Rondo Mylc CF1
Das Rondo «Mylc CF1» will Mountainbiker zum Graveln bekehren
Nichts weniger als die Neudefinition dessen, was mit einem Gravelbike fahrbar ist. Dies verspricht der polnische Hersteller Rondo mit den Bikes aus der Mylc-Reihe. Das «CF1» ist mit seiner aussergewöhnlichen Rahmenkonstruktion eine Herausforderung.
Raphael Böni hebt die Augenbrauen, als ich mit dem «Mylc CF1» von Rondo zum Termin in der Basler Crossklinik erscheine. Der studierte Sportwissenschaftler mit Weiterbildungen im Bereich Bikefitting hatte bereits vor einem Jahr das «Revolt 0» von Giant auf meine Masse eingestellt.
Und er hebt nicht nur die Augenbrauen, sondern meint mit Blick auf den Rahmen des «CF1»: «Das sieht ja ein bisschen aus wie ein Motorrad.» Diesen Satz wird er während des rund dreistündigen Fittings mit dem 3D-Motion-Capture-System von Retül inklusive Satteldruckmessung mit gebioMized noch einige Male wiederholen.
Rondo «Mylc CF1» will Mountainbiker zum Graveln bekehren
2022 hat der polnische Brand Rondo mit dem «Mylc CF» ein Gravelbike für unwegsames Gelände lanciert, das sich stark am Mountainbike statt dem Rennrad orientiert. Das Ergebnis dieser völligen Neugestaltung der Rahmengeometrie haben die Polen dieses Jahr auch auf der Eurobike in Frankfurt präsentiert. Gravelduro nennt Rondo die Art des Fahrens mit diesen Bikes. Quasi das Pendant zu Enduro (eine Mischung aus Cross-Country und Downhill). So will man vor allem Mountainbikerinnen und Mountainbiker ansprechen, die ein vertrautes Gefühl auf dem Gravelbike suchen.
Eine grosszügige Reifenfreiheit von maximal 700c × 47 mm Breite, ein kürzeres und Dropper-Post-kompatibles Sitzrohr sowie eine geringe Rahmenüberstandshöhe sollen für ein stabileres Fahrverhalten und Handling sorgen. «Je weiter sich Fahrer oder Fahrerin vom glatten Asphalt und den ausgetretenen Pfaden entfernt, desto grösser ist der Spass», schreibt der Hersteller auf der Webseite.
Die Geometrie des Rondo «Mylc CF1»
Die Sache mit dem speziellen Rahmen
Der Hersteller hat mir für einige Monate ein Testbike mit einem Karbonrahmen in Grösse L zur Verfügung gestellt. Dabei kommt das «CF1» unter anderem mit einer Vorbaulänge von 70 Millimetern und einer Lenkerbreite von 460 Millimetern. Hier zeigt sich beim Bikefitting, dass die Ausführungen der Rahmengrösse M mit 50 und 440 Millimetern für mich idealer wären.
Eine weitere Spezialität von Rondo ist die sogenannte Twin-Tip-Karbongabel. Diese Eigenentwicklung erlaubt die Aufnahme der Vorderachse an zwei unterschiedlichen Positionen. Auf diese Weise lässt sich die Sitzposition noch ein wenig sportlicher gestalten. Aus dem Bike wird so quasi ein Rennrad für die Strasse. Ich bin bisher jedoch ausschliesslich in der etwas aufrechteren Position unterwegs. Die zahlreichen Anschraubpunkte für Verpflegung und Gepäck machen das «Mylc CF1» darüber hinaus auch für längere Touren und Bikepacking interessant. Die weiteren Spezifikationen findest du hier.
Das elektronische Schaltwerk von Sram
Ein Highlight des «Mylc CF1» ist das elektronische Schaltwerk «Rival XLPR ETAP AXS» von Sram mit der «XPLR XG-1271 Kassette 10-44». Seit ich im Juni die neue elektronische Schaltgruppe fürs Gravelbike von Shimano testen konnte, bin ich ein Fan dieser Technologie.
Auf einer mehrwöchigen Tour wäre die Abhängigkeit von einem Akku nicht unbedingt meine erste Wahl. Für meine Bedürfnisse reicht die Kapazität von rund 1000 Schaltvorgängen mit einer vollen Ladung jedoch allemal. Schalthebel und Schaltwerk sind über Bluetooth miteinander verbunden. Daher fallen die Schaltkabel weg, das kabellose Cockpit sieht schön aufgeräumt aus. In den Hebeln sind austauschbare Knopfzellenbatterien verbaut, mit einer erwarteten Lebensdauer von 3,5 bis 4 Jahren.
Die Schaltung lässt sich zum Beispiel mit einem Fahrradcomputer koppeln. In meinem Fall mit dem «Edge 1040 Solar» von Garmin. Auf dem Display kann ich mir dann beispielsweise die Kombination der Gänge und den aktuellen Akkustand anzeigen lassen. Mit leerem Akku in der Pampe zu stranden und dann mit dem eingelegten Gang wohl oder übel nach Hause zu treten, muss nicht sein.
Fazit
Gewöhnungsbedürftig mit viel Potenzial
Die spezielle Geometrie des «Mylc CF1» mit dem langen Rahmen macht es meiner Meinung nach fast zwingend nötig, das Bike vom Spezialisten auf Mass einstellen zu lassen. Nach meinem Besuch in der Crossklinik sitze ich nun zentraler über der Kurbel, bin stabiler auf dem Sattel und kann den Lenker besser erreichen. Um das Optimum aus der Rahmengrösse L herauszuholen, hat mir Raphael Böni für meine Körpergrösse von 180 Zentimetern das Cockpit des M-Modells mit 440-Lenker und 50-Millimeter-Vorbau empfohlen.
Der Unterschied zwischen dem «Revolt 0» von Giant und dem Gravelbike von Rondo ist enorm. Wobei das «Mylc CF1» seine Stärken definitiv im Gelände hat, im Speziellen auf Downhill-Abschnitten. Wer gerne sportlich im Gelände unterwegs ist, macht mit diesem Bike vermutlich nicht viel falsch.
Rondo geht konsequent einen radikalen Weg. Das macht durchaus Sinn, um sich gegen die Konkurrenz von Canyon oder Rose abzuheben. Mit dem «Mylc CF» wollen die Polen eine Nische für sich beanspruchen und den Gravelmarkt für Mountainbiker öffnen. Ob dies gelingt, bleibt abzuwarten.
Pro
- elektronisches Schaltwerk von Sram
- Twin-Tip-Karbongabel
- zahlreiche Anschraubpunkte
- Dropper-Post-kompatibles Sitzrohr
- grosse Reifenfreiheit
- sauberer Look dank Kabelführung im Rahmen
Contra
- gewöhnungsbedürftige Rahmenkonstruktion
Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.