
Hintergrund
Mein E-Bike-Test endet mit einem Rüffel vom Velo-Mech für mich
von Martin Jungfer
Ein gutes E-Bike kostet eine Stange Geld. Je nach Ausstattung könnte man sich alternativ für ähnlich viel Bares ein kleines Auto anschaffen. Und wenn das E-Bike häufig genutzt wird, hat man hohe, wiederkehrende Stromkosten. Oder stosse ich da gerade einen Mythos an, den es eigentlich gar nicht gibt?
Bei trockenen Bedingungen zieht es mich nach der Arbeit meist nach draussen. Am liebsten schwinge ich mich auf den «Graugöppu» (Mein selbst gebautes E-Bike aus der Serie Pedalato), setze den Turbo-Modus ein und befahre ein paar Hügel rund um Einsiedeln. In der voralpinen Landschaft rund um den Sihlsee gibt es genügend von ihnen. Der Akku, nach rund 1500 Höhenmetern schon fast am Ende, bringt mich gerade noch so nach Hause.
Wie so oft stecke ich, ohne mir weitere Gedanken zu machen, das Netzteil in die Wand und das andere Ende an die Ladebuchse im Rahmen. Der 840 Wh (Wattstunden) grosse Akku braucht Saft für die nächste Tour. Auf dem Weg von der Garage in die Wohnung bringt der Blick in den Briefkasten eine viel zu teure Rechnung vom Elektrizitätswerk zum Vorschein. Beim Studieren der Rechnung frage ich mich zum ersten Mal, was meine feierabendlichen E-Bike-Runden kosten. Sind das ein paar Franken oder doch nur ein paar Rappen?
Kennst du deine Akkukapazität sowie die Preise deines Stromanbieters, lassen sich die Kosten einer Akkuladung leicht berechnen. Die Kapazität der E-Bike-Batterien sind meist in Wattstunden angegeben. Strom aus der Steckdose bezahlen wir in Kilowattstunden. Die Akkukapazität rechnen wir in Kilowattstunden um und multiplizieren diesen Wert mit dem Preis pro Kilowattstunde. Dadurch ergibt sich ein Preis in Rappen für eine volle Akkuladung.
Akkukapazität in kWh x Tarif pro Kilowattstunde = effektive Kosten für eine Akkuladung
In meinem Fall sieht die Rechnung folgendermassen aus: Die Tarife lese ich aus einer Tabelle auf der Website meines Netzbetreibers.
0.84 kWh (840 Wh) x 24.36 Rp/kWh = 20.46 Rappen
Das ist die Theorie. In der Praxis ist meine Batterie nie völlig leer. Der Motor benötigt eine gewisse Spannung, um überhaupt betrieben werden zu können und im Idealfall plane ich meine Tour so, dass ich mit etwas Restkapazität nach Hause komme. Daher runde ich den Betrag für weitere Rechenbeispiele auf 20 Rappen ab.
Mit rund 20 Rappen pro Akkuladung fällt mein E-Bike nicht stark ins Gewicht meiner Stromabrechnung. Ich lade meinen Akku zwei bis drei Mal pro Monat. Vorwiegend in den wärmeren Jahreszeiten. Wenn ich während acht Monaten pro Jahr mein E-Bike regelmässig nutze, kostet es mich somit knapp fünf Franken jährlich. Das ist in meinem Fall ein zu vernachlässigbarer Betrag.
Es soll Menschen geben, die das ganze Jahr über mit einem E-Bike zur Arbeit pendeln. Bei einem fiktiven Arbeitsweg von 15 Kilometern legt eine Pendlerin 30 km pro Tag oder 150 km pro Woche zurück. Bei voller Unterstützung sowie geteertem Untergrund ohne grosse Steigungen kommt ein modernes Bike mit einer Ladung 70 bis 80 km weit. Das Pedelec müsste so rund zweimal pro Woche geladen werden. Das ergibt schlanke 40 Rappen pro Woche. Im 52 Wochen dauernden Jahr sind das vernachlässigbare 21 Franken. Und das bei einer rein hypothetischen Rechnung, in der die Person ohne Ferien oder Krankheitstage ein ganzes Jahr durchfahren würde. In der Realität machen die Schweizer fünf Wochen Ferien im Jahr, sind ein paar Tage krank oder können ab und zu Homeoffice machen. Die effektiven Kosten muss jeder und jede für sich berechnen. Aber ganz egal, wie häufig das E-Bike schlussendlich benutzt wird oder wie stark die Strompreise schwanken, gross ins Gewicht fallen die Kosten nicht. Unterhaltsarbeiten wie regelmässiges wechseln von Bremsbelägen oder Reifen fallen deutlich mehr ins Geld.
Da ich jetzt weiss, dass der Stromverbrauch so ziemlich meine geringste Sorge mit dem E-Bike ist, frage ich mich, wie ich die Lebensdauer des Akkus verlängern kann. Ein Akku von Bosch kostet 700 - 900 Franken. Das No-name-Modell des «Graugöppu» ist mit rund 350 Franken vergleichsweise günstig. Indem ich das Akku-Leben möglichst lang erhalten kann, spare ich Kosten und minimiere gleichzeitig den ökologischen Schaden.
Um mehr über die Lagerung und den Verschleiss zu erfahren, habe ich beim Mech meines Vertrauens nachgefragt. Philipp Kälin vom Veloeggä sagt mir Folgendes: «Die Akkus sind sehr einfach zu handhaben und es gibt nur wenige Dinge, die beachtet werden müssen. Um den Akku möglichst lange in gutem Zustand zu halten, lohnt es sich, ihn in den Wintermonaten bei einer Ladung zwischen 30 und 60% im kühlen Keller zu lagern.» Noch nie in seiner Karriere musste Philipp einen Akku tauschen, weil die Kapazität ungenügend war.
Mit einem Prüfgerät testet sein Team regelmässig Akkus von Kundinnen und Kunden, die das Gefühl haben, der Akku sei schwächer geworden. «Auch nach 5-6 Jahren und 140 oder mehr Ladezyklen konnten wir noch nie eine Kapazität von weniger als 85% des Originalwerts messen.» Will heissen, ein E-Bike-Akku ist wartungsärmer als jedes andere Teil am Bike. Meist, so vermutet Philipp, haben die E-Biker den Eindruck, der Akku sei schwächer geworden, weil sie zusammen mit modernen Bikes, die eine grössere Akkukapazität haben, unterwegs sind. Wenn deren Reichweite höher ist, kommt das einfach daher, dass die Technologie weiter fortgeschritten ist. Die Akkus weisen eine höhere Leistungsdichte auf und die Motoren arbeiten stromsparender.
Spätestens jetzt weiss ich, dass das Teuerste an einem E-Bike immer dessen Anschaffung und nicht die vernachlässigbaren Energiekosten sind. Meine nächste Ausfahrt geniesse ich, ganz ohne mir Gedanken über die Strompreise und den Akkuverschleiss zu machen. So, Feierabend: Ich bin dann mal raus.
Titelfoto: Manuel WenkAls Multimedia-Produzent ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, Inhalte auf vielfältige Art und Weise aufzubereiten. In meiner Freizeit zieht es mich in die Berge, sei es zum Skifahren, Mountainbiken oder Wandern. Und natürlich habe ich meine Kamera immer griffbereit, genauso wie meine FPV-Drohne.