«Bacteria Lamp»
Würdest du dir so eine Lampe zulegen?
- Auf jeden Fall. Endlich ein persönliches Design, das nicht jeder hat.58%
- Lieber nicht. Ich bleibe bei herkömmlichen Lampen.42%
Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.
Wie persönlich Design sein kann, beweist der Nachwuchsdesigner Jan Klinger aus Stockholm. Er entwirft Leuchten, die aus einem Teil von dir – genauer gesagt – aus deinen Bakterien bestehen.
Es gibt Begegnungen, die dir den Tag versüssen. Mein Treffen mit Jan Klingler ist so eine für mich. Der Industriedesigner ist mir zufällig in Mailand auf einer der zahlreichen Ausstellungen des «Salone del Mobile» über den Weg gelaufen. Normalerweise tummeln sich die Designer tagsüber im Hintergrund und kommen erst während des Aperitifs zum Vorschein. Jan nutzt die Gelegenheit, um sich andere Projekte anzusehen und ich nutze sie, um mit ihm über seine «infektiösen» Leuchten zu sprechen.
Wie kamst du auf Idee zur «Bacteria Lamp»?
Jan Klingler: Sie ist das Ergebnis meiner Suche nach dem Sinn und Zweck in meiner kreativen Arbeit. In unserer konsumgetriebenen Gesellschaft möchte ich starke und dauerhafte Beziehungen zwischen meinen Kreationen und ihren Besitzern herstellen.
Dafür habe ich zuerst meine persönlichen Habseligkeiten betrachtet. Weil sie mit mir in den letzten neun Jahren fünf Mal innerhalb Europas umgezogen sind, habe ich sie schrittweise auf ein Minimum reduziert. Neben den essenziellen Sachen wie Kleidung, sind merkwürdige Dinge übrig geblieben: Ein Rasierwasser, das ich wegen einer allergischen Reaktion nicht verwenden kann, gehört trotzdem zu einer meiner wertvollsten Habseligkeiten. Es ist der einzige Gegenstand, den ich von meinem verstorbenen Grossvater geerbt habe. Sobald ich das Rasierwasser sehe oder rieche, werde ich sofort an glückliche Momente mit ihm erinnert.
Daraufhin wollte ich einen Weg finden, eine ähnlich andauernde und tiefe Beziehungen zwischen meinen Entwürfen und ihren zukünftigen Eigentümern herzustellen. Also entwickelte ich ein Gefäss für Erinnerungen und höchst persönliche Inhalte: Eine Leuchte aus Bakterien.
Wieso ausgerechnet Bakterien?
Jedes Lebewesen und jeder Ort hat einen mikrobiologischen Fingerabdruck. Davon können Proben genommen werden, die äusserst persönlich sind und ein Unikat darstellen. Sei es der Ort des ersten Dates, eine unvergessliche Reise oder ein geliebter Mensch, der weit entfernt ist – die Möglichkeiten sind so individuell wie jeder von uns.
Warum hast du dich für das Design einer Leuchte und nicht eines anderen Objekts entschieden?
Grundsätzlich ist der Ruf von Bakterien in unserer heutigen Gesellschaft eher negativ. Licht unterstützt dabei, dass Bakterien nicht nur als Krankheitsträger, sondern auch als formschönes Objekt mit persönlichem Wert wahrgenommen werden. Durch ein einzigartiges Muster und frohe Farben erwecken die Bakterien das Interesse des Betrachters. Er wird dadurch empfänglicher, mehr über die Organismen und ihren Ursprung zu erfahren.
Wie entsteht die Leuchte?
Im ersten Schritt werden die Gefässe in der Glashütte «The Glas Factory» in Südschweden mundgeblasen. Ihre Form ist von Laborgläsern inspiriert. Diese verlangt bei der Herstellung aufgrund ihrer Dimensionen von den Glasbläsern erfordert grosses Geschick. Die restlichen Schritte erfolgen im Labor, um die sogenannte Biosicherheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Hier kann durch Tests sichergestellt werden, dass keine für den Menschen infektiösen Mikroorganismen verwendet werden. Im Anschluss wird ein Nährboden für die Bakterien in die grossen Gefässe gefüllt. Nach 24 bis 48 Stunden im Inkubator wird der Wachstumsprozess durch eine Versiegelung aus Giessharz gestoppt und die Bakterien werden zu modernen Fossilien.
