Meinung

Darum ist ein Spaziergang beim ersten Date toll

Pia Seidel
11.2.2021

Spazierengehen beim ersten Treffen gilt als langweilig – und doch ist es sicherer als jedes Indoor-Date. Warum ich das Flanieren mittlerweile schätze und glaube, dass es nicht das ist, was das Distant-Dating vermiest.

Es ist kalt draussen. Unsere Stiefel knirschen im Schnee, der an der Limmat liegt, wir atmen Wolken aus. Ein Schritt. Noch einer. Wir kennen uns nicht. Wir reden. Mehr braucht es nicht. Vielleicht nur einen Kaffee zum Aufwärmen in der Hand.

Corona und der Winter haben das erste IRL-Date in den Gang gesetzt. Das nervt mein Umfeld. Mir geht's anders. Spaziergänge sind für mich eine tolle Art, sich kennenzulernen. Wenn mir meine Freunde ihre Argumente nennen, die gegen Spaziergänge sprechen, höre ich nur Ausreden. Alles, was es braucht, ist die richtige Einstellung.

«Ich weiss nicht, wohin wir gehen sollen»

Das erste Date steht an. Wo soll ich ihn treffen? Die hippe Bar an der Langstrasse? Geschlossen. Das schicke Restaurant nahe der Bahnhofstrasse? Auch zu. Es bleibt eigentlich nur der Spaziergang – und das ist gut so. Die Orte fürs erste Treffen sind rar geworden. Das nimmt den Druck weg, einen passenden Vorschlag zu machen. Ist der Treffpunkt klar, laufen wir einfach mal los. Es braucht keinen Parkplatz, keine Reservation und keinen Plan. Wann ist das schon mal so im Leben? Ganz ohne Ablenkung und ohne zu wissen wohin's geht, entschleunigt der Spaziergang den Alltag. Für die richtige Atmosphäre sorgst du allein. Und für den kurzen Prozess auch: Wenn's nicht gut läuft, kannst du sagen, dass dir kalt ist. Das ist besser, als in einem Vier-Gänge-Menü festzustecken.

Apropos «es ist kalt»

Mir macht der Winter auch zu schaffen. Drinnen bleiben hilft da wenig. Wenigstens geben mir die Outdoor-Dates einen Grund, das Haus zu verlassen, frische Luft zu schnappen und auf meine Schritte zu kommen. Mit der richtigen Kleidung ists halb so wild. Kurz noch Zähne geputzt und aufs Shirt gekleckert? Kein Problem. Der Zwiebellook hält nicht nur warm, sondern löst auch alle Outfit-Fragen. Nur der Mantel ist ein Aushängeschild, das neugierig macht. Und Skiunterwäsche oder Wärme-Pads halten dich warm.

«Ich finde die Begrüssung mühsam»

..das war sie schon immer. Jetzt musst ich zumindest nicht in Millisekunden entscheiden, ob ein, zwei, drei Küsschen oder eine Umarmung angebracht sind. Heute gibt es die Spielregeln Schwarz auf Weiss: «Auf Umarmungen, Begrüssungsküsse und Handgeben verzichten», heisst es in den BAG-Empfehlungen. Das vereinfacht den restlichen Verlauf auch allgemein wenn's ums Körperliche geht: Im Gegensatz zu einem Dinner-Date zuhause, sind die Erwartungen bei einem Spaziergang klar. Das Beste: Alle, die sich mit Blickkontakt schwertun, können beim Laufen den Blick nach vorne richten.

Wenn’s gut läuft: «Du kannst nirgends essen gehen»

Da ich mich selten im Wald verabrede, gibt es überall Möglichkeiten, neben Getränken auch Essen zum Mitnehmen zu holen. Endlich muss ich nicht teilen. Corona hin oder her. Ich wollte beim ersten Date schon immer meinen Teller für mich haben. Sollte es dich doch reizen, vom Teller des anderen zu probieren, kannst du dasselbe bestellen. Auf diese Weise könnt ihr euch trotzdem darüber austauschen.

