Feiern Telefone mit und ohne Kabel wieder ein Comeback?
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Wenn Hardware soft wird #5

Pia Seidel
2.1.2019

Immer wieder begegne ich verwunderlichen Dingen in unserem Sortiment. Zuletzt Telefonhörern, die via Bluetooth oder Kabel mit einem Smartphone verbunden werden. Komisch, eigentlich dachte ich, dass Hörer passé sind. Wollen wir wieder «an der Strippe» hängen?

Wenn ein Gestalter möchte, dass man sein Produkt intuitiv benutzen kann, muss er die Umwelt, in der es zur Anwendung kommen soll, genau beobachten. So kann er die Chancen und Hürden des Designs im Alltag kalkulieren und Benutzerfreundlichkeit anstreben. Weil Peripherie-Hersteller wie Native Union neue Telefonhörer-Docks im Retrolook auf den Markt bringen, frage ich mich, ob Designer wohl bemerkt haben, dass uns Menschen im alltäglichen Umgang mit Smartphones etwas fehlt.

Was macht den Reiz alter Telefone aus?

Das Telefon hat uns neue Wege der Kommunikation ermöglicht. Es spricht unseren Tastsinn an – besonders wenn eine Strippe im Spiel ist – und es ist chic. Als Objekt steht es für sich und stellt im Fall von den Native Union Telefonhörern mit einer weichen Form und Oberfläche einen Kontrast zur virtuellen Welt dar. Als Millennial erinnern mich die Hörer an die Neunziger. Auf die Generation Z wirken sie wahrscheinlich bereits exotisch.

Seit ich von zuhause ausgezogen bin, habe ich kein Telefon mehr. Das liegt zum einen daran, dass ich zuerst in einer WG gelebt habe, in der niemand auf einen Festnetzanschluss Wert gelegt hat und zum anderen daran, dass ein Mobiltelefon samt Videofunktion und Apps wie Skype, mir mehr Möglichkeiten zum Kommunizieren bietet. Jetzt, wo ich allein lebe, starte ich einen Versuch und lege mir den Bluetooth-Hörer «Pop Phone Curve» von Native Union zu, um mir meine Frage, ob mit Telefonhörer alles besser war, zu beantworten. Vielleicht fehlt mir etwas, von dem ich nichts weiss?

Haptik-Revival

Gadgets sind für mich schön, wenn ihre Form ihre Technik versteckt. Das gelingt diesem Telefonhörer. Er ist so pur gehalten, dass es als Skulptur durchgehen könnte. Lediglich die Station samt Ladekabel lässt darauf schliessen, was das Objekt kann.

Beim ersten Kontakt mit dem Telefonhörer kommt in mir ein Gefühl von Vertrautheit auf. Im Vergleich zu meinem unhandlichen Smartphone, empfinde ich den Hörer griffig, leicht und die Handhabung intuitiv. Es geht nicht lang und schwups: Ich klemme mir den Hörer in meinen Nacken und laufe damit wie in alten Zeiten durch die Wohnung. Auch die Tonqualität ist um Einiges besser. Am meisten Freude bereiten mir die Tasten zum Auflegen und Annehmen von Anrufen. Ich mag, dass die Knöpfe mir Feedback geben und meine Erwartungen erfüllt werden. Dieses Handset ermöglicht mir darüber hinaus mit Programmen wie Skype zu telefonieren. Und das Beste: Ich komme nicht in Versuchung, parallel andere Apps zu bedienen, weil mein Smartphone woanders liegt.

Weniger Multitasking

Bisher wollte ich kein Festnetz besitzen, weil das in meinem Millennial-Kopf mit Festsitzen gleichgestellt war. Jetzt muss ich zugeben, dass die Unbeweglichkeit mit «Pop Phone Curve» mich beruhigt. Das, was mir oft beim Telefonieren fehlt, ist das Bewusstsein für mein Gegenüber. Ich kann zwar zwischen Tür und Angel und überall auf Reisen telefonieren, führe aber längst nicht so intensive Gespräche, wie wenn ich mit jemandem zuhause spreche. Ich erinnere mich daran, dass ich als Teenager stundenlang mit Freunden und Familie in den eigenen vier Wänden am Telefon gesprochen habe. Kein einfahrendes Tram, kein klirrendes Geschirr in einem Café oder laute Passagiere im Zug konnten stören. Vielleicht liegt's an der in mir aufkommenden Nostalgie, aber eigentlich ist es okay, nicht immer mobil zu sein.

Gegenbewegung zum technischen Fortschritt

Der Trend bewusst auf Mobilität zu verzichten geht weiter, als Telefonhörer-Docks: Heute werden unsmarte Mobiltelefone, sogenannte Feature- oder Dumbphones wieder aufgelegt: Das Bananen Handy «Nokia 811» ist ein Beispiel dafür. Es ahmt das Original aus dem Jahre 1996 nach. Die neue Version besitzt zusätzliche Eigenschaften wie eine 2 Megapixel Kamera, eine 4G-Funktionalität oder eine Ladung von bis zu 25 Tagen bei Standby-Zeit.

Im Unterschied zu kommenden 5G-Smartphones, wird das Retromodell nicht etwa für seine 4G gehypt, sondern für seine ergonomische Gestalt und die Tatsache, dass du damit tagelang offline sein kannst. Es eigne sich laut Nokia für Wochenenden, an denen du dich entspannen möchtest. Ich traue Nokia sowie Native Union zu, dass diese Vermutung auf Beobachtungen basiert. Designer scheinen erkannt zu haben, dass Menschen wieder ganz ohne Wifi- und mobile Daten in ihrem Alltag oder in ihren Ferien auskommen wollen.

Zugegeben, habe auch ich den Hang dazu, auf Reisen weitestgehend offline zu sein. Aber so ganz kann ich nicht ohne. Zuhause würde mir ab jetzt auch etwas fehlen, wenn ich keinen Bluetooth-Telefonhörer mehr hätte. Auch weil er für Gesprächsstoff mit Gästen sorgt: «Ist das noch ein altes Telefon aus dem Brocki?» – wurde ich letztens gefragt. «So ähnlich», antwortete ich. «Es ist ein Neues und von Galaxus.» 😉

Die Retromodelle mit Strippe oder Bluetooth-Funktion

Retro Telefonhörer

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  • Ich kann auch ohne Extra-Hörer mit meinem Smartphone entspannt telefonieren.
    77%
  • Ich würde die poppigen Telefonhörer sogar als Gag mit auf die Strasse nehmen.
    13%
  • Ich habe meinen Festnetzanschluss und nehme nach wie vor den Hörer wortwörtlich ab.
    15%

Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.

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Titelbild: Feiern Telefone mit und ohne Kabel wieder ein Comeback?

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Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit. 


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