Stephan Lütolf – der Mann hinter den Galaxus-Cartoons
Hintergrund

Stephan Lütolf – der Mann hinter den Galaxus-Cartoons

Er kommentiert mit seinen Cartoons auf verschiedenen Kanälen das aktuelle Weltgeschehen – seit Kurzem auch auf Galaxus. Deshalb sieht er sich selbst mehr als Journalist als als Kunstschaffender.

Die Treppe hoch zu seinem Arbeitsplatz wurde unerlaubt gebaut und erst danach legalisiert. Das erzählt Stephan Lütolf gleich beim Betreten seines Ateliers in Zürich Enge, das er sich mit anderen Medienschaffenden und Grafikern teilt. Dieser Umstand befriedigt die stereotype Vorstellung eines kreativen Arbeitsplatzes viel mehr als das unscheinbare weisse Mehrfamilienhaus, in dem er sich befindet.

Es ist einfacher, um Vergebung zu bitten als um Erlaubnis – auch bei einer Treppe.
Es ist einfacher, um Vergebung zu bitten als um Erlaubnis – auch bei einer Treppe.

Der fehlende Fernseher half beim Zeichnen

Auch die Siebträger-Kaffeemaschine passt ins Bild. Stephan selbst überrascht mich dagegen mit seiner Aussage: «Ich habe keinen künstlerischen Anspruch, sondern sehe mich eher als Journalist, der mit Zeichnungen als Medium arbeitet.» Er habe einfach schon immer gezeichnet. «Vielleicht, weil wir keinen Fernseher zu Hause hatten und ich die Bilder selbst schaffen musste.» Dafür spielten Comics eine grosse Rolle in seiner Kindheit. Durch die Schweizer Seite seiner Familie lernte er «Globi», durch die französische «Tintin» kennen.

In der Pfadi hat er dann das Vereinsheftli illustriert. Dort entstand auch sein Kürzel, mit dem er noch heute alle Cartoons signiert: Cic. «Ich wurde von meinen Kollegen Cicero, nach dem grossen römischen Redner, getauft», sagt Stephan. Warum, wisse er bis heute nicht. «Jedenfalls blieb der Name hängen und schrumpfte über die Jahre zu Cic zusammen.»

Jedes Motiv beginnt mit Bleistift und Papier

Damals hat er alles von Anfang bis Ende auf Papier gezeichnet. Auch heute beginnt er auf Zetteln, überträgt seine Bleistiftskizze dann aber aufs iPad, da seine Cartoons inzwischen ausschliesslich online erscheinen. «Mit dem Illustrationsprogramm Procreate kann ich sozusagen virtuell abpausen. Sogar kleine Animationen lassen sich damit machen.»

Auf dem iPad bekommen seine Bleistiftzeichnungen Farbe.
Auf dem iPad bekommen seine Bleistiftzeichnungen Farbe.

Die braucht er für seine wöchentlichen Beiträge für den SRF-Newsletter. Vor allem aber ist er für seine Tortendiagramme, die auf den Social-Media-Kanälen von SRF 3 das Weltgeschehen kommentieren, bekannt. Bei Galaxus dagegen ist das Feld etwas breiter und weniger politisch. Mal greift er grosse nationale Events, mal Medienkonferenzen des Bundesrates, mal Schweizer Eigenheiten auf. Die Inspiration dafür kommt ihm vor allem beim Medienkonsum. «Ich recherchiere wie ein normaler Journalist. Habe ich eine Idee, prüfe ich sie entweder an meinen Atelierkollegen oder setze sie gleich um, weil ich überzeugt bin. Das letzte Wort haben dann aber meine Auftraggeber.»

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Fehlendes Können definiert seinen Stil

Sobald das Thema steht, sei der härteste Teil für ihn erledigt. Beim Zeichnen könne er seinen Kopf abschalten, da die Motive für ihn schnell sehr klar seien. «Wahrscheinlich, weil ich handwerklich eingeschränkt bin. Ich habe nie einen Kurs oder Kunsthochschule besucht, sondern mir alles selbst beigebracht», sagt Stephan. So sei auch bald sein eigener Stil entstanden. «Ich kann nur Cartoons zeichnen, nichts anderes. Ich bin kein Künstler, Zeichnen ist für mich Mittel zum Zweck.»