«Es wäre cooler in einer Bar»

Wenn ich auf den ein oder anderen Cocktail verzichte tue ich meinem Körper was Gutes: Alkoholische Getränke schwächen die Abwehrkräfte, die ich jetzt brauche. Und ich setze mich keinem sozialen Druck aus. Fragen wie «Warum trinkst du nicht?» lassen sich mit dieser Begründung abschmettern. Stattdessen teste ich mich durch die Coffees-to-gos und kenne endlich den Unterschied zwischen einem Cortado oder Flat White. Vielleicht entwickle ich auch ein Faible für Mocktails. Das macht jeden zukünftigen Dry January zum Klacks. Du magst dein Date dennoch auf einen Drink einladen? Dann funktioniere den Thermobecher zum Mocktail-Shaker um, bringe fürs Bar-Feeling zwei Gläser mit und stelle sicher, dass du beim Trinken nichts vertauscht.

«Es wird so schnell dunkel»

Die Strassenlaternen im Hintergrund sind romantischer als jede schlecht beleuchtete Bar. Ihr habt euch im Wald verabredet? Dann pack zur Sicherheit eine Taschenlampe ein. Sogar in einer Innenstadt wie Zürich gibt es an der Limmat unbeleuchtete Stellen. Für den Stop auf einer Bank können auch Teelichter herhalten.

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«Du siehst nicht, wie jemand unter Freunden ist»

Manche erste Dates finden bei einer Party von Freunden statt, die dir viel über die Person sagen können. Beim Spazieren treffe ich vielleicht nicht auf den engsten Kreis meines Gegenübers, aber durchaus mal auf Nachbarn oder Arbeitskollegen – nicht zuletzt, weil grad alle spazieren. Das verrät mir im besten Fall etwas darüber, wie offen jemand auf andere zugeht. Das Gleiche gilt auch für vorbeilaufende Hunde. Hier wird spätestens klar, ob du einen Katzen- oder Hundemensch vor dir hast.

«Es gibt keine Nachtzüge»

Zuerst mal: Gratulation, falls es so weit kommen sollte. Vorausgesetzt, dass ihr euch nicht erst um 23.30 Uhr getroffen habt, finde ich es okay, dass das erste Date mit dem letzten Zug endet. Schliesslich gibt es dann mit grosser Wahrscheinlichkeit ein zweites Treffen. Alternativ kannst du vorher überlegen, bei welchen Freunden du notfalls auf dem Sofa schlafen kannst.

«Was, wenn ich mehrgleisig date?»

Jetzt, wo sich alles im Freien abspielt – sieht mich das Date von letzter Woche vielleicht mit dem von dieser. Na und? Im besten Fall führt das zum offenen Gespräch, das oft ohne Anlass schwerfällt. Du magst das Versteckspiel? Dann nutz die Gelegenheit und erweitere stattdessen deinen Umkreis sowohl auf Online-Dating-Apps als auch im echten Leben. So kommst du rum.

«Spazieren ist langweilig»

Sich ohne jegliche Ablenkung kennenzulernen zeigt schnell, ob wir uns was zu erzählen haben. Ertragen wir uns in Stille? Ist das schon am Anfang nicht der Fall, weiss ich, dass es kein zweites Date gibt. Läuft es gut, lehne ich mich zurück. Klar kannst du beim nächsten Mal den Stop bei der nächsten Pingpongplatte einplanen oder den Schlitten mitnehmen. Doch das ist kein Muss. Ihr habt euch und dank Spazieren den Beweis, dass das schon reicht.

Mit anderen Worten: Erste Dates waren schon immer unangenehm, etwas gestellt und öde, wenn's zwischen euch nicht funkt. Die Pandemie ist daran nicht schuld. Im Gegenteil: Sie erinnert uns daran, was es heisst, sich in Sachen Dating aufs Wesentliche zu besinnen.

Was hältst du von Spazier-Dates? Hinterlass deine Antwort in den Kommentaren.

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Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit. 

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