

Freilauf, Freiheit und Sicherheit: So findest du deine Katze

Gute Nerven, eine optimale Eingewöhnung und Rücksichtnahme auf die tierischen Bedürfnisse: Das alles brauchst du, wenn du dich für den Freilauf deiner Katze entschieden hast. Und trotzdem gehen Katzen in Freiheit manchmal verloren. Was dann hilft.
Vorab: Jede Katze ist anders. Ganz egal, ob sie aus der Zucht, aus dem Heim oder aus dem x-ten Wurf vom Bauernhof kommt, egal, wie alt sie ist, ob weiblichen oder männlichen Geschlechts. Verschmust, distanziert, wild, tollpatschig, clever: Die Charaktere sind höchst unterschiedlich.
Natürlich kann man gewisse Beobachtungen anstellen, sofern man sich intensiv genug mit den Tieren befasst, selbst das Privileg hat, ihre Dosen zu öffnen und sich auch im Freundeskreis viele Fellnasen-Fans befinden. Kater sind oft anhänglicher, Kätzinnen freiheitsliebender. Wohnungskatzen legen mehr Wert auf die Nähe zum Rudel als jene, die kommen und gehen können, wann sie wollen. Und es gibt niemals eine Garantie, dass man als Mensch alles richtig macht – zu mindestens aber sollte man es versuchen. Katzen sind keine Deko, sie haben Bedürfnisse.
Über die artgerechte Haltung streiten sich Halterinnen und Halter mit Leidenschaft. Stubentiger oder Freiläufer? Ich habe mich vor gut 15 Jahren aus dem Bauch heraus für letzteres entscheiden – und damit die Natur des Tieres über mein nervliches Wohl gestellt. Da draußen lauern viele Gefahren, Autos, Hunde und anderes feindliches Getier, Keller, aus denen es kein Entrinnen mehr gibt und leider auch Menschen mit grausamen Zügen. Ob ich es heute wieder so machen würde? Nach dem Gespräch mit Claudia Kasper aus Wetzikon sehr wahrscheinlich: ja. Die erfahrene Tierpsychologin und Autorin gab mir wertvolle Tipps zu Freilaufkatzen und zum Suchen derselben, wenn sie mal ausbleiben.
Expertin Kasper weiß: «Der Freilauf ist artgerechter als das Leben als Wohnungskatze, sofern gewisse Bedingungen gewährleistet sind.» Gemeinsam haben wir erörtert, wie man möglichst lange eine schöne Zeit mit Freilaufkatzen verbringen kann. Denn immer wieder sehe ich die vielen Suchmeldungen auf Social Media, die Plakate mit Vermisstenanzeigen und das Leid der Menschen und der Tiere.
Gechipt und kastriert: die Basics
Ein Freiläufer sollte vom Tierarzt gechipt und dieser Chip auch registriert werden, damit ihr eure Fellnase identifizieren könnt, wenn sie gefunden wird. Fragt sicherheitshalber nach, ob das in der Praxis erledigt worden ist oder ihr selbst die Daten eingeben müsst. Ein Chip ohne Registrierung ist nutzlos. Ich persönlich spreche mich auch für eine Kastrationspflicht aus, ebenso wie Claudia Kasper. Warum? Vermehren sich Katzen übermäßig, bilden sich schnell große Populationen auf engem Raum (rein rechnerisch entsteht aus einem einzigen Katzenpaar binnen zehn Jahren eine Population von 80 Millionen Kätzchen!), viele sterben qualvoll, weil sie keine medizinische Versorgung erhalten oder nicht ausreichend Nahrung finden. Ja: Kitten sind putzig. Aber die Tierheime quellen über.
Der Freilauf der Katze: wie und wann?
«Der Idealfall? Ein Haus mit einem großem Naturgarten, der viele Verstecke bietet – und wer ganz ruhig schlafen möchte: katzensicher eingezäunt – oder zumindest in einer von Autos wenig frequentierten Grüngegend», sagt Kasper. Aber selbst dann kann es sein, dass die Katze verunglückt, entführt oder angefüttert wird oder sogar abwandert.
Wer sich für den Freilauf entscheidet, kann nie absolut sicher sein, dass das gemeinsame Glück nicht getrübt wird. Daher der dringende Rat der Expertin: «Drei Monate sollte die Katze drinnen bleiben. In dieser Zeit führt sie einen Geräusch-Scan ihrer Umgebung durch und beobachtet auch durchs Fenster die Gegebenheiten.» Was könnte passieren, wenn die Halterinnen oder Halter die Nerven verlieren und zu früh die Türen öffnen? Ein plötzliches, unbekanntes Geräusch – und wilde Flucht. «Mir ist klar, dass dieser Rat nicht allen gefallen wird. Weil die Tiere ins Freie drängen und diesen Wunsch auch mit entsprechender Dramatik ausdrücken. Aber mir geht es in erster Linie um das Wohl der Tiere, nicht um die Bequemlichkeit der Menschen.»
Was wird nach der Drei-Monats-Frist passieren? Flach wie eine Flunder, langsam und vorsichtig erkundet die Katze ihr neues Outdoor-Revier. Nach einer halben Stunde etwa soll man sie rufen – und das funktioniert umso besser, wenn sie hungrig ist. Also: Vor den ersten Freilauf-Versuchen nicht füttern. Außerdem wichtig: «Eine Katzenklappe. Die Fellnase muss gehen und kommen können, wann sie will. Haustür mal auf, mal zu, das grenzt an Tierquälerei. Wenn sich die Katze in Sicherheit bringen möchte, muss sie das jederzeit tun können.» Einzige Ausnahme? Silvester. «Wenn lautstark geböllert wird, sind meine Tiere für eine Nacht lang reine Stubentiger. Ein Schreck und sie sind weg.»
GPS-Tracking und Halsband
Bis zu dem Gespräch mit Tierpsychologin Kasper war ich skeptisch. Vor meinem inneren Auge manifestierten sich an Ästen baumelnde, strangulierte Katzen. Aber sie beruhigte mich, denn es gibt Halsbänder, die sich bei starkem Zug öffnen oder dank einem elastischen Teilstück sicher sind. Du kannst am Halsband deine Daten befestigen, noch besser ist ein GPS-Tracking-Chip.
Die Bindung ans Zuhause ist bei Freilaufkatzen sehr unterschiedlich. Einige bleiben ganz in der Nähe, andere entfernen sich kilometerweit von ihrem Daheim – dazu gibt es viele Studien, wie diese aus Österreich. Tracking (via implantierten Chip oder gechiptem Halsband) ist ein wunderbares Hilfsmittel bei der Suche: Mit dem Peilgerät lassen sich die Freiläufer orten. Man kann das Gebiet systematisch eingrenzen, dadurch stehen die Chancen sehr gut, insbesondere ein verletztes Tier, das es aus eigener Kraft nicht mehr nach Hause schafft, innert nützlicher Frist wiederzufinden. Außerdem trägt es zur eigenen Beruhigung bei, da man kontrollieren kann, ob es sich gerade in der Nähe aufhält.


