
Rösterei Maria-Rickenbach Morgenrot
250 g, Dunkle Röstung
Maria-Rickenbach ist kein naheliegender Ort, um eine Rösterei zu eröffnen. Am einfachsten erreicht man das Kaff im Herzen des Kantons Nidwalden mit der Luftseilbahn. Ohne das Wohlwollen der lokalen Bevölkerung, hätte es das Startup schwer gehabt.
«Niederrickenbach Station, Halt auf Verlangen», informiert eine blecherne Stimme. Mit Fotograf Chris und mir steigt eine Kindergartenklasse aus dem Wagen der Regionalbahn. Umstieg auf die Talstation der Luftseilbahn, wo wir von Andrija Stojkovic erwartet werden. Er ist einer der drei Gründer der Rösterei Maria Rickenbach. «Säli!», begrüsst ihn der Betreiber der Bahn mit einem festen Händedruck, «und gratuliere!» Andrija ist kürzlich Vater geworden, was sich rumgesprochen hat. Man kennt sich hier.
Die Gondel taucht in eine dicke Nebelsuppe. «Jetzt weisst du auch, warum wir unsere Kaffeemischungen nach Wetterphänomenen benannt haben», sagt Andrija und versichert, dass die Sonne bald durchdrücken würde. Die Kaffees der Rösterei heissen «Wetterleuchten», «Morgenrot» oder «Nebelmeer». Die Stimmung passt. Von der Bergstation sind es ein paar hundert Meter zur Rösterei, vorbei am Benediktinerinnenkloster und einem kleinen Klosterladen. «Riecht ihr es schon?», fragt Andrija. Der unverkennbare Duft von frisch geröstetem Kaffee liegt in der Luft. Im Erdgeschoss eines ehemaligen Hotels liegt die Rösterei, vis a vis serviert das Restaurant Pilgerhaus neben Cordon Bleu und Käseschnitten auch den Kaffee von nebenan. «Der Denkmalschutz schaut genau hin, deshalb mussten wir auch den Kamin hinter dem Haus montieren und wir durften nur ein kleines Schild an der Fassade befestigen». Alles Herausforderungen, mit denen das Startup im ersten Moment nicht rechnet.
In der Rösterei begrüsst uns Stefan Wyrsch, Teilzeit-Röstmeister und Sandkastenfreund von Andrija. Im vorderen Raum steht der 15-Kilo-Röster, importiert aus Holland. Eine grosse Trommel, davor ein rundes Becken, das die Kaffeebohnen abkühlt, sobald sie fertig geröstet sind. Im hinteren Raum stapeln sich Säcke mit Rohkaffee aus Ländern wie Äthiopien, Kolumbien oder Guatemala. «Ich mache euch gleich einen Kaffee! Lass mich nur kurz diese Charge fertig machen», entschuldigt sich Stefan. Auf einem Bildschirm kontrolliert er den Temperaturverlauf und wartet auf den perfekten Zeitpunkt, um die Röstung zu beenden. Zu dunkel dürfen die Bohnen nicht sein, sonst wird der Kaffee bitter. Zu hell und der Kaffee wird zu sauer.
Im Inneren der Trommel beginnt es zu knacken. Das Zeichen für Stefan, dass er jetzt besonders aufpassen muss. Die zuvor grünen und schrumpligen Böhnchen dehnen sich jetzt aufgrund der grossen Hitze aus und nehmen immer mehr Farbe an. Irgendwann ist der Druck so gross, dass sie platzen, fast wie beim Popcorn. Ab diesem sogenannten «first crack» entscheidet sich, wie hell oder dunkel die Röstung wird. Eine Frage von Sekunden. Ein kurzer Handgriff und die gerösteten Bohnen ergiessen sich, wie ein Wasserfall, ins runde Kühlbecken.
Stefan offeriert uns einen Espresso aus der Handhebel-Espressomaschine. «Ich will vor allem die natürliche Süsse aus den Bohnen holen. Für diesen Espresso brauchst du eigentlich keinen Zucker», erklärt der Röstmeister, während er die Espressi umrührt. Ein Trick, der die Geschmäcker zusammenbringen soll. Tatsächlich: Der Espresso schmeckt ausgewogen, mit einer natürlichen Süsse. Es drückt sogar etwas Frucht durch. «Richtig erkannt! Das ist der Sidamo aus Äthiopien», bestätigt Stefan.