Die losen Zettel mit Ideen und Skizzen werden alle in Mäppchen gesammelt.
Die losen Zettel mit Ideen und Skizzen werden alle in Mäppchen gesammelt.

Studiert hat er nämlich Geschichte in Zürich und Lausanne. «Ich glaube nicht, dass mir das in meinem heutigen Beruf direkt etwas bringt. Vielleicht manchmal beim Überprüfen der Quellen.» Doch die meisten seiner Cartoons gehen nicht so tief, dass grosse Recherche nötig wäre. «Sonst würden sie von vielen Leuten gar nicht mehr verstanden werden.» Das Studium machte er aus reinem Interesse, das er auch heute noch hat. Vielleicht hatten seine Pfadikollegen einen Wissensvorsprung, als sie ihm den Namen «Cicero» verliehen.

Und auch eine gewisse Ambivalenz zu Dirigenten ihrer Zeit verbindet die beiden. Was für Cicero Julius Caesar war, ist für Stephan Social Media. Bei dem Thema gesellen sich zu seiner unglaublich zufriedenen und optimistischen Ausstrahlung das erste Mal auch Zweifel. «Wenn harter Gegenwind zu einem meiner Cartoons kommt, komme ich schon ins Grübeln», sagt er. So zum Beispiel bei seinem Galaxus-Beitrag zum Schwingfest, wo ihm in der Kommentarspalte immer wieder eine archaische Art des Humors vorgeworfen wurde. «Da frage ich mich schon, ob ich langsam zu einem klassischen weissen alten Mann werde. Beim nächsten Cartoon ist es dann aber wieder genau diese Gruppe, die sich aufregt.»

Über den Fluch und Segen von Social Media können wir uns lange unterhalten.
Über den Fluch und Segen von Social Media können wir uns lange unterhalten.

Er ist ein konformer Narr

Humor sei komplizierter geworden. Nicht nur wegen des Willens zur Empörung, wie es Stephan nennt, sondern auch der Medienlandschaft selbst. Deshalb wirkt er auch an der Satireseite «Petarde», die Anfang Oktober live gegangen ist und über Crowdfunding finanziert wurde, mit. Sie wurde als Reaktion auf die Übernahme des Nebelspalters von Markus Somm und dessen neuer Ausrichtung des Magazins gegründet. Der Verein sieht die Satire und damit indirekt auch die Presse- und Medienfreiheit bedroht, weshalb auf der digitalen Plattform Satire ohne Zensur stattfinden kann. «Dort werde ich dann noch etwas mehr Narrenfreiheit haben als schon bei SRF und Galaxus.»

Durch das bedingungslose Witzeinkommen der Petarde soll die Satireversorgung der Schweiz sichergestellt werden.
Durch das bedingungslose Witzeinkommen der Petarde soll die Satireversorgung der Schweiz sichergestellt werden.

Ansonsten arbeitet Stephan aber sehr gesellschaftskonform, quasi Nine to Five «Ich bin ein Morgenmensch, am Abend bringe ich nichts mehr hin.» Kommt ihm dann eine Idee, kritzelt er sie ganz schnell nieder und schaut sie sich am nächsten Tag an. Durch seine drei Kinder hat er automatisch Struktur und Routine. «Ich schicke sie morgens in die Schule, dann komme ich ins Atelier und am Mittag koche ich oft für sie.» Ihm helfen solche Pausen, um wieder konzentriert und schwungvoll die einst illegalen Treppen zu seinem Arbeitsplatz hinaufzugehen.

Am Ende passt das solide Mehrfamilienhaus mit dem kreativen Inneren doch sehr gut zum Cartoonisten Stephan Lütolf.

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Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.


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