

Accessoires aus alten Zementsäcken

In Kambodscha stösst Nicolas Huxley auf alte Zementsäcke und eine neue Geschäftsidee. Mit seiner Firma Elephbo bereitet der Schweizer das Abfallprodukt auf und entwirft daraus Taschen und Sneaker.
Auf einem Trip durch den ostasiatischen Staat hat Nicolas Huxley die Geschäftsidee seines Lebens. Während seines Bachelorstudiums verbringt der gebürtige Schweizer mit australischen Wurzeln zwei Semester an der Uni in Hongkong. Schnell ist ihm klar, dass er in seiner unifreien Zeit Südostasien bereisen will. Nicolas interessiert sich schon immer mehr für Entwicklungsländer als für die westliche Welt. Während andere Nordamerika mit einem Tour-Guide bereisen, bevorzugt er es, als Backpacker weniger wohlhabende Länder zu erkunden.
Eine der vielen Stationen in Südostasien ist Kambodscha. Das Land zieht den Jungunternehmer mit sozialer Ader sofort in seinen Bann: Nicht nur die Landschaft selbst, sondern auch die Mentalität der Menschen. «Durch den Bürgerkrieg haben die Kambodschaner einen enormen Rückschritt gemacht. Diesen müssen sie nun aufholen. Darum sind sie motiviert, fleissig und offen gegenüber Neuem», so Nicolas. Er weiss sofort, dass er hier etwas reissen will. «Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nur noch nicht genau, was das sein soll. Es sollte etwas Soziales sein, womit ich etwas bewegen und Menschen helfen kann.»

Per Zufall entdeckt er in Strassengräben alte Zementsäcke mit einem catchy Elefanten-Print darauf. Ihm fällt auf, dass die Einheimischen diese zu simplen und eher instabilen Einkaufstüten umfunktionieren. In dem Moment weiss er, was zu tun ist. Mit zehn alten Zementsäcken im Gepäck reist er zurück in die Schweiz und experimentiert damit herum. Als ein Freund ein halbes Jahr später nach Kambodscha reist, bittet er ihn um weitere 50 Stück.


Mithilfe einer Designerin der Schweizerischen Textilfachschule entwickelt Nicolas schliesslich den ersten Prototypen einer Tasche. Das ist 2011. Der Entwicklungsprozess dauert mehrere Jahre, da er parallel dazu den Master macht und zwei Jahre bei Ernst & Young arbeitet. Sein eigenes Modelabel kommt darum nur langsam ins Rollen. Erst im Jahr 2015 fühlt sich Nicolas dazu bereit, sich zu 100 Prozent auf Elephbo einzulassen. «Die Corporate-Welt war langfristig einfach nichts für mich.» Darum kündigt er seinen Job als Berater bei EY und reist für ein halbes Jahr nach Kambodscha, um das Business vor Ort voranzutreiben. Sein ganzes Erspartes buttert er in seine Accessoiremarke rein.


Auf die Frage, wie einfach es vor Ort ist, Vertrauenspersonen zu finden, antwortet der Unternehmer strahlend: «Meine erste Begegnung mit einem Kambodschaner war ein absoluter Glücksgriff.» Als Nicolas während seiner ersten Reise durch das Land ankommt, teilt er sich mit seinen vier Backpacker-Kollegen ein Tuk-Tuk in die Innenstadt. Auf der Fahrt kommt er mit dem Fahrer ins Gespräch. Komnit, wie der Chauffeur heisst, weiss über alles und jeden vor Ort Bescheid. Sie halten den Kontakt über die Jahre aufrecht und werden zu Geschäftspartnern. «Er ist für mich ein wahrer Jackpot und arbeitet noch heute für meine Firma», sagt Nicolas. «Komnit spricht im Gegensatz zu 90 Prozent meiner Mitarbeitenden neben Khmer auch Englisch.» Khmer heisst die Sprache, die von den Einheimischen gesprochen wird. Komnit ist nicht nur sein Übersetzer, sondern macht ihn auch mit den wichtigsten Leuten bekannt. Ausserdem verteilt er Nicolas' Mitarbeitenden, die vor Ort für das ganze Recycling zuständig sind, die Löhne, da diese kein Bankkonto haben. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Einmal pro Jahr fliegt Nicolas nach Kambodscha, um seinen Mitarbeitenden unangemeldet auf die Finger zu schauen. Bisher gibt’s keinen Grund zur Sorge.

Böse Zungen behaupten, dass die Designs von Elephbo eine Ähnlichkeit mit den Taschen von Freitag haben. Dies streitet Nicolas aber vehement ab. Nur schon das Konzept sei völlig anders. Klar, der Nachhaltigkeitsgedanke ist nicht neu, ihm geht es aber viel mehr um den sozialen Aspekt, das soziale Engagement. Er will den Leuten vor Ort eine Perspektive bieten, indem er ihnen die Möglichkeit gibt, auch ohne Schulabschluss oder das Erlernen eines Handwerks, eine Arbeit auszuführen und Geld zu verdienen. Bei Elephbo lernen sie, die Zementsäcke richtig zu verarbeiten. Dafür müssen die Mitarbeiter keine Schneiderausbildung haben, da die Endverarbeitung in Europa stattfindet.
Ich bin kein konsumfreudiger Mensch.
Auch in Sachen Qualität unterscheidet sich der Brand von anderen: Viele Labels setzen zwar auf ein cooles Design, machen aber auf Kosten der Verarbeitung Abstriche. «Ich wollte mit meinem Label ein cooles und soziales Produkt kreieren, das gleichzeitig alltagstauglich und hochwertig ist», so Nicolas. Etwas, an dem der Kunde lange Freude hat. Da die Zementsäcke nach der Aufbereitung nach Osteuropa verfrachtet werden, werden die daraus entstandenen CO2-Emissionen für diese Transporte, in Kooperation mit Climate Partner, durch ein Trinkwasserprojekt in Kambodscha neutralisiert. Übrigens auch dann, wenn Nicolas mit dem Geschäftswagen für Meetings durch die Schweiz cruist.

Zu den Elephbo-Bestsellern zählen die Weekender und generell der grüne Tiger-Print. Es ist aber das rote Elefantenmuster, dem die Marke ihren Namen verdankt. Nicolas erzählt: «Der erste Zementsack, den wir recycelt haben, hatte einen Elefanten-Print drauf. Ich habe mit einem Kollegen gebrainstormt, bis wir etwas Passendes gefunden haben, wofür es auch eine Domain gab. Aus einem Wortspiel ist dann «Elephbo» entstanden.»
Ich sah die Dollarzeichen in ihren Augen.
Sämtliche Taschen und Rucksäcke, für die Naturleder verwendet wird, werden in Bosnien verarbeitet. «Hierfür benutzen wir Lederreste, die Fair-Trade-Standards erfüllen. Zu Beginn liess ich alles in der Schweiz produzieren. So konnte ich die Qualitätskontrolle sicherstellen und die Produktion mitverfolgen». Da die Milchrechnung aber am Ende des Monats nicht aufgegangen ist, muss Nicolas die Produktion nach Osteuropa verlagern. Alternativ hätte er seine Produkte teurer verkaufen müssen. Die Taschen würden beispielsweise rund 800 Franken kosten. Das wollte der Unternehmer aber auf keinen Fall. Bei der Wahl eines geeigneten Standorts war ihm wichtig, dass dieser Verarbeitungsschritt in Europa stattfindet, weil er kein Leder aus Asien wollte: «Mir liegt die Kontrolle der Tierhaltung am Herzen.» Durch einen Tipp einer Bekannten kam er auf ein kleines Textil-Atelier in Bosnien.

Der soziale Jungunternehmer plant bereits nächste Projekte in weiteren Entwicklungsländern. In einigen hat er bereits erste Tests gemacht. Er musste aber schnell feststellen, dass ein neues Land wie eine neue Firma ist. Darum trat Nicolas auf die Bremse. Denn ohne die richtigen Partner vor Ort läuft nichts. «Bei vielen Interessenten habe ich bereits die Dollarzeichen in den Augen gesehen.» Ein No-Go für Nicolas, der sich selbst als keinen konsumfreudigen Menschen bezeichnet und ein Fan vom Minimalismus ist: «Nicht, dass mir das Endprodukt nichts bedeutet, im Gegenteil. Ich bin stolz darauf. Dennoch ist mir der soziale Aspekt wichtiger. Ich will Menschen damit helfen.»
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Wenn ich mal nicht als Open-Water-Diver unter Wasser bin, dann tauche ich in die Welt der Fashion ein. Auf den Strassen von Paris, Mailand und New York halte ich nach den neuesten Trends Ausschau und zeige dir, wie du sie fernab vom Modezirkus alltagstauglich umsetzt.