Wann entscheidest du, dass eine Lampe «fertig gewachsen» ist?
Die Bakterien übernehmen im Vergleich zur kontrollierten Wissenschaft die Rolle von Künstlern. Die Wachstumsmuster überraschen mich jedes Mal. Selbst wenn dieselben Bakterien erneut verwendet werden, wachsen sie niemals identisch und immer weiter. Trotzdem beende ich den Wachstumsprozess nach maximal 48 Stunden, indem ich die Bakterien vollständig in Harz einschliesse.
Mit deinem Entwurf beweist du, dass sich zwei Disziplinen verbinden lassen, die bisher wenig Berührungspunkte hatten: Woher kommt dein Interesse an der Mikrobiologie?
Meine Interessen waren schon immer vielfältig, deswegen fiel mir die Zeit nach dem Abitur besonders schwer. Ich war zwischen Medizin, Biologie oder «etwas im kreativen Bereich» hin und hergerissen und entschied mich schliesslich für ein Designstudium. Das habe ich seitdem nie bereut. Der Beruf des Designers ist kreativ und äusserst interdisziplinär. Ich kann andere Disziplinen, die mich interessieren, aus einem anderen Blickwinkel betrachten, experimentieren und so ständig dazuzulernen.
Wie viele Anläufe hat es gebraucht, bis du eine/n Mikrobiologe/-biologin für die Umsetzung gefunden hast?
Unerwartet wenige. In Schweden ist es leicht, interdisziplinär zu arbeiten. Ich hatte grosses Glück, mit Dr. Volkan Özenci in Kontakt zu kommen. Der Chefarzt und Mikrobiologe nahm sich in Stockholm viel Zeit, mir die Materie näher zubringen. Im Verlauf entwickelten wir eine gemeinsame Sprache zwischen der Welt des Designs und der Wissenschaft.
Ich wurde als erster Industriedesigner Teil seines Forschungsteams. Wir gestalteten unter anderem neue Laborgefässe sowie Werkzeuge, die die Labordiagnose von Infektionskrankheiten beschleunigen und verbessern.
Warum hast du dich bewusst gegen die Herstellung eines massentauglichen Produkts entschieden?
Die Produkte, die uns umgeben, sind immer ein Ausdruck der eigenen Person. Wir entwickeln uns mit jeden Tag weiter. Deshalb ist es wichtig, zwischen kurzzeitiger und langfristiger emotionaler Bindung zwischen Mensch und Produkt zu unterscheiden. Trends wie der Fidgetspinner sind ein hervorragendes Beispiel für kurzfristige Bindungen. So schnell wie jeder Kiosk oder Strassenhändler einen grossen Vorrat anlegte, war der Hype auch schon wieder vorbei. Als Industriedesigner möchte ich anhaltende Bindungen zwischen Mensch und Objekt schaffen, um meinen Entwürfen einen Sinn zu geben.
Was ist aktuell dein persönlichstes Stück in deinem Zuhause?
Eine Leuchte, die von einem Pfeiler in Östermalmstorg in Stockholm stammt. Dort habe ich meinen Freund zum ersten Mal getroffen. Die emotionale Bindung dazu ist so stark, weil sie mich stets an den Beginn unserer Beziehung erinnert. Ich habe auch andere Stücke, die wie die Bacteria Lamp aus Proben von Freunden und Sehenswürdigkeiten der Stadt gezüchtet wurden. Ich denke, dass jeder, der sein Zuhause wegen des Studiums, eines neuen Jobs oder der Liebe verlässt, das Bedürfnis hat, sich mit einem Stück der alten Heimat zu umgeben. Aus diesem Grund plane ich, meine Familie und die meines Partners in einem abstrakten Familienportrait in Form von einer Bakterienleuchte zu verewigen, sobald ich sie das nächste Mal sehe.
Welche Projekte stehen für dich als nächstes an?
Ich arbeite derzeit an weiteren Kreuzungen zwischen Mikrobiologie und Design und freue mich diese schon bald präsentieren zu können.
Würdest du dir so eine Lampe zulegen?
Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.
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Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit.