
Ratgeber
Achtung, Paranuss-Fans: Die strahlende Schattenseite der Selen-Bombe
von Anna Sandner
Sogenannte Superfoods versprechen Gesundheit und Fitness. Dazu braucht es aber keine Acai-Beere aus dem Amazonas-Regenwald. Es reicht die gute alte Heidelbeere vom Gartenstrauch und andere heimische, gesunde Nahrungsmittel.
Sie kommen von weit her und gelten als unfassbar gesund: Superfoods. Quinoa, Acai, Chia & Co. überzeugen zwar mit einer Bandbreite an Nährstoffen, aber meistens werden sie aus Asien oder Südamerika importiert und belasten durch ihre weiten Transportwege nicht nur die Umwelt, sondern durch ihre hohen Preise auch deine Geldbörse.
Dabei stehen ihnen heimische Alternativen im Nährstoffangebot um nichts nach. Und besser noch: Sie können lokal angebaut werden, weisen oft eine geringere Pestizid-Belastung auf und sind deutlich günstiger als ihre exotischen Namens-Verwandten. Ob Sauerkraut, Heidelbeeren oder Leinsamen: Man muss das Rad nicht immer neu erfinden – sondern einfach einen Blick in den eigenen Garten werfen. Hier kommen die wichtigsten heimischen Superfoods für die gesunde, preis- und umweltfreundliche Küche.
Ab wann ein Lebensmittel zum Superfood wird, ist nicht einheitlich definiert. Der Begriff «Superfood» kommt aus dem Marketing und bezeichnet im Grunde nur ein Nahrungsmittel, dem ein besonders hohes Angebot an Nährstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen oder Antioxidantien zugesprochen wird. Das Europäische Informationszentrum für Lebensmittel (EUFIC) bezeichnet Superfoods daher auch als nichts anderes als «Lebensmittel, insbesondere Obst und Gemüse, die aufgrund ihres Nährstoffgehalts einen höheren gesundheitlichen Nutzen als andere Lebensmittel aufweisen.»
Allerdings kritisiert das EUFIC den Gesundheits-Hype rund um Superfoods: Zu Untersuchungszwecken würden Nähstoffe oft in einer Dosis untersucht, die der menschliche Körper ohnehin nicht aufnehmen kann. Plus: Die gesundheitsfördernden Wirkungen einer Ernährungsweise ließen sich kaum auf einzelne Lebensmittel herunterbrechen, sondern entstünden in einer ganzheitlichen, ausgewogenen Ernährung. Außerdem würden Langzeitstudien zu den Gesundheitsbenefits mit großen Stichproben fehlen, gibt das Universitätsspital Zürich zu bedenken.
Die deutsche Verbraucherzentrale sieht vor allem Superfoods aus dem fernen Ausland kritisch. Der gesundheitliche Mehrwert gegenüber heimischen Superfoods sei wissenschaftlich nicht bewiesen. Zudem müssten Lebensmittel aus den Anden, dem Amazonas oder aus China für den langen Transportweg besonders aufbereitet werden, zum Beispiel durch die Trocknung. Dabei gehe ein Teil der versprochenen Nährstoffdichte ohnehin wieder verloren.
2017 kaufte bereits jeder fünfte Schweizer und jede fünfte Schweizerin regelmäßig Superfoods, zum Beispiel Chia-Samen, wie die Statistik zeigt. Dabei schneiden diese exotischen Lebensmittel aus dem Ausland hinsichtlich Preis und Ökobilanz deutlich schlechter ab als ihre heimischen Pendants.
Weil sie einmal um die halbe Welt fliegen, sind Chia-Samen & Co mit einem deutlich höheren Ausstoß von Treibhausgas-Emissionen verbunden. Und damit sie sich über die Dauer des langen Transports auch frisch halten, weisen sie oft eine höhere Belastung durch Pestizide und Pflanzenschutzmitteln auf. So zeigen Laboruntersuchungen: Allein auf Gojibeeren wurden dreizehn verschiedene Pestizide wie auch Spuren von Blei nachgewiesen. Auch auf untersuchten Chia-Samen zeigten sich Pestizidrückstände, die in Europa gar nicht zugelassen sind.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace, wie auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnen vor den ökologischen und sozialen Folgen des westlichen Superfood-Booms – bis 2027 soll der Markt um weitere 41 Prozent wachsen – in den Produktionsländern:
Beispielsweise werden 90 Prozent des Quinoa-Ertrags aus den Anden exportiert. Anbautechniken vor Ort hätten sich daher von der Fruchtfolge zur Monokultur verändert und lokale Hersteller blieben auf den entstandenen Auswirkungen sitzen, zum Beispiel Wassermangel oder der Verlust fruchtbarer Böden.
