

Review Nokia Sleep: Die Matte, die den Schlaf vermisst und Entwicklungen verschläft

Nokia Sleep soll nicht nur Schlafphasen messen, meinen Puls fühlen und Schnarchpolizist sein, sondern auch smarte Dinge im Haus auslösen können. Für mich ist sie der wohl grösste Lichtschalter der Welt, dem ein entscheidendes Feature fehlt.
Bislang fiel meine persönliche Schlafanalyse eher simpel aus. Morgens matschig = schlechte Nacht, halbwegs gut aus dem Bett gekommen = gute Nacht. Alles Weitere entzog sich meiner Kenntnis. Das hat sich geändert. Heute bin ich mit einem Sleep Score von 56 aufgewacht. Das ist dramatisch wenig und es hilft mir auch nichts mehr, es am Sonntag auf eine satte 97 gebracht zu haben. Immerhin spare ich etwas Energie, weil ich den Lichtschalter nicht mehr selbst bedienen muss, denn das macht das smarte Luftkissen unter meiner Matratze. Aber der Reihe nach.

Erster Eindruck: Fühlt sich gut an!
Früher habe ich mir Produkte von Nokia ans Ohr gehalten, dieses hier soll ich unter die Matratze schieben. Vor mir liegt eine graue Matte, 63,7 cm lang, 19 cm breit und 5 mm dick. Daran ein textilummanteltes Kabel, das sich über ungefähr drei Meter zu einem weissen USB-Netzteil schlängelt. Alles fühlt sich hochwertig an. Schön zu wissen, aber das Teil verschwindet gleich bis auf weiteres unter 18,5 cm Schaumstoff. Drum will ich vorher noch schauen, was sich unter dem Stoffbezug verbirgt.
Innenleben und Funktionsweise
Zum Vorschein kommt eine dreiröhrige Mini-Luftmatratze. Liege ich auf dem Bett, werden die Röhren zusammengedrückt. Bewege ich mich, ändert sich die Druckverteilung. Soweit ist das nachvollziehbar. Das Gehirn der Konstruktion verbirgt sich in einem weissen Kästchen. Es soll nach dem Prinzip der Ballistokardiographie die Bewegungen und Erschütterungen messen, aus denen es die Wach-, Tief-, Leicht- und REM-Schlafphasen ableitet sowie meine Herzfrequenz erfasst. Daneben lauscht noch ein Schnarchsensor, der sich aber deaktivieren lässt.

Installation und Konfiguration
Nokia Sleep wird auf Brusthöhe unter die Matratze geschoben. Ob Federkern-, Latex- oder Schaumstoff- oder Memory-Matratze ist dabei egal, getestet hat es der Hersteller mit Matratzenstärken von 10 bis 40 cm. Ist die Matte an ihrem Platz, kann sie an den Strom angeschlossen und über Nokias App «Health Mate» konfiguriert werden. Das dauert keine fünf Minuten. Konto anlegen, Nokia Sleep als neues Gerät hinzufügen und ins WiFi einbinden – fertig. Anschliessend kalibriert sich das Gerät mit einem leichten Brummen und ist bereit zum Einsatz.


Der erste Smartschlaf meines Lebens
Das Grundprinzip des Nokia Sleep sagt mir zu. Die Matte ist unsicht- und unspürbar. Ich muss weder ein Armband tragen noch die Aufzeichnung starten, sondern kann mich einfach schlafen legen und das Ding vergessen. Auch mein Handy darf irgendwo in der Wohnung liegen, die Synchronisation der Daten erfolgt über WLAN. Das muss innerhalb von 24 Stunden passieren, länger speichert Nokia Sleep die Schlafdaten nicht. Einmal in der App angekommen, sind sie dagegen sicher. Ich bin gespannt auf den ersten Smartschlaf meines Lebens.
Rüffel von Mama Nokia
Nach der Premierennacht wache ich neugierig auf und greife gleich zum Handy, wo mich die App mit einer Belehrung begrüsst: Den Tag mit dem Display vor der Nase zu beginnen sei ja wohl gar nicht gut für mich. Ja, Mama Nokia. Wisch und weg. Ich will Daten sehen, und die erscheinen mir plausibel.


Ich bin um 23.31 ins Bett gegangen und schnell eingeschlafen. Um 4.35 Uhr hat mich meine kleine Tochter in einer Leichtschlafphase geweckt, ich bin kurz aufgestanden. Im Anschluss haben wir gemeinsam das Ergebnis verfälscht, da sie sich neben mir auf dem Sensor zusammengerollt hat. Ich war zu matt, um meinen Datenschatz zu retten. Gemeinsam bringen wir es in dieser Nacht auf einen Schlaf-Score von 77, das ist im grünen Bereich. Die Skala reicht von 0 bis 100 und berücksichtigt folgende Faktoren, zu denen sich jeweils noch genauere Informationen abrufen lasssen:
- Schlafdauer
- Schlaftiefe
- Regelmässigkeit
- Unterbrechungen
- Einschlafdauer
- Aufstehdauer
Schlafdauer und Tiefe werden dabei am stärksten gewichtet. Neben der Wertung und Erklärungen zu den einzelnen Schlafphasen wird noch die durchschnittliche Herzfrequenz angezeigt und der Schnarchsensor informiert darüber, dass ich ein stiller Schläfer bin. Ausserdem gibt es zahlreiche Angebote, sich tiefer in die Nokia-Gesundheitswelt zu stürzen, tagsüber Schritte zu tracken oder durch gute Tipps mein Schlafverhalten zu verbessern. Ich will aber nicht daran erinnert werden, Kräutertee zu trinken oder ein Buch zu lesen. Da bleibe ich pubertär und lasse mich nicht weiter bemuttern.


