
Schminke aufbrauchen als Ausdauersport

Wer in der Beauty-Community gegen den Strom schwimmen möchte, kauft nicht neu, sondern nutzt, was zu Hause rumliegt. In vielen Lebensbereichen ist das der Standard, im Schönheitskosmos lediglich ein Mikrotrend.
Beauty-Blogger und Youtuber halten für gewöhnlich das Neueste vom Neuen in die Kamera. Für Produkte von gestern ist in der schnelllebigen Make-up- und Skincare-Welt kaum Platz. Schliesslich wollen die Reviews draussen sein, bevor die Neulancierungen im Handel erhältlich sind. Das sichert Views und Aktualität. Aber irgendwo im hintersten Winkel diverser Social-Media-Plattformen macht sich eine Gegenbewegung bemerkbar. Ganz schüchtern.
Ich nenne sie liebevoll und unkreativ: die Aufbraucher.
Nischige Instagram-Accounts wie @empties.likemysoul oder @hitpanmaker haben es sich zum Ziel gesetzt, ihre Produkte aufzubrauchen. Das klingt jetzt superbanal, schliesslich werden Produkte im Normalfall gekauft, um gebraucht zu werden. Das gilt jedoch nur für den Ottonormalverbraucher. Beauty-Junkies horten Produkte und testen Neues wie am Fliessband. Ein Produkt konsequent zu benutzen, sodass sich der Pfännchenboden irgendwann zeigt, wird in diesen Kreisen schnell mal als «Leistung» gewertet. Was das über unsere konsumgetriebene Gesellschaft aussagt, ist Interpretationssache.
Das Motiv
Auf Youtube findest du diverse Videos, in denen Menschen jene Cremchen und Puder zeigen, denen sie gerne mehr Aufmerksamkeit schenken wollen. Bis zum bitteren Ende. Sie halten in regelmässigen Updates ihren Aufbrauch-Fortschritt fest und ermutigen dich als Zuschauer, es ihnen gleichzutun und das zu verwenden, was du bereits besitzt. Googelst du nach Hit the Pan, Project Pan oder Empties, wirst du schnell fündig.
Nicht selten schwebt über solchen Videos die Wolke des schlechten Gewissens. Jenes Gewissen, das sich bemerkbar macht, wenn du Geld für etwas ausgegeben hast, das du nicht benutzt. Ein Gefühl, das vermutlich jede*r von irgendwoher kennt. Speziell bei Beauty-Produkten wird das schlechte Gewissen um einen weiteren Faktor verstärkt: Einmal geöffnet, tickt die Uhr. Das Ablaufdatum rückt näher. Es herrscht Aufbrauchzwang. So sehr ich diese Art von Content – gerade als Gegenpol zu den zahlreichen Neuheiten-Videos – unterstützenswert finde, so hinterlässt sie dadurch einen fahlen Beigeschmack. Die Gewissensbisse scheinen hier die treibende Kraft. Der Nachhaltigkeitsaspekt? Zweitrangig.
Ein anderer Ansatz
Auch ich teste job- und interessenbedingt viele Produkte. So viele, wie ich unmöglich je selbst in einem Leben aufbrauchen könnte. Ergeht es dir ähnlich, gibt es eine Alternative zum zwanghaften Aufbrauchen: Frauenhäuser und andere wohltätige Organisationen sind froh um Spenden in Form von Hygiene- und Beauty-Produkten. Egal, ob diese vielleicht schon geöffnet und ein oder zwei Mal benutzt wurden. Je nach Produkt ist das halb so schlimm. Zum Beispiel bei Shampoos, Parfüm, Cremes aus Tuben etc. Einfach an- und nachfragen. Auf diese Weise reduzierst du deine Kollektion für einen guten Zweck auf deine Favoriten. Positiver Nebeneffekt: Du brauchst deine Lieblingsprodukte ganz automatisch auf, ohne dich hinter einer Challenge wie dem Project Pan verstecken zu müssen.


Als Disney-Fan trage ich nonstop die rosarote Brille, verehre Serien aus den 90ern und zähle Meerjungfrauen zu meiner Religion. Wenn ich mal nicht gerade im Glitzerregen tanze, findet man mich auf Pyjama-Partys oder an meinem Schminktisch. PS: Mit Speck fängt man nicht nur Mäuse, sondern auch mich.