Du musst Lebensmittel wie Avocados, Quinoa und Chia-Samen jetzt nicht ganz von deinem Speiseplan verbannen. Aber vielleicht willst du öfter auf Alternativen aus der Schweiz zurückgreifen. In dieser Liste findest du Schweizer Superfoods und wann sie Saison haben (oder du greifst in tiefgekühlter Form auf sie zu). Sieben wichtige stelle ich dir jetzt vor:
Du brauchst nicht 10 Schweizer Franken für Chia-Samen ausgeben, wenn du für einen Bruchteil des Preises auch dieselbe Menge Leinsamen kaufen kannst. Denn in ihrem Nähstoffangebot stehen die heimischen Leinsamen der importierten Saat aus Mexiko um nichts nach.
Leinsamen sind reich an pflanzlichen Omega-3-Fettsäuren, Proteinen und Kalzium. Sie sind zudem eine Quelle wertvoller Ballaststoffe, die wichtiger Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung und förderlich für eine gesunde Verdauung sind. Integrierst du Leinsamen regelmäßig in deine Ernährung, wirkt sich das positiv auf den Fett- und Cholesterinhaushalt aus.
Leinsamen eignen sich, wie Chia-Samen, als pflanzlicher Ei-Ersatz beispielsweise beim Backen. Weil sie in Wasser eingelegt eine gelartige Konsistenz bekommen, machen sie sich auch hervorragend in einem leckeren Porridge mit anderen heimischen Superfoods, zum Beispiel Haferflocken.
Nicht alles, was in Fässern hergestellt wird, ist gleich ein Superfood. Im Falle des Sauerkrauts stimmt es aber: Es enthält rund doppelt so viel Vitamin C wie ein Apfel und wurde daher schon früh von Seefahrern bei wochenlangen Überfahrten als Mittel gegen Skorbut – einem tödlichen Vitaminmangel – gegessen.
Heute erfreut sich das Sauerkraut einer Renaissance: Nicht nur sein Vitaminangebot überzeugt, auch die Zubereitungsart gilt als besonders gesund. Für den Fermentierungsprozess werden dem rohen Weißkohl Milchsäurebakterien beigesetzt – und die sind eine Wohltat für die Darmflora. Die beim Fermentieren entstehenden Probiotika (lebende Bakterien) reichern die Darmflora an, wie Untersuchungen zeigen, und machen sie gesünder und widerstandsfähiger gegenüber Erregern. Sauerkraut stärkt also eine gesunde Darmflora, ihre natürliche Immunabwehr, hält insgesamt fit und gesund und schmeckt in der kalten Jahreszeit besonders gut.
Kleine pflanzliche Vitamin- und Proteinbomben finden sich auch in der heimischen Erbse. Sie gehört zur Familie der Hülsenfrüchte und ist kalorien- und fettarm. In 100 Gramm stecken dagegen rund vier Gramm Ballaststoffe und sieben Gramm Eiweiß. Zudem enthalten Erbsen eine Bandbreite an Vitaminen zum Beispiel Vitamin E, B und Beta-Carotin aber auch Mineralstoffe wie Magnesium, Eisen, Kalzium und Zink. Ihr Mineralstoff- und Vitaminreichtum scheint Untersuchungen der Cambridge University zufolge Krankheiten wie Krebs vorzubeugen.
Weil sie als Püree und Aufstrich sehr gut schmeckt, eignet sich die Erbse sehr gut als Alternative zur Avocado. Aber auch in warmen Eintöpfen und Suppen macht sie sich sehr gut.