Seit 2020 röstet Stefan immer am Freitag in Niederrickenbach (so heisst das Dorf weltlich), wobei sich der Start wegen der Pandemie und der geografischen Lage zu Beginn als schwer gestaltete. Der holländische Lieferant konnte keinen Monteur in die Schweiz schicken, weshalb der Aufbau des Rösters umständlich per Videotelefonie unterstützt werden musste. Schon der Transport war abenteuerlich. Die Maschine war zu schwer und zu gross für die Luftseilbahn. Ein lokaler Forstunternehmer musste sie daher mit einem Landwirtschaftsfahrzeug die enge Strasse hinauf transportieren. In den Bergen hilft man einander. Zum Glück: Die bis zu 70 Kilo schweren Säcke mit Rohkaffee liefert die Luftseilbahn. Die letzten rund 300 Meter von der Bergstation zur Rösterei erledigt Stefan mit dem Sackrolli. Die Angestellten der Seilbahn kennen den Ablauf und lagern die Säcke auch mal in der Talstation solange, bis Stefan oder Andrija sie in die Rösterei transportieren können.
Die gerösteten Bohnen sind mittlerweile ausgekühlt. Stefan hat in mühsamer Handarbeit die 250 Gramm Packungen etikettiert und das Röstdatum darauf gestempelt. Jetzt spannt er die kleinen Säcke unter die Portioniermaschine und lässt sie danach von einem Schweissgerät versiegeln. «Diese Investition hat sich sehr gelohnt, das haben wir bis vor kurzem alles mit einer Schaufel, einer Waage und einem Handschweissgerät gemacht. Das dauerte ewig!», lacht Andrija. Die fertig portionierten Kaffeebeutel gehen dann entweder in den Versand zu den Kunden (oder Galaxus), in den Verkauf in verschiedenen Dorflädeli oder in den Kühlschrank vor der Tür, wo man mit Twint auf Vertrauensbasis zahlen kann.
Rösterei Maria-Rickenbach Morgenrot
250 g, Dunkle Röstung
Rösterei Maria-Rickenbach Nebelmeer
250 g, Dunkle Röstung
Rösterei Maria-Rickenbach Wetterleuchten
250 g, Mittlere Röstung
Oder direkt in der Rösterei, wenn Stefan am Freitag röstet. «Die Leute sind daran interessiert, was wir hier machen und sie kommen gerne vorbei». Viele seien überrascht, wie viel Liebe im Detail steckt. Etwa, dass Stefan fast alle Kaffeebauern schon persönlich besucht hat. «Zugegeben, ich reise gerne. Für uns gehört das aber auch zum Qualitätsversprechen. So können wir uns ein eigenes Bild machen und mit den Leuten vor Ort sprechen». Wenn Stefan dann die Bilder vom idyllischen Klosterort zeigt, sind die Bauern in Kolumbien oder Guatemala begeistert und stolz, dass ihre Ware in so einer Postkartenumgebung landet.
Andrija, Stefan und der dritte im Bunde, Mike Bacher, arbeiten alle noch in ihren angestammten Berufen und betreiben die Rösterei grösstenteils in der Freizeit nebenbei. Davon leben kann noch niemand. Nur Röster Stefan arbeitet in einem Teilzeitpensum. «Wir sind aber voll auf Kurs mit unserem Businessplan», verrät Andrija, der vor allem für die Webseite und das Marketing zuständig ist. Die Teilzeitröster müssen daher Beruf, Familie und Start-up unter einen Hut bringen können, was nicht immer ganz einfach ist. Darum lassen wir Stefan daher in Ruhe die nächsten Röstungen machen und verabschieden uns.
Andrija hatte recht mit seiner Wettervorhersage. Mittlerweile scheint die Sonne über dem Kloster, immer mehr Menschen wandern vorbei. Eine Familie schaut interessiert in die Rösterei. «Wollt ihr reinschaun?», fragt Stefan und winkt uns noch zu, bevor wir die Seilbahn nach unten nehmen. «Bis nächste Woche» verabschiedet uns der Angestellte der Seilbahn und meint wohl nur Andrija. Aber irgendwie sind wir wohl auch schon ein bisschen Teil der Familie…
Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.