Smart-Home-Einbindung – der wohl grösste Lichtschalter der Welt
Mich interessiert vor allem eine weitere Funktion: Die Möglichkeit, über den Service IFTTT (IF This Than That) andere smarte Vorgänge zu starten. Dafür braucht es neben einem Nokia Health Mate-Konto auch noch einen IFTTT-Account und eine gewisse Portion Gleichmut, was Datenfreigaben und –austausch angeht. Ich bestätige brav und gebe auch noch mein Philips Hue-Konto frei, um Nokia Sleep in den wohl grössten Lichtschalter der Welt zu verwandeln. Die IFFT-App erfährt, wenn ich ins Bett gehe oder aufstehe und kann über entsprechende Applets andere Aktionen auslösen.
Dinge, die ich gerne damit tun würde:
- Wenn ich ins Bett gehe, dann drehe die Zeit so weit zurück, dass ich mindestens 8 Stunden schlafen kann (scheitert an fehlenden Zugriffsrechten auf ein paar Milliarden andere Geräte)
- Wenn ich aufstehe, dann lass die Sonne scheinen (das Sonnensystem ist leider nicht IFTTT-kompatibel)
Dinge, die ich konkret damit tun kann:
- Wenn ich ins Bett gehe, dann schalte das Licht aus. Das funktioniert, nach wenigen Sekunden gehen die Hue-Lampen aus.
- Wenn ich aufstehe, dann schalte das Licht ein. Das funktioniert mit einer Verzögerung von knapp 20 Sekunden. Wahrscheinlich um sicherzustellen, dass ich tatsächlich aufgestanden bin. So lange will ich nicht im Dunkeln neben dem Bett stehen.
Weitere Licht-Liege-Aufsteh-Beziehungen könnte ich mir selber ausdenken, aber meine Fantasie ist diesbezüglich erschöpft und mein Bedarf gedeckt. Eine smarte Heizung, die ich via Nokia Sleep automatisch regulieren könnte, habe ich nicht. Und mein Smartphone stummschalten lassen sobald ich ins Bett gehe, will ich nicht. Alles nette Spielereien und für einige Anwender sicher sinnvoll, aber für mich kein Kaufgrund.
Aufwachen, Nokia! Wo ist die Weckfunktion?
Was ich gerne hätte, ist eine intelligente Weckfunktion. Für einige Zeit habe ich mal mit einem Schlafphasenwecker geliebäugelt, wollte dann aber doch nicht mit Schweissband schlafen und so ein Teil neben dem Bett stehen haben.

Wenn Nokia Sleep schon meine Schlafphasen erfasst, warum kann ich mich dann über die App nicht zum günstigsten Zeitpunkt innerhalb eines vordefinierten Zeitraums wecken lassen? Mit der Nokia Steel HR geht das zum Beispiel seit einem Software-Update.
Ganz so genau nimmt Nokia Sleep es nicht
Im Laufe meiner Testwoche fällt mir mehrmals auf, dass Nokia Sleep gehörig daneben liegt. Einmal liege ich länger wach und schaue um 0:20 Uhr das letzte Mal auf den Wecker. Zu einer Zeit, in der mich irgendwo zwischen Leicht- und Tiefschlaf befunden haben soll. Ein anderes Mal stehe ich kurz auf, ohne dass meine Bettflucht registriert wird. Und ob ich morgens schon wach bin oder mich im Leichtschlaf herumwälze, konnte die Smartmatratze auch nicht zu 100% richtig unterscheiden. Vor der letzten Nacht kalibriere ich Nokia Sleep neu und installiere zum Vergleich als zweiten Nachtwächter die Gratis-Version der App «Sleep Cycle». Sie lauscht auf meinem Handy neben dem Bett mit.


Böses Erwachen
Nokias Health Mate kommt hübsch und aufgeräumt daher, aber Sleep Cycle erkennt zumindest genauer, wann ich aufgewacht bin. In dieser Basisdisziplin geschlagen zu werden, ist kein guter Arbeitsnachweis für Nokias Schlafwächter. Damit traue ich auch der Wochenauswertung nicht mehr wirklich über den Weg, die mir im Programm «Smarter schlafen» Informationen zur «Schlafhygiene» und meinem «sozialen Jetlag» liefert.


Fazit
Der Ansatz von Nokia Sleep ist interessant. Man muss nichts am Körper tragen und auch das Smartphone im Schlafzimmer nicht griffbereit haben. Einmal installiert und unter der Matratze verstaut, tut die Matte ihren Dienst – aber das eben nicht gut genug. Es mangelt mir an Messgenauigkeit und sinnvollen Einsatzmöglichkeiten für die Smart-Home-Funktionen. Das grösste Potential wird für mich mit der fehlenden Weckfunktion in der App verschenkt, weshalb Nokia Sleep nicht unter meiner Matratze bleiben darf.


Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.