

Ford F-150 Shelby: 200km grosser blöder Spass

Der Ford F-150 ist gross. Die Shelby-Version ist grösser. Und stärker. Viel stärker. Der Pickup Truck hat 755 PS und ergibt keinen Sinn. Trotzdem: Ich liebe ihn heiss.
Sind wir ehrlich: Der Ford F-150 ergibt keinen logischen Sinn auf Schweizer Strassen. Es gibt für praktisch jeden Einsatzzweck, mit dem Ford wirbt, eine vernünftigere Lösung. Noch absurder wird der F-150, wenn die Engineers beim Performance-Label Shelby sich das Fahrzeug vorknöpfen.
Das Resultat ist ein Gefährt mit 755 PS auf zweieinhalb Tonnen Gewicht. Fünf Sitzplätze und eine Ladefläche. Die Motorhaube ist auf 1.70m Höhe. Auf die 755 PS kommen ein Verbrauch von 19.5l Benzin auf 100km in der Stadt und 11.8l über Land. Und nein, die Zahlen werden nicht vernünftiger aussehen, je länger du sie ansiehst. Das ergibt einen Ausstoss von 380 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer und ein Label «Energieeffizienzklasse G». Ich wusste gar nicht, dass die Klassen bis G gehen.
Ein Fahrzeug für Amerikaner. Oder Liebhaber. Anscheinend.

Die Zündschlüssel sind in meiner Hand. Der F-150 Shelby mit all seinen Pferdestärken ist meiner. Für einen Tag nur. Und nur für 200 Kilometer. Denn das Auto ist ein Liebhaberobjekt. Jeder Kilometer, den ich damit fahre, lässt den Verkaufspreis und den Wert schrumpfen. Von Kratzern und Unfällen wollen wir gar nicht reden.

Die ersten Meter
Wo wir schon mal ehrlich sind, muss ich eines zugeben: Der Shelby macht mir etwas Angst. Das Gefährt ist riesig. Alles an dem Auto ist gross. Ja, rechtlich ist das Teil, das vom Motor her nach Lastwagen klingt, ein Auto. Ich verstehe nicht, weshalb ich das mit einem B-Ausweis fahren darf. Oder soll. Trotzdem: Ich beschwere mich nicht. Denn wie oft hast du die Gelegenheit, so einen Truck zu fahren?

Ich drücke den Zündknopf, der Computer startet auf. Ein Ford-Logo und eine hässliche Ford-Software erscheint auf dem Bildschirm im Armaturenbrett. Grauenhaft. Android Auto übernimmt, da ich mein Huawei P30 Pro mit dem Auto verbunden habe. Besser. Der Motor brummt auf. Von einem Truck würde ich im Stand ein zufriedenes, bäriges Brummen erwarten. Der Shelby aber klingt böser. Da ist eine Art tiefes Heulen unter dem Brummen. Etwas, das losgelassen werden will.
Vom Aufbau her ist die Shelby-Edition des F-150 so ein Cousin des Standard F-150. Die Tuner-Firma Shelby hat sich so ziemlich jedes Bauteil des Fahrzeugs vorgeknöpft. Die Stossdämpfer sind ersetzt worden durch Fox Shocks, die sonst bei Rennwagen zum Einsatz kommen. Ein Whipple Supercharger sorgt dafür, dass die Kraft schnell und konzentriert losgelassen werden kann. Und er verdoppelt mal eben schnell die PS. Dazu eine Auspuffanlage von Borla. Dem Geräusch nach eine leicht schallgedämpfte Version der Touring-Auspuffanlage. Ist wohl zu laut für die Schweiz.
Ich schalte ins D; der Ford F-150 Shelby ist ein Automat. Ich tippe aufs Gas. Viel musst du dem Shelby nicht geben, bis er sich ziemlich schnell bewegt. Ich setze den Blinker und biege vom Hof bei Auto Kunz auf die Strasse.
Ich mach mal einen auf Dorfkern
Nach nur wenigen hundert Metern verfliegt die Angst. Denn der Shelby macht Spass. Klar, ich habe noch nie etwas von dieser Grösse gefahren, das auch noch so viel Kraft hat, aber der Shelby kann ganz freundlich sein, wenn er will. Er kann auch ganz gut anders. Für das «anders» habe ich mir eine längere Grade abseits einer Autobahn hinter Beromünster ausgesucht. Um dahin zu gelangen, muss ich durch Beromünster durch.
Woher sollte ich denn auch wissen, wie eng das da ist?

