

Mode-Wörter: Was ist eigentlich ein Henley Shirt?
In der Mode-Welt kursieren ja so einige Begriffe, deren Bedeutung alles andere als offensichtlich ist. Darum lege ich hier und jetzt ein Wörterbuch an, in dem du Dinge wie Mules, Paperbag Pants und Duster Coat nachschlagen kannst. Los geht's mit dem Henley Shirt.
«Hast du eigentlich einen Geburtstagswunsch?», frage ich eine Freundin, die bald ein weiteres Jahr auf diesem Planeten zu feiern hat. «Nichts Spektakuläres, aber ich hätte gerne ein richtig schönes Henley Shirt.» Ähm?! Dass ich seit mehr als einem Jahrzehnt in Moderedaktionen arbeite und nun nicht die geringste Ahnung habe, wovon sie redet, ist etwas unangenehm. Natürlich hat sie die riesigen Fragezeichen in meinen Augen längst entdeckt und grinst: «Ich wusste bis vor Kurzem auch nicht, dass das so heisst. Ein Longsleeve mit Knopfleiste.» Schau an. Angeblich lernt man doch nie aus und in diesem Moment stelle ich mal wieder fest, dass das stimmt.
Später auf dem Heimweg fange ich also an zu googeln. Tatsache: Nachdem ich «Henley Shirt» in die Suchleiste tippe und Enter drücke, wimmelt es auf meinem Smartphonebildschirm nur so von schlichten Shirts, von deren Rundhalsausschnitt sich eine schmale Knopfleiste nach unten zieht. Aha. Das ist also ein «Henley Shirt». Ein sehr bescheidener Geburtstagswunsch – aber der sei mir natürlich Befehl. Mein Favorit (Bio-Baumwolle, Feinripp, weiss) ist schnell gefunden und mit ein paar Klicks bestellt. Abgeschlossen habe ich mit dem Thema deswegen aber noch nicht. Denn ich frage mich …
Wieso heisst das Henley Shirt eben genauso?
Die Antwort führt mich, wenig überraschend, nach England. Genauer gesagt nach Henley-on-Thames in Oxfordshire. Hier tat man schon immer, was man in einer Stadt am Fluss eben so tut: rudern. Irgendwann sogar professionell – also so richtig: 1839 fand in Henley-on-Thames die erste Royal Regatta statt. Klar, dass es für einen Event wie diesen früher oder später schnittige Trikots benötigt. Und wo zaubert man diese her? Aus der Unterwäscheschublade. Denn was Anfang des 19. Jahrhunderts untendrunter getragen wurde, war prädestiniert als Montur für körperliche Betätigung. Kein nerviger Kragen, der einem bei Wind und Wetter um die Ohren flattert, dafür aber eine kurze Knopfleiste am Ausschnitt, die eine angenehme Brise durchwehen lässt.

Quelle: Instagram @henleyroyalregatta
So schaffte es das schlichte, aber funktionale Oberteil also auf der Karriereleiter vom Unterhemd zur Sport- und Arbeitsbekleidung. Eine richtig saftige Beförderung gab es aber erst ein ganzes Jahrhundert später. Der Legende aka der Biografie von Designer Ralph Lauren nach, soll in den frühen 1970ern ein Einkäufer aus dem Hause Lauren besagte Unterhemden von einem britischen Händler angeboten bekommen haben – und sah gleich ihr bisher ungenutztes Potenzial. Die Shirts wurden gekauft, auf Vordermann gebracht und nach ihrem Herkunftsort benannt. Das Henley Shirt, wie wir es heute kennen, war geboren.
Was macht das Henley Shirt aus?
Die zwei wichtigsten Merkmale sind ganz klar der fehlende Kragen und die schmale Leiste mit etwa zwei bis fünf Knöpfen. Alles andere ist heute ganz den eigenen Vorlieben überlassen. Die Ärmel dürfen lang oder kurz sein, der Ausschnitt rund oder leicht v-förmig, das Material kann von Baumwolle über Jersey bis Seide variieren. Die beste Neuerung? Auch Frauen können inzwischen natürlich längst auf der Henley-Welle mitrudern.
In der Serie «Mode-Wörter» versuche ich regelmässig Licht ins Kommunikations-Dunkel zu bringen. Falls auch du manchmal lost in translation bist, kann ich bestimmt weiterhelfen – einfach mit deinem Input in die Kommentare sliden.
Immer zu haben für gute Hits, noch bessere Trips und klirrende Drinks.