Hintergrund

So kommen die Borsten in die Schweizer Pinsel

«Wie kommen eigentlich die vielen kleinen Härchen in den Pinsel?» Mit dieser Frage mache ich mich auf den Weg nach Ebnat-Kappel zur PEKA Pinselfabrik und «helfe» dort in der Produktion aus.

Gerade einmal 27 Mitarbeiter hat der letzte Schweizer Pinselhersteller. Das schlägt sich auch in der Geräuschkulisse nieder. Bei PEKA herrscht Ruhe. Nur vereinzelte Stimmen sind wie durch Milchglas wahrzunehmen. Gleichzeitig tröpfelt Kaffee aus dem Automaten in Kartonbecher. Die Stimmung wirkt entspannend. Das ändert sich schlagartig mit dem Betreten der Produktionshalle: Leise Gespräche werden durch lärmende Maschinen ersetzt. Alle Mitarbeiter sind in ihre eigene Arbeit vertieft.

Ilona ist voll fokussiert.
Ilona ist voll fokussiert.

Synthetik nicht mehr verpönt

Dieser Fokus und dieses Fingerspitzengefühl sind trotz viel maschineller Unterstützung unerlässlich. Das wird sich bald an mir als Negativbeispiel zeigen. Erst aber ist der Profi dran. Ilona sitzt auf einem Bürostuhl und kümmert sich um die Borsten für den späteren Pinsel. Heute ist das der AQUAsynt UniPro – ein gebogener Plattpinsel, mit dem gut in Ecken gearbeitet werden kann. Die Härchen sind aus synthetischem Material. Lange Zeit ein No Go für Profis. «Die Technologie war lange nicht so weit, dass Synthetikpinsel mit denen aus Echthaar mithalten konnten. Sie nahmen weniger Farbe auf und gaben diese auch wieder viel schneller ab», erklärt Jürg Nüssli, Leiter Unternehmens- und Strategieentwicklung bei PEKA. Heute sei der Unterschied bei guter Qualität kaum mehr erkennbar, wobei viele Maler noch immer Pinsel mit natürlichen Besatzmaterialien, insbesondere chinesischen Schweineborsten bevorzugen.

Synthetikborsten für die AQUAsynt-Serien.
Synthetikborsten für die AQUAsynt-Serien.
Peka Pinselfabrik Plattpinsel PEKA-AQUAsynt UniPro (20 mm)
Pinsel
CHF16.90

Peka Pinselfabrik Plattpinsel PEKA-AQUAsynt UniPro

20 mm

Haarige Angelegenheit

Die Aquasynt-Reihe ist eine von denen, die unterdessen auch vom Profi akzeptiert wird. Nachdem Ilona draussen gegen ihre aufkeimende Nervosität angeraucht hat, ist sie nun bereit, ihr Handwerk vorzustellen. Schritt eins: Die Haare müssen in die Metallfassung. Immer genau zehn Gramm müssen es sein. Die Portionierung läuft über ein Pedal am Boden, danach ist Handarbeit angesagt. Mit der linken greift sie die Borsten, mit der rechten die Fassung. Innerhalb von Sekunden sind die beiden miteinander verbunden. Höchstens ein, zwei Härchen gehen daneben. Dass das an der Fingerfertigkeit von Ilona liegt und nicht an der Simplizität ihrer Arbeit, wird schnell klar, als ich den gleichen Schritt ausführe. Ich würde die Firma viel Geld kosten: Haare überall, nur nicht in der Metallfassung und dazu brauche ich auch noch fünfmal so lange. Dennoch ermuntert mich Ilona ständig und legt eine Engelsgeduld an den Tag. «Du machst das schon sehr gut für den Anfang.»

Mit dieser Maschine werden die feinen Härchen portioniert.
Mit dieser Maschine werden die feinen Härchen portioniert.

Der CEO und Bruder von Jürg, Christian Nüssli, sähe eine Mitarbeiterin wie mich wahrscheinlich etwas kritischer. Die beiden sind gemeinsame Inhaber von PEKA und hängen mit ganzem Herzen drin. «Unser Vater war hier der zweite Lehrling überhaupt. Mit 35 Jahren hat er sich bis zum Geschäftsführer hochgearbeitet. Mit 70 folgte das Buyout», erzählt Jürg. Heute produziert das Unternehmen insgesamt 250 verschiedene Artikel und schafft dank Mithilfe von Maschinen durchschnittlich 900 Pinsel täglich. Die meisten davon bleiben in der Schweiz. In den Export gehen vor allem Spezialanfertigungen oder Lieferungen an ausgewanderte Maler.

Eine Auswahl an Einzelteilen für die Pinsel von PEKA.
Eine Auswahl an Einzelteilen für die Pinsel von PEKA.

Der Letzte seiner Art

Einer der diesen ganzen Wandel miterlebt hat, ist Roland. Er ist der letzte Schweizer Pinselmacher, der den Beruf noch als komplettes Handwerk gelernt hat. Die Umstellung sei für ihn nie ein Problem gewesen. «Natürlich ist die Arbeit heute eine ganz andere. Ich befähige Maschinen, die mein gelerntes Handwerk ausführen. Aber ich bin ein Tüftler und liebe es, an den Geräten zu schrauben, sie zu reparieren.» Damit hat er genug zu tun. Kaum ein Tag geht vorbei, an dem er nicht irgendwelche Optimierungen vornehmen muss, weil irgendwo im Prozess ein Teil zickt.

Bei Ilona läuft alles reibungslos. Unterdessen erklärt sie Schritt zwei ihres Jobs. «Die Fassung mit den Borsten muss gepresst werden, damit alles hält.» Ruhig und dennoch wahnsinnig flink, bringt sie die Haare mit einer Schablone auf die richtige Länge und bedient dann von Hand die kleine Presse. Fertig. Die Borsten sind bereit für den nächsten Schritt, das Kitten. Die Fassung wird mit Zwei-Komponenten-Kleber aufgefüllt und trocknet dann während 24 bis 48 Stunden durch, bevor die halben Pinsel zu Roland gelangen. Bei ihm und seinen zickigen Maschinen werden die Borsten mit den Stielen verbunden. Die stellt PEKA übrigens nicht selber her, sondern lässt sie im europäischen Ausland fertigen.

Logo und Qualitätsmerkmal zugleich.
Logo und Qualitätsmerkmal zugleich.

Geknickt sind nur die Pinsel

Dann wird den Pinseln noch der Stempel aufgedrückt. Jeder soll wissen, dass sie in der Schweiz hergestellt wird. Ein Qualitätsmerkmal. Bevor jedes Exemplar in Schrumpffolie verpackt wird, fehlt noch der Knick. Der wird maschinell herbeigeführt. Die Metallfassung wird genau im Übergang zwischen Stiel und Kitt gefaltet. Der gebogene Plattpinsel ist fertig, ich auch. Der Schädel dröhnt vom Maschinenlärm, die Finger sind verkrampft von der feinmotorischen Arbeit. Ilona sitzt weiterhin konzentriert und zufrieden auf ihrem Bürostuhl. Sie hat noch einen halben Tag vor sich. Das mit den 900 Pinseln wird heute wohl eng.

Der Störenfried ist weg, Ilona kann wieder in ihrem eigenen Tempo arbeiten.
Der Störenfried ist weg, Ilona kann wieder in ihrem eigenen Tempo arbeiten.

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Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.


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