche Reaktion hervorrufen kann.
Um ihre Vermutung zu untersuchen, baten sie Freiwillige, Achselschweiß zu spenden, den sie beim Ansehen eines Gruselfilms beziehungsweise eines fröhlichen Films ausgeschwitzt hatten. Anschließend erklärten sich 48 Frauen mit sozialen Ängsten bereit, an einigen dieser Proben zu schnuppern. Die Probandinnen nahmen gleichzeitig an einer konventionellen Achtsamkeitstherapie teil. Um die Wirkung des Schweißes zu vergleichen, bekam ein Teil der Frauen statt des Körpergeruchs saubere Luft zum Schnüffeln. Der Versuch zeigte: Diejenigen, die dem Schweiß ausgesetzt waren, schienen besser mit der Therapie zurechtzukommen.
Reicht die bloße Anwesenheit einer anderen Person für den Therapieerfolg?
Das erstaunliche an den Ergebnissen war, dass es keinen Unterschied machte, ob die Probandinnen Angstschweiß einatmeten oder den Schweiß, der bei fröhlichen Filmen produziert wurde.
Die leitende Forscherin Elisa Vigna vom Karolinska-Institut in Stockholm erklärt es so: «Schweiß, der produziert wurde, während jemand glücklich war, hatte die gleiche Wirkung wie bei jemandem, der durch einen Videoclip erschreckt wurde. Es könnte also sein, dass die Chemo-Signale im Schweiß des Menschen die Reaktion auf die Behandlung beeinflussen. Es könnte sein, dass die bloße Anwesenheit einer anderen Person diese Wirkung hat, aber das müssen wir noch bestätigen.»
In einer Folgestudie wollen sie und ihr Team nun testen, welche Wirkung Schweiß hat, der beim Ansehen eines emotional neutralen Films entstand.
Titelfoto: Nathan Dumlao/UnsplashWissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.