Nüsse sind gesund – so viel ist klar. Aber es müssen nicht immer die brasilianischen Cashew-Kerne sein. Manchmal tun es auch die Walnüsse aus dem Garten (oder von Galaxus). Sie sind wahre Energiebomben: Auf 100 Gramm kommen beachtliche 600 Kilokalorien, 60 Gramm Fett und 14 Gramm Eiweiß. Vor allem für die enthaltenen Omega-3-Fettsäuren ist die Walnuss bekannt: Diese Fettsäuren sind maßgeblich an der Bildung von Zellmembranen beteiligt, wirken antientzündlich und können Krankheiten wie Herzinfarkt, Lupus oder Arthritis vorbeugen, berichtet die Harvard School of Public Health.
Zusätzlich enthält die Walnuss Kalium, Kalzium, Magnesium, Phosphat, Eisen und Zink. Auch ihr Vitaminreichtum beeindruckt: Sie verfügt über Vitamin E, B1, B2, B6, Folsäure, Vitamin C und Beta-Carotin. Einsatzmöglichkeiten gibt es einige: morgens in deinem Müsli, als Topping in leckeren Cremesuppen oder für den nussigen Geschmack in Zimtschnecken, zum Beispiel.
Hirse gilt als ideales heimisches Pendant zu Quinoa, der ja, wie gesagt, einen weiten Weg bis nach Europa zurücklegen muss. Beide Getreidearten haben eine ähnliche Zubereitungszeit und sogar der Geschmack ist ähnlich. Wie Quinoa ist auch die Hirse reich an Eisen und Proteinen – mit dem wichtigen Unterschied, dass sie sogar in Zentraleuropa angebaut werden kann.
Hirse kann Untersuchungen zufolge Diabetes, Fettleibigkeit und Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems vorbeugen, was nicht zuletzt auf die darin enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe zurückzuführen ist.
Auch Gluten-Unverträgliche können aufatmen: Denn Hirse ist glutenfrei und kann daher ohne Einschränkungen verzehrt werden. In Eintöpfen, als bekömmlicher Ersatz zu Teigwaren oder sogar als Grundlage im Porridge macht sich die Hirse das ganze Jahr über sehr gut.
Wer es in den letzten Jahren geschafft hat, durch ein beliebiges Stadtzentrum zu spazieren, ohne dabei über unzählige Acai-Bowl-Angebote zu stolpern, kann sich glücklich schätzen. Denn die Acai-Beere war lange Zeit die Gallionsfigur der Superfood-Bewegung in Europa. Nicht ganz unbegründet: Schließlich enthält sie viele Antioxidantien, Magnesium und unzählige Vitamine. Ihr Import aus Brasilien überschattet allerdings die Idee der Superfood-Bewegung, sich super bewusst zu ernähren. Eine geeignete Alternative ist daher die heimische Heidelbeere.
Sie ist nicht nur kalorienarm, sondern reich an Vitamin C, Kalium, Zink, Folsäure und Eisen. Studien belegen sogar: Heidelbeeren senken den Blutdruck. Die darin enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe scheinen die Blutgefäße flexibel zu halten.
In einem gesunden Smoothie, im Müsli, Porridge oder einfach nur als Snack zwischendurch: Die Heidelbeere gehört zu den Stars der lokalen Superfoods.
Zu guter Letzt – aber nicht minder erwähnenswert – breche ich eine Lanze für den Spinat. Das Blattgemüse ist reich an Vitaminen der B-Gruppe, an Vitamin C und an Beta-Carotin, einer Vorstufe von Vitamin A. Zudem versorgt er deinen Körper mit Eisen, Magnesium, Kalzium und Kalium.
Spinat wird eine Reihe an gesundheitlichen Benefits zugesprochen. Die reichen von positiven Effekten auf die Augengesundheit, über die Reduktion von oxidativem Stress bis hin zu Studien, die ihm eine krebsvorbeugenden Wirkung bescheinigen.
Seine gesundheitsfördernde Wirkung macht Sinn: Tatsächlich gehört Spinat derselben Pflanzenfamilie wie das Superfood Quinoa an, kann aber in jedem Schweizer Garten wachsen. Und: Weil er beim Kochen deutlich an Volumen verliert, kannst du Spinat in großen Mengen in Eintöpfen, Suppen, Strudeln oder auch in Smoothies verwenden.
Ich liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party.