

Was der Spaghettistuhl und der Lattenstuhl mit dem VW Golf gemeinsam haben
Wer seit 20 Jahren dieselben Gartenstühle produziert, dem könnte es langweilig werden. Nicht so Rainer Hesselbarth. Der Allrounder und Geschäftsführer von Manufakt findet immer wieder neue Wege, seine Verkaufsschlager – den Lattenstuhl und den Spaghettistuhl – neu zu interpretieren.
Auch ein Bestseller kann noch besser sein. Das glaubt Rainer Hesselbarth, der 2006 das Familienunternehmen «Bättig Stahlrohrmöbel» übernimmt, das von Josef Bättig gegründet und zuletzt von dessen Sohn René geführt wurde. Es ist seit 1948 auf feuerverzinkte Stahlrohrmöbel spezialisiert und wurde durch den Lattenstuhl, auch «Lättlistuhl» genannt, sowie den Spaghettistuhl bekannt.
«Allein auf dem Weg vom Central bis zum Bellevue in Zürich haben wir schon dreizehn Restaurants und Bars mit den Lattenstühlen ausgestattet», sagt Hesselbarth, als ich ihn in der Werkstatt in Illnau besuche. Hier werden die Stahlrohrteile von Hand mit den PVC-Latten und -Schnüren verbunden und so zu den ikonischen Stühlen.

Quelle: Christian Walker

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Gründer Josef und sein Sohn René prägten das Unternehmen massgebend. Dann kam Rainer Hesselbarth, der die Kollektion erweiterte und es «Manufakt» nannte. «Der Lattenstuhl und der Spaghettistuhl generieren bis heute den grössten Umsatz», sagt er. «VW hätte auch mit Käfer und Golf aufhören können und doch sind bis heute zahlreiche weitere Modelle auf dem Markt gekommen.» Die Möbelmarke möchte mit Neuheiten auch zeigen, dass sie einen Schritt weitergeht und mehr anbieten kann.
VW hätte auch mit Käfer und Golf aufhören können und doch sind bis heute zahlreiche weitere Modelle auf dem Markt gekommen.
Die Stahlteile aller Manufakt-Möbel entstehen in der eigenen Produktionsfabrik in Ungarn, die unter anderem noch mit einer Originalmaschine aus den Fünfzigern arbeitet. Auch die PVC-Latten stammen vom selben Schweizer Hersteller wie vor 70 Jahren. Sie werden in einem Heim von Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung zugeschnitten. «Wir erhitzen jede Latte für zwei bis drei Minuten bei 85 Grad bis sie weich wird und ziehen sie dann aufs feuerverzinkte Stahlgestell», erklärt Rainer Hesselbarth. Einmal abgekühlt, sitzt alles fest.

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Der Prozess kann beliebig oft wiederholt werden. «Wenn du dir über die Jahre mal eine neue Farbe wünschst, können wir die Latten einfach auswechseln.» Manufakt bietet 19 Farben an. «Zuletzt haben wir einen Auftrag mit Gartenstühlen in Regenbogenfarben für ein mexikanisches Restaurant in Zürich umgesetzt.» Durch solche Spezialanfertigungen möchte sich Manufakt am Markt abheben. Das vor allem auch, weil die Konkurrenz nicht schläft.
Die kleinen, aber feinen Unterschiede
Der Lattenstuhl ist im Vergleich zu den Modellen der Mitstreiter, die auch Stahlrohrmöbel mit Latten- und Spaghetti-Optik produzieren, anders geformt. Seine Latten sind nicht gerade, sondern leicht gewölbt, damit sie eleganter aussehen und angenehmer sind. Ein weiteres sichtbares Erkennungsmerkmal ist das kleine Dreieck zwischen den Stuhlbeinen. Es hält die Einzelteile fest zusammen und verhindert, dass die Beine beim Draufsitzen weit auseinandergedrückt werden.

Quelle: Christian Walker
Bei den Spaghettistühlen unterscheiden sich die Schnüre. Sie haben als Basis eine einzige durchsichtige Schnur, die eingefärbt wird. Das macht sie robuster. Andere Schnüre setzen sich aus mehreren weissen Strängen zusammen. Wenn sie ausfransen, schimmert das Weiss durch und konkurriert mit der eigentlichen Farbe.

Quelle: Christian Walker
Auch das Design der Gartentische hebt sich ab. Die Manufakt-Tischplatten-Untergestelle sind aus zehn Millimeter massivem Stahl. «Unsere Gestelle kannst du fast nicht zerstören», sagt Rainer Hesselbarth. Auf der Rückseite der Tische ist eine dünne Silikonschickt aufgezogen. «Ohne diese dröhnt es wie ein billiges Auto, wenn du etwas daraufstellst», erklärt Rainer Hesselbarth, während er auf einen noch unbehandelten Tisch klopft. Ich nicke. Ja, der Unterschied ist hörbar.

Quelle: Christian Walker
Die Liebe zu Details wie diesen zahlt sich aus: Manufakt-Möbel landen überall in der Welt und auch 2348 Meter über dem Meeresspiegel: Gerade hat Manufakt Möbel auf das Brienzer Rothorn geliefert. Mit einem Helikopter. Für eine Lieferung nach Melbourne hat die Marke sogar schon spezielle Boxen entwickelt, in denen im Innern ein Vakuum erzeugt werden konnte. Das war nötig, damit kein Ungeziefer nach Australien eingeschleppt werden konnte.

Quelle: Christian Walker

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Bättig als Basis
Neben der Verpackung tüftelt Rainer Hesselbarth natürlich immer wieder an neuen Produktentwicklungen. So sind beispielsweise ein Kinderschaukelstuhl und ein Stossschlitten mit PVC-Kufen entstanden, den er für seine Frau entworfen hat, damit sie über den gefrorenen Päffikersee düsen kann. Oder aber eine Kollektion in Kupfer- und Messing-Optik, die mir Rainer Hesselbarth mit strahlenden Augen im Archiv von Manufakt zeigt. «Die Stahlrohrgestelle werden nicht nur farbig lackiert, sondern in einem chemischen Prozess mit einer Schicht Kupfer oder Messing versehen. Wenn sie aus dem Bad kommen, sind sie zunächst kohlrabenschwarz. Dann werden sie von einer Firma in Italien von Hand poliert, bis sie matt schimmern.»

Quelle: Christian Walker
Manchmal ist es ein persönlicher Anlass, der Rainer Hesselbarth inspiriert. Andere Male sind es besondere Kundenwünsche, die dafür sorgen, dass ihm nicht langweilig wird. «Wenn ich entwerfe, habe ich immer einen Baukasten auf Bättig-Basis im Kopf.» Für die Kollektion «Giardimo Zürich made by Manufakt» hat er zum Beispiel viele Elemente vom Originalentwurf übernommen, die Sitzfläche des Lattenstuhls aber flacher als beim Originalentwurf gestaltet.
Wenn ich entwerfe, habe ich immer einen Baukasten auf Bättig-Basis im Kopf.
Durch die neue Form kann dieser Stuhl besser gestapelt werden – ohne dass der Turm dabei schräg wird. Und auch beim klappbaren Esstisch hat sich der Macher etwas einfallen lassen, um dem Klassiker einen neuen Twist zu geben: Er hat den Tischfüssen einen markanten Knick verpasst.
Recycling und Pflege
Wenn mal ein Gartenmöbel zurückkommt, wird es von Manufakt wieder aufgewertet und landet im Secondhandladen. «Abgeschnittene PVC-Lattenreste oder alte Latten gehen zurück ins Werk, werden granuliert und zu Abwasserrohren verarbeitet. Reines PVC ist der einzige Kunststoff, den du zehnmal recyceln kannst», erklärt Rainer Hesselbarth. Damit es gar nicht erst so weit kommt, empfiehlt der Experte regelmässige Pflege. «Schliesslich erwartest du auch nicht, dass ein Auto aussieht wie neu, nachdem es eine Saison lang am Strassenrand gestanden ist.»

Quelle: Christian Walker

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Rainer Hesselbarth hat das Bättig-Erbe gehütet und gleichzeitig eigene Wege gefunden, am Look, Material sowie der Verpackung zu schrauben, um die Ikonen zu perfektionieren. Er ist überzeugt, dass ihr anpassungsfähiges Design der Grund für den Hype um die Stahlrohrmöbel ist und dieser noch lange anhalten wird.
Was sind das für Menschen, die ständig auf der Suche nach besseren Designlösungen sind? Die einen neuen Stuhl oder Tisch entwerfen, obwohl es schon so viele gibt? In dieser Serie stelle ich dir solche Menschen und ihre Leitmotive vor. Folge mir, um den nächsten Beitrag auf dem Schirm zu haben.
Titelfoto: Christian WalkerWie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit.