

Der Nackenstrecker als Antwort auf eine peinliche Selbstbefragung

Der Quick Aid Nackenstrecker soll Entspannung bringen. Zunächst einmal spannt er mich jedoch auf die Folter. Willkommen im Kellerverlies meines Kopfkinos.
Der eindrücklichste Museumsbesuch meiner Kindheit führte ins Mittelalterliche Kriminalmuseum zu Rothenburg ob der Tauber. Kellergewölbe. Abteilung Verfahrensbeginn, Beweisverfahren und Folter. Ich bin überrascht, dass mir dieser Besuch viele Jahre später im Zusammenhang mit einem kleinen Entspannungshelfer aus Kunststoff in den Sinn kommt. Was daran liegt, dass er «Nackenstrecker» heisst. Da ist es in meinem Hirn nicht mehr weit bis zur Streckbank. Eine Google-Suche später verkrampft sich mein Nacken noch mehr als ohnehin schon. Gut, dass diese Zeiten zumindest bei uns vorbei sind.

Quelle: gemeinfrei
Das Foltergerät, vor dem ich regelmässig sitze, heisst Computer und ist in der Wirkung viel subtiler. Einerseits sacke ich über Stunden davor zusammen. Andererseits überlädt es mir den Kopf mit Optionen und Informationen. Ich lerne einiges über Streckbänke. Zum Beispiel, dass die darauf verwendeten mit Stacheln besetzten Folterrollen «gespickter Hase» heissen und bei der «peinlichen Befragung» eingesetzt wurden. Alles nur, weil ich beim Quick Aid Nackenstrecker gedanklich falsch abgebogen bin.
Peinlich, peinlich
Damals wurde die Pein in peinlich noch wörtlich genommen. Heute kommt der Schmerz schleichend und verweichlicht, in Form von Verspannungen. Und wir begegnen ihm softer. Mit Massagerollen oder Nackenstreckern.

Meist nur für ein paar Minuten täglich und mit Gewissensbissen: Was habe ich mir da wieder angetan? Kann ich in zehn Minuten geradebiegen, was ich in den 12 Stunden davor krumm vor dem Bildschirm und geknickt am Smartphone verbockt habe? Ist etwas Hartplastik mit Metallpunkten unter der Halswirbelsäule Abzocke oder funktioniert der Ablasshandel?
Im ersten Moment tut es schon ein bisschen weh, den Nackenstrecker aus der Verpackung zu nehmen. Weil doch sehr wenig dran ist. Aber nachdem ich ein paar Minuten darauf liegend verbracht habe, tut er, was er tun soll: Er tut gut.

Gegen Gefühle lässt sich schlecht argumentieren. Reihenweise Menschen aus der Community finden: Yep, war eine gute Idee, dafür Geld in die Hand zu nehmen. «Produkt hält, was es verspricht» – «Geheimtipp gegen Nackenschmerzen» – «es funktioniert», so schreiben sie aus freien Stücken über ihre Erfahrungen mit dem Nackenstrecker. 30 Bewertungen. 4,6 Sterne.

Ja, es funktioniert. Der Nackenstrecker streckt deinen Nacken und piekst nicht annähernd so, wie die Optik den Anschein erweckt. Damit gehört er zur immer kleiner werdenden Gruppe der Dinge, die schlicht nach ihrer Funktion benannt sind. Das tut ebenfalls gut. Und liest sich nicht so zynisch wie «gespickter Hase». Namen wie dieser «lassen, wenn nicht auf Hohn, so doch auf einen grausamen Scherz schliessen, den man sich gegen die bedauerungswerthen Opfer erlaubte», hielt ein Zeitzeuge fest.
Opfer der eigenen Gewohnheiten
Heute sind die meisten von uns zum Glück nur Opfer der eigenen Gewohnheiten, die wir uns eingestehen und dagegen vorgehen können. Die Frage, ob du zur Zielgruppe eines Nackenstreckers gehörst, kannst du dir nur selbst beantworten. In einer peinlichen Selbstbefragung. Nacken verspannt? Ja? Innerer Schweinehund zu stark, um aktiv zu trainieren? Ja? Dann kann ein Verspannungslöser natürlich hilfreich sein. Mich hat er nur anfangs verkrampft. Mit Wellness im Sinn im Folterkeller meines Kopfkinos landen – ich sollte dringend auf andere Gedanken kommen.


Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.