
Die Bürstenfalle

Mir graust es vor jedem Umzug. Nicht etwa wegen den logistischen Anforderungen, sondern wegen der Toilettenbürste. Genauer: der Toilettenbürste meiner Vormieter.
Beim ersten Putzen der Toilette zeigt sich, was für eine Bürste die Vormieter hatten: Findet man unter dem Rand braune Überbleibsel der Vorgänger, hatten diese sehr wahrscheinlich nur einen Borstenkopf auf der Bürste. Klingt eklig? Ist es auch. Und deshalb gehören solche Bürsten auch verboten! Schliesslich fasse ich bei der Wohnungsübergabe nicht unter den Rand, um zu kontrollieren, ob alles sauber ist. Mit der richtigen Bürste würde das nicht passieren (falls meine aktuellen Vormieter das lesen: Das bezieht sich nicht auf euch, ihr habt super geputzt.). Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es unter dem Rand von öffentlichen Toiletten aussieht, die mit einer Nein-Bürste gereinigt werden. Den Gedanken daran finde ich im wahrsten Sinne des Wortes scheisse. So, das war jetzt das erste und letzte Mal, dass ich dieses böse Wort verwende.

Unverständnis
Während dem ich die Toilette schrubbe, stelle ich mir die Fragen: Wieso kaufen Menschen Toilettenbürsten ohne Borsten, um unter dem Rand zu säubern? Und noch wichtiger: Wer entwickelt/verkauft kopflose Bürsten, die zur Reinigung komplett unnütz sind? Aus ästhetischen Gründen stelle ich mir lieber Potpourri ins Bad, statt eines Stabs mit Borsten (die Zahnbürste bewahre ich aus hygienischen Gründen sowieso im Spiegelschrank auf).
Anscheinend ist auch Galaxus in die Bürstenfalle getappt. Ein Blick ins Sortiment zeigt: Die meisten Toilettenbürsten haben nur einen Bürstenkopf. Vor allem Produkte, die auf Design ausgelegt sind, verzichten auf den zusätzlichen Borstenkopf. Und die Dinger sind dann noch schweineteuer. Wenn es um Hygiene geht, sollte doch wirklich Funktion vor Form stehen.
Xylospongium
Man könnte meinen, dass die Toilettenbürsteningenieure wissen sollten, wie man unter dem Rand reinigt. Umso mehr, da die WC-Bürste eine lange Vergangenheit hat. Bereits in der Antike haben die Menschen das Xylospongium, der Vorreiter der Toilettenbürste, zum sekundären Reinigen ihrer Aborte benutzt. Es bestand aus einem Stock und einem Schwamm. Dass die korrekte Verwendung zu jener Zeit nicht jedem bewusst war, scheint einzuleuchten. So hat sich laut dem römischen Philosophen Seneca ein germanischer Gladiator das Leben genommen, indem er sich den Stecken in den Schlund trieb (mir wird nur schon beim Gedanken daran schlecht). Wie das Xylospongium verwendet wurde, war übrigens auch Thema wissenschaftlicher Debatten. Es wurde beispielsweise lange angenommen, dass es für die Reinigung des Allerwertesten gebraucht wurde. Wie dem auch sei, heute ist den meisten Menschen, zumindest in unseren Breitengraden, bewusst, wozu die WC-Bürste da ist. Obwohl gewisse Piktogramme auf Toiletten auch einen anderen Schluss zulassen.

Welche Toilettenbürste ist die richtige?
Wie man dem vorher Geschriebenen entnehmen kann, rate ich vom Kauf einer WC-Bürste ohne zusätzlichen Kopf ab. Wem es dennoch wichtig ist, eine stylishe Bürste in der Toilette stehen zu haben, kann sich ja für die korrekte Reinigung ein zusätzliches Exemplar kaufen. Obwohl, wo bewahrt man das Ding dann auf? Mich gruselt vor jedem Aufbewahrungsort, wenn nicht im Ständer. Deshalb: Lieber Funktion vor Form stellen. Auf was ich beim Kauf einer WC-Bürste sonst noch achte, verrate ich im Folgenden.
Unterschiedliche Borsten
Heutige Bürsten bestehen meistens aus Kunststoffborsten. Der Nachteil dieser Borsten ist – je nach Verarbeitung –, dass die Borsten schnell aus der Form geraten. Zudem verfangen sich in den Borsten gerne Klopapierreste und andere Rückstände. Von diesen sind Kunststoffborsten auch nur schwer zu reinigen. Da sie relativ günstig sind, ersetzt man sie dann einfach. Das macht sie nicht sonderlich umweltfreundlich. Früher wurden Borsten aus Wurzelholz hergestellt. Wo die Kunststoffborsten sündigen, glänzen die Wurzelborsten: Sie sind recyclierbar und können auch besser gereinigt werden. Weg vom Borstenprinzip gehen Silikonlamellen. In ihnen kann sich nichts verfangen und Silikon ist leicht zu reinigen. Sie sind wohl die mit Abstand hygienisten Köpfe.
Sti(e)lecht
Der richtige Grip ist beim Stiel Pflicht. Wer rutscht beim Toilettenputzen schon gerne ab und tüncht seine Hand in die Klobrühe? Der Stiel sollte zudem auch bruchfest sein. Wenn man mal etwas mehr Druck ausüben muss, sollte der Stengel schon was aushalten, sonst landet man kopfüber in der Toilettenschüssel. Ein bisschen beweglich sollte aber der Kopf sein, schliesslich will man auch weit entfernte Stellen in der Schüssel reinigen.
Halten was sie versprechen: Halterungen
Wie kann man sich bei der Toilettenbürste optisch am besten von der Masse abheben? Mit der Halterung. Hier machen viele Hersteller vieles falsch und setzen alles auf die Karte Design. Aber der Reihe nach. Es lassen sich zwei Grundtypen von Halterungen unterscheiden: Freistehende und fest gemachte. Vorteil der Freistehenden ist, dass man sie verschieben kann und auch öfter mal was Neues ins Bad stellen kann. Bei den festgemachten hat man diese Möglichkeit nicht. Dafür schweben die meisten festgemachten Halterungen in der Luft. Zum Putzen muss man sie also nicht jedes Mal wegräumen. Die Reinigung der festgemachten Halterungen ist je nach Modell nicht ganz einfach. Hier sollte darauf geachtet werden, dass die Designer auch bezüglich Reinigungsmöglichkeiten mitgedacht haben.
Die Halterungen können offen oder geschlossen sein. Geschlossene Behälter sind nicht ganz einfach zu reinigen. Durch den Deckel können sich unangenehme Gerüche stauen. Zudem stehen in einigen geschlossenen Behältern die Bürstenköpfe im Abwasser und wer steht schon gerne ungeschützt im Abwasser? Das ist ziemlich unhygienisch und entbehrt jeglicher Logik für die Reinigung, da Schmutz und Bakterien jedes Mal wieder schön verteilt werden. Besser sind offene Behälter. Hier können die Bürstenköpfe trocknen und abtropfen, wenn sie denn in eine Aufhängung gesteckt werden. Auch bei den offenen Halterungen gibt es Sünder, in denen die Köpfe im Abwasser vor sich hingammeln. Wenn sich die Abtropfschale separat zur Reinigung entfernen lässt, haben die Designer mitgedacht.
Fazit
Nehme ich mir alle diese Kriterien zu Herzen, bleiben nicht mehr viele potenzielle Toilettenbürsten aus dem Galaxus-Sortiment übrig. Vor allem die «Designer-Stücke» fallen alle weg. Die wenigen Modelle aus Silikon genügen meinen weiteren Ansprüchen nicht. Ich würde am ehesten zu einem klassischen Modell tendieren und in Bezug auf die Umweltverträglichkeit ein Auge zudrücken. Auf schönes Design muss ich leider verzichten, dafür hinterlasse ich meinen Nachmietern auch keine ungewollten Geschenke. Vielleicht sollte ich mir ein zweites Standbein als Toilettenbürsten-Designer aufbauen …


Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.