

Chuck Taylor All Star: Vom Sportschuh zum Kultsneaker

Ursprünglich beim Basketball getragen, haben Chucks sich auch abseits vom Spielfeld etabliert. Über den Erfolg der Treter und warum wir Nike die bequemen Sohlen verdanken.
«Ja, ich will» – im Jahr 1971 sagt Mick Jagger nicht nur Ja zu Bianca, sondern auch zu seinen Chucks. Mit den Turnschuhen betont er an seinem Hochzeitstag seine rebellische Ader. Auch heute sind die lässigen Stoffschuhe noch angesagt. Der «Chuck Taylor All Star» mit Plastikkappe und rundem Patch hat sich in den vergangenen 100 Jahren zum Kultschuh gemausert. Und schafft, wovon andere Marken träumen: Er ist zeitlos und trendig zugleich. Wie vielseitig Chucks sind, beweisen Influencer:innen wie Felicia, Filippa und Ryo, die gerade meinen Insta-Feed mit Bildern der Sneaker fluten.

Converse nimmt Fahrt auf
Gegründet hat die Marke ein Adliger im US-Bundesstaat Massachusetts. 1908 spezialisiert sich Mills Converse auf rutschfeste Schuhe – davor hat der Marquis in einem Vulkanisierbetrieb gearbeitet. Neun Jahre später bringt er den «All Star» auf den Markt. Mit dem knöchelhohen Basketballschuh aus Canvas und Gummi schliesst er eine Marktlücke: Die Ballsportart ist in den USA gerade am Aufkommen.
Das aufstrebende Basketballtalent Charles Hollis Taylor hilft Converse dabei, die Sneaker mit seiner Expertise auf dem Spielfeld zu verbessern. Als Dankeschön werden sie 1923 zu «Chuck Taylor All Star» oder kurz: «Chucks» umbenannt. Seither ziert seine Unterschrift den legendären Gummi-Patch. Ihr Erfolg ist unaufhaltsam. Bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936 – Basketball ist erstmals eine olympische Disziplin – gewinnt die US-amerikanische Mannschaft in Chucks die Goldmedaille. Mit wachsendem Erfolg wird das Modell auch abseits vom Spielfeld getragen.

Die Kicks mausern sich in den Fünfzigern zu den Freizeitschuhen überhaupt. Auch Promis können ihrem lässigen Charme nicht widerstehen. Während sie James Dean in den Fünfzigern zelebriert, tanzt John Travolta damit durch die Siebziger. In den Neunzigerjahren sind es Musiker wie Kurt Cobain und Peter Doherty als auch Rapper wie Tupac Shakur und Snoop Dogg, die die Canvas-Kicks auf der Bühne abfeiern.
Doch mit zunehmendem Ruhm bei der Masse nimmt ihr Sportsgeist ab: Obwohl Converse 1984 der offizielle Sponsor der Olympischen Spiele in Los Angeles ist, schläft die Konkurrenz nicht: Marken wie Nike und Reebok mischen den Markt auf und laufen der Traditionsmarke den Rang ab. Auch das Converse Schuhmodell «Weapon» (1986) kann daran nichts ändern. Sportschuhe mit neuartigen Materialien, die den Komfort optimieren, sind gefragter denn je. Der Brand gerät ins Straucheln und steht zweimal kurz vor dem Konkurs. 2001 werden sämtlich Fabriken in den USA und Mexiko verkauft und die Chucks nur noch in Asien produziert.
Rettung naht
Zwei Jahre später kauft Nike Converse für umgerechnet 305 Millionen Franken. Obwohl die Traditionsmarke für den Sportgiganten bloss ein kleiner Fisch im Becken ist, sind die Stoffschuhe im Gegensatz zu Nikes Hightech-Modellen preiswerter. Mit diesem Coup kann der Konzern seine Marktposition ausbauen.
Obwohl Chucks sich als Sportschuhe einen Namen gemacht haben, sind sie ein Orthopäden-Schreck. Sie besitzen kein Fussbett und geben kaum Halt. Dank Nike sind die Schuhe mittlerweile mit einer gepolsterten Einlegesohle ausgestattet.

Leinen trifft auf Gummi
Neben der klassischen Variante aus Segeltüchern, die es in unterschiedlichen Farben, Prints oder mit Pailletten- und Nietenbesatz gibt, sind heute auch (un-)gefütterte Modelle aus Leder oder Sherpa erhältlich. So bleiben die Füsse auch im Winter warm. Hinzu kommen Exemplare mit Absatz, durchgehender Plateausohle oder die Low-Top-Variante. Wie es bei erfolgreichen Schuhen häufig der Fall ist, haben sich auch renommierte Modehäuser wie Missoni, Maison Margiela und JW Anderson in Kooperation mit Converse an eine Neuinterpretation herangewagt. Die bekannteste ist in Zusammenarbeit mit Comme des Garçons entstanden: Die Modelle haben ein Herzlogo, eine leicht erhöhte Sohle und einen schwarzen oder weissen Längs-Kontraststreifen entlang der Fersenpartie.

Mehr als Mainstream
Auch heute, 100 Jahre später, lässt der Hype um Chucks nicht nach. Die lässigen Leinenschuhe sind nicht nur bequem, sondern relativ preiswert und vielseitig einsetzbar. Der beste Beweis dafür sind die unterschiedlichen Altersgruppen und Modetypen, die den Chuck Taylor All Star tragen. Vom Kleinkind über Schüler:innen, Student:innen, Rockstars, Fashionistas bis zu Anzugträger:innen und Sportfanatiker:innen. Alle haben und tragen ihn.
Seit seiner Markteinführung im Jahr 1917 ist es dem Chuck gelungen, am Puls der Zeit zu bleiben und gleichzeitig nicht an Lässigkeit einzubüssen. Mit keinem anderen Schuh trimmst du dein Outfit im Nu auf lässig. Da bekommt selbst ein Anzug eine coole Attitüde – oder ein Hochzeitskleid. Mittlerweile gibt’s von Converse einen Service, mit dem angehenden Brautpaar ihre Chucks für die Trauung mit «Mrs.», «Mr.», «Just married» oder «I do» personalisieren können. Wer kann da schon Nein sagen. Mick Jagger zumindest nicht: Während er Frauen häufig gewechselt hat, ist er den Chucks treu geblieben.


Wenn ich mal nicht als Open-Water-Diver unter Wasser bin, dann tauche ich in die Welt der Fashion ein. Auf den Strassen von Paris, Mailand und New York halte ich nach den neuesten Trends Ausschau und zeige dir, wie du sie fernab vom Modezirkus alltagstauglich umsetzt.