

Anti-Sex-Kult und Streit unter Brüdern: Die Geschichte der Corn Flakes
Die Geschichte der Corn Flakes könnte von Shakespeare stammen. Es geht um einen fragwürdigen Gesundheitsguru, seinen unterdrückten Bruder, der zufällig eine Entdeckung macht und um einen erbitterten Streit vor Gericht… Am Schluss stirbt einer verarmt, der andere steinreich.
Gesunde Ernährung, ein aktives Leben, seinen eigenen Körper als Tempel würdigen. «Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper». Was heute tönt wie der Werbeslogan für ein spirituelles Retreat auf Bali, war vor über 150 Jahren der Leitspruch des Battle Creek Sanatoriums. Dessen Leiter, John Kellogg, hat ganz eigene Ideen davon, wie seine reichen, gestressten Gäste aus den umliegenden Städten zur Gesundheit kommen sollten. Ideen, die heute grotesk wirken.

Quelle: Wikipedia
Als Anhänger der protestantischen Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten predigt Kellogg eine asketische Lebensweise. Tabak, Alkohol und Kaffee sind verboten. Ebenso Sex: der dient nur zur Fortpflanzung. Selbstbefriedigung ist eine Sünde, die es durch Keuschheitsgürtel oder Beschneidungen ohne Narkose zu unterbinden gilt. Darmspülungen, Lichttherapien und eine strikte Diät ohne Fleisch und Zucker, dafür mit haufenweise geschmacklosem, hartem Zwieback soll die gestressten Städter auf den richtigen Weg führen. Und die lieben Kelloggs Therapien. Der Industrielle Henry Ford, Präsident Warren Harding und Erfinder Thomas Edison geben sich im Battle Creek Sanatorium die Klinke in die Hand.
Der verachtete kleine Bruder
Immer im Schlepptau von John Kellogg ist sein acht Jahre jüngerer Bruder Will. Er ist sowas wie sein persönlicher Assistent, notiert die Ideen des älteren Bruders, macht die Buchhaltung oder tüftelt an neuen Rezepten für noch gesünderen Zwieback. Teilweise arbeitet Will bis zu 120 Stunden die Woche unter den Fittichen des fanatischen Bruders. Gut möglich, dass er deshalb eines Tages im Jahr 1894 im Stress einen rohen Teig über Nacht vergisst. Dieser ist am nächsten Tag aufgequollen und leicht fermentiert. John entschliesst sich dazu, den Teig trotzdem auszurollen und zu backen. Aus dem spröden Klumpen werden so im Ofen knusprige Flocken, welche John den Sanatoriumsgästen zum Frühstück serviert.

Quelle: Wikipedia
Diese sind begeistert. Sie beissen sich die Zähne nicht mehr an hartem Zwieback aus, sondern geniessen knusprige Flocken. Die Brüder Kellogg wittern eine Geschäftsidee. Sie gründen die Sanitas Food Company, Will tüftelt weiter, ändert die Rezeptur auf Mais statt Weizen und fügt den Flocken Zucker hinzu. Sehr zum Missfallen des asketischen John Kellogg, der Zucker als Gift für den Körper sieht.
Gesundheitsguru John steigt aus, Geschäftsmann Will verkauft immer mehr Cornflakes. Zwölf Jahre nach der Gründung produziert die neu gegründete Battle Creek Toasted Cornflake Company 120 000 Packungen der Cerealien – pro Tag. Immer mehr Nachahmer versuchen sich ein Stück des Cornflake-Kuchens abzuschneiden. Will Kellogg versieht die Packungen mit der Aufschrift «Kellogg’s» und wirbt damit, dass nur die Packungen mit dieser Aufschrift das Original sind. Bis heute.

Quelle: Wikipedia
Streit bis vors Gericht
Das ist zu viel für Gesundheitsfanatiker John, der vor Gericht erwirken will, dass der Name Kellogg nicht für die gezuckerten Flakes hinhalten darf. Er zieht in einen erbitterten Rechtsstreit, der ihn teuer zu stehen kommt. Das Geschäft mit dem Sanatorium fällt aufgrund der Great Depression zusammen, er verliert den Rechtsstreit gegen seinen kleineren Bruder und stirbt 1943 im Alter von 91 Jahren hoch verschuldet in Battle Creek. Sein Bruder Will wird zum Multimillionär, der sein Vermögen gern mit anderen teilt. So ist noch heute ein College in Oxford, England, nach ihm benannt. Auch William Kellogg stirbt im Alter von 91 Jahren in Battle Creek.
Die Firma Kellogg’s heisst heute Kellanova und hat ihren Sitz noch immer in Battle Creek.
In unserem Podcast «Uftischt» haben Judith und ich uns in der neusten Folge über die besten Frühstücksflocken unterhalten. Spoiler: Kellogg's war mehrmals dabei.
Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.