Hintergrund

Sicher bremsen: Damit wird der Ausflug mit dem Laufrad auch für Eltern entspannend

Heikle Momente mit dem Nachwuchs auf dem ersten Zweirad kennen alle Eltern. Zwei Männer haben deshalb die Funk-Bremse erfunden. Das perfekte Gadget für sicherheitsfanatische Eltern? Ich habe es ausprobiert.

Kleine Kinder sitzen gerne auf ihrem Laufrad. Damit lernen sie das Gleichgewicht zu halten und bekommen ordentlich Tempo drauf. Das wiederum treibt Mama und Papa immer wieder den Angstschweiß auf die Stirn, weil das Bremsen meist noch nicht so gut klappt. Damit künftig keine brenzligen Situationen mehr entstehen, gibt es jetzt eine Lösung: die erste Fernbremse fürs Laufrad.

Ich wollte wissen, was die Mystopy-Bremse kann, was nicht und habe mich mit den Erfindern unterhalten und mir ein Exemplar schicken lassen.

Wie funktioniert Mystopy?

Mystopy ist eine ferngesteuerte Bremse. Sie wird an der Sattelstange des Laufrades befestigt und durch ein Funksignal aktiviert. Dazu müssen Papa, Mama oder andere Aufsichtspersonen lediglich einen Knopf am mitgelieferten Armband drücken, das ähnlich wie eine Uhr aussieht. Dadurch fällt ein Bremskeil auf das Hinterrad, dieses blockiert und das Laufrad bleibt sofort stehen.
Aktuell kann der Bremsassistent nur bei Puky-Rädern montiert werden.

Wer sind die Köpfe hinter der Bremse?

Erfunden hat die Bremse Sebastian Lyschik, ein Wirtschaftsingenieur aus Bad Neustadt an der Saale im Norden Bayerns. Der Vater zweier Töchter stellte sich selbst immer wieder die Frage, wie man die Ausflüge mit dem Laufrad sicherer gestalten könnte. «Die Kinder fahren 20, 30 Meter voraus und plötzlich entsteht eine brenzlige Situation. Zum Eingreifen ist es dann fast zu spät.» Außer man könnte das Laufrad aus der Ferne mit einem Notstopp abbremsen.
Über drei Jahre hat er an der Idee gefeilt und Prototypen entwickelt. Lyschik hat an einer Lösung mit Mikrochip gebastelt («zu teuer») und verschiedene Bremsklotzvarianten mit seinen Töchtern ausprobiert. «Die waren meine Versuchskaninchen», erinnert sich der 41-Jährige mit einem Lächeln. Der zündende Funke kam dann eines Nachts im Schlaf: «Ich habe meine Frau geweckt und gesagt; Caro, ich hab’s.»
Zusammen mit Julius Müller, einem IT-Unternehmer, gründete Lyschik im März 2020 die Firma «mystopy». Gemeinsam entwickelten sie die Idee weiter und ließen sie patentieren. Seit Dezember letzten Jahres ist die Mystopy-Bremse nun am Markt. Der Marktführer für Laufräder, Puky, hat das Produkt bereits mit ins Sortiment genommen.

Die Köpfe hinter der Bremse mit den Knöpfchen: Sebastian Lyschick und Julius Müller.
Die Köpfe hinter der Bremse mit den Knöpfchen: Sebastian Lyschick und Julius Müller.

Wie zuverlässig und sicher ist Mystopy?

«Überschlägt sich das Rad dann auch nicht?» Das ist die erste Frage, die Sebastian Lyschick und Julius Müller nach eigener Aussage von Eltern immer zuerst gestellt bekommen. «Physikalisch ist das eigentlich nicht möglich», sagt Sebastian Lyschick, «weil nur das Hinterrad blockiert wird.» Und trotzdem kann er die Bedenken verstehen. Auch deshalb hat er die Bremse möglichst einfach konzipiert. «Zu viel Technik ist nicht nur teuer. Zu viel Technik ist auch fehleranfällig.»
Lyschick wollte auch bei der Produktion keine Kompromisse eingehen. Mit seinem Geschäftspartner war er sich schnell einig. «Das ist ein Sicherheitsprodukt für Kinder. Qualität steht für uns an oberster Stelle», ergänzt der 33-Jährige Müller, der noch keine Kinder hat. Er betont, dass alle Produktteile mindestens dreimal vor der Auslieferung geprüft würden.

Wie wird Mystopy montiert?

Auf dem Paket steht: «Einfacher zu montieren als Windeln zu wechseln.» Und das ist tatsächlich so. Nur wenige Handgriffe sind nötig, bevor die Kleinen ihre nächste Runde drehen können. Montiert wird die Bremse am Sitzrohr bzw. der Sattelstange des Puky-Laufrades. Mit einem Inbusschlüssel werden die Schrauben gelockert, der Sitz abgenommen und die Bremse aufgesteckt. Anschließend wird alles wieder befestigt. Schon kann es wieder losgehen.

Die Bremse wird an der Sattelstütze montiert.
Die Bremse wird an der Sattelstütze montiert.

Warum setzen die Erfinder auf einen Lerneffekt bei den Kindern?

Die Bremse kann zwar aus der Ferne aktiviert werden, der Klotz muss dann von der Aufsichtsperson per Hand am Rad wieder gelöst werden. Das haben Sebastian Lyschick und Julius Müller ganz bewusst so entschieden. «Die Kinder sollen nicht unkommentiert aus der Entfernung abgebremst werden und dann wieder weiterfahren können. Wir finden es wichtig, dass sie verstehen, warum sie angehalten wurden», sagt Julius Müller und hofft auf einen Lerneffekt.

Wie nachhaltig ist das Produkt?

«Ich geh’ ins Schwimmbad», sagt Sebastian Lyschik gerne, wenn er eigentlich zur Arbeit fährt. Denn Mystopy montiert und verpackt die Fernbremse im alten Schwimmbad von Wülfershausen, einem Örtchen in der fränkischen Rhön in Deutschland. «Wir wollten kein neues Gebäude auf die grüne Wiese stellen», sagt Lyschik. Stattdessen hat sich das Start-up in dem ökologisch-optimierten Bau mit Photovoltaikanlage eingemietet
«Nachhaltigkeit spielte eine große Rolle für uns. Alle Teile werden in Deutschland produziert», erklärt Julis Müller, «bis auf den Akku.» Den muss das Unternehmen aus Asien beziehen, weil es keine Alternative gibt, wie die Gründer sagen.
Nachhaltigkeit spielt auch bei der Funktionsweise der Bremse eine Rolle. «Indem die vorhandene kinetische Energie beim Bremsvorgang genutzt wird, verbraucht sie kaum Energie», sagt Sebastian Lyschick. Das kommt der Akkulaufzeit zugute. Etwa 6500 Auslösungen sind möglich, ehe die Bremse über einen USB-Anschluss erneut mit Energie versorgt werden muss. Wenn der Akku leer ist, fällt der Bremsklotz nach unten und blockiert. «Das zeigt sie aber rechtzeitig vorher durch ein Blinken an», ergänzt Julius Müller, «schließlich soll das Laufrad ja jederzeit einsatzbereit sein.»
Die Reichweite des Senders beträgt etwa 100 Meter. Bis zu fünf Sender können pro Mystopy-Einheit genutzt werden.

Warum kooperiert Mystopy bisher nur mit Puky?

Derzeit gibt es die ferngesteuerte Bremse nur in einer Version für Puky-Laufräder. Das muss aber nicht so bleiben. «Es ist toll, dass uns der