Invoxia Pet GPS-Tracker
Hund, Katze, Allgemein

Trixie Katzenhalsband mit Adresslasche
One Size, Katze, Allgemein
Aber eine hundertprozentige Sicherheit, die gibt es nicht: «Einmal hatte meine Katze das Halsband vermutlich bei einer Rauferei verloren», erzählt Kasper. «Ich fischte es schließlich mit einem langen Stock aus einem unterirdischen Fuchsbau im Wald – das fand ich schon sehr spektakulär. Trotzdem schwöre ich auf das Peilgerät und würde nie mehr eine meiner Katzen ohne Senderhalsband aus dem Haus lassen. Meine derzeitige Katze ist ein extremer Freigeist, sodass ich sie häufig daran erinnern muss, dass es Zeit ist, nach Hause zu kommen.»
Ist meine Katze abgewandert?
Taucht eine Katze plötzlich nicht mehr auf, kann das zahlreiche Gründe haben: Vielleicht hat sie sich im Schuppen in der Nachbarschaft versteckt, vielleicht ist sie sogar in ein unbewohntes Haus eingebrochen und findet nicht mehr hinaus. Vielleicht ist sie verletzt oder erkrankt und hat sich verkrochen. Vielleicht ist sie – und das muss leider offen ausgesprochen werden – verunglückt oder überfahren worden. Vielleicht genießt sie einfach ihre Freiheit in vollen Zügen und erweitert ihr Revier. Vielleicht ist sie von jemandem angefüttert worden.
Es kann aber auch passieren, das Freiläufer abwandern. «Ungeliebte Veränderungen – wie etwa ein Baby oder ein neuer Hund – sind die häufigsten Ursachen dafür. Auch Revierprobleme mit Nachbarskatzen können dazu führen, dass der Katze nichts anderes übrig bleibt als abzuwandern», so Kasper: «Ein aus Katzensicht reizvoll eingerichtetes Zuhause und eine gute Beziehung zum Menschen machen das Abwandern unwahrscheinlicher. Wenn man sein Tier nicht verlieren möchte, sind persönliches Engagement und Wille zur Veränderung gefragt. Vorübergehend konsequenter Hausarrest und das Eingehen auf die Bedürfnisse sind die wichtigsten Maßnahmen, damit das eigene Heim wieder als solches wahrgenommen wird.»
Plakate und Rundgänge: Die ideale Suche
Die Katze kommt also nicht heim – jetzt ist es Zeit aktiv zu werden. Und zwar je nach Charakter nach zwei, drei Tagen ohne Sichtung. Bevor du aber in regionalen Gruppen auf Social Media und mit Plakaten in deiner Umgebung aktiv wirst, melde dich zuerst bei der Schweizerischen Tiermeldezentrale. Hier kannst du Vermissten- und Fundmeldungen erstellen und erhältst noch dazu wertvolle Tipps für deine Suchaktionen.
Wie sieht das ideale «Fahndungsplakat» aus? Farbfotos (frontal, Körper) sind von Vorteil, besonders wichtig ist der Text. Darin sollte stehen, wann und wo deine (hoffentlich gechipte) Katze entlaufen ist und wie man dich erreichen kann. Folgende Daten zur Katze selbst sollten angegeben werden: Geschlecht, Alter, Körperbau, Rasse, Fell-Musterung, besondere Merkmale und gesundheitliche Bedürfnisse. Ob Finderlohn oder nicht, musst du entscheiden. Plakatieren ist übrigens so halb-legal – drauf gepfiffen.
Auch Suchaktionen per Pedes lohnen sich. Gehe nachts, wenn die Umgebungsgeräusche nicht zu laut sind, rufe laut und deutlich den Namen der Katze und raschle mit den Leckerli-Sackerl. Gehe in konzentrischen Kreisen um dein Zuhause. Mein Kater Wagner war einmal bei bitterster Kälte eine Woche lang weg, ich habe mir die Seele aus dem Leib gerufen. Eines Tages saß er am Sofa und tat so als wäre nichts gewesen.
Bitte ausserdem deine Nachbarinnen und Nachbarn, ob sie in ihren Kellern, Dachböden und Schuppen nachsehen können, ob sich dein Tier dort versteckt hält oder nicht mehr entkommen kann. Noch besser: Sie lassen dich selbst ebendort ein Weilchen rufen – auf deine Stimme hört deine Katze viel wahrscheinlicher als auf Fremde.
Titelbild: Zhang Kaiyv via unsplash

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