Okay, mit dem Shelby ist alles eng. Das merke ich noch vor Beromünster. Auf einer ganz normalen Strasse nehme ich easy die ganze rechte Spur ein. Auf engen Strassen kommt gut und gerne noch die halbe linke Spur dazu. Zweimal muss ich an den Rand fahren und einen anderen SUV – einer davon ein schnüsig kleiner Ford Ranger – passieren lassen. Beide male lächeln mich der Mann und die Frau hinter dem Steuer an. Ich winke zurück.
In Beromünster fällt mir dann vollends auf, dass der Schweizer Verkehr sich mit mir über den F-150 freut. Ja, das Teil ist gross. Ja, es nimmt viel zu viel Platz ein. Ja, manövrieren ist schier unmöglich. Nein, der Shelby mag enge Kurven nicht. Ecken schon gar nicht und Parkplätze nur dann, wenn sie nur halb belegt sind. Aber die Schweizer mögen das Gefährt.

Ich winke Kindern in Beromünster zurück, lache Erwachsene an und hebe dankbar zwei Finger in Richtung andere Autofahrer, die mich machen lassen. Denn in Beromünster fahre ich nicht durchs Dorfzentrum. In Beromünster bin ich das Dorfzentrum.
Ich bin mir sicher, dass kein Schweizer einen Shelby in seiner Nachbarschaft will. Denn die meisten Verkehrsteilnehmer hören mich, bevor sie mich sehen.
So auch ein Motorradfahrer hinter Entlebuch. Ich will eigentlich zur Migros, eine Cola und ein Sandwich kaufen, aber ich habe die Abzweigung verpasst. Kein Problem, denn da kommt ein Kreisel auf mich zu. Da kann ich locker wenden, ohne, dass ich den gesamten Verkehr blockiere.
Der Töfffahrer wartet auf seine Einfahrt in den Kreisel, hört mich bevor er mich sieht. Dreht den Kopf in meine Richtung. Er erschrickt ein bisschen. Dann, so bin ich mir sicher, ein Grinsen hinter seinem Helm. Er hebt die rechte Hand, ballt sie zur Faust und streckt den Daumen hoch. Ich winke zurück und lache.
Pedal runter
Es stellt sich hinter Beromünster nur noch eine Frage: Wie fühlen sich 755 PS an? Die Antwort liefert eine längere Gerade. Nachdem ich herausgefunden habe, dass der Shelby ohne Ladung im Zweiradantrieb praktisch unfahrbar ist, da er an jeder Kreuzung als Heckschleuder durchspult, fahre ich im Vierradantrieb weiter. So klebt er am Boden, der F-150.
Auf der längeren Gerade, weiss ich, ist Tempo 80. Sie ist abgelegen. Hinter mir kommt nichts. Vor mir weit und breit auch nichts. Du siehst, worauf das hinausläuft…
Kickdown.

Der Whipple Supercharger tut sein Ding. Er heult auf, schrill und aggressiv. Dann die Entladung. Die 755 PS werden hart in den Teer gedrückt. Mich drückt es in den Sitz. Obwohl der Shelby von 0 auf 100 verhältnismässig lange 7.6 Sekunden braucht, hat er doch Kraft. Sie scheint unendlich, denn bis ich die plusminus 80 km/h erreicht habe, habe ich nicht das Gefühl, dass der Shelby ausgereizt ist. Ich habe Gänsehaut.
Als ich am Ende der Ausfahrt wieder auf den Parkplatz bei Auto Kunz fahre, die Räder dreckig, die Seitentüren leicht verspritzt, wird mir eines klar: Ich will nie wieder etwas anderes fahren. Klar, der Truck ist gross und dumm und völlig übermotorisiert, ein umwelttechnischer Alptraum und knapp manövrierbar.
Aber er hat einen Liebhaber mehr. Die unbändige Kraft, der Platz, der schiere blöde Spass beim Fahren… Ja, Ford und Shelby, da habt ihr was Grossartiges gemacht.
So. Fertig. Ich fahr wieder was Kleineres. Und ein Dank an Arag, dass ich mit dem Truck in der Kiesgrube rumfahren durfte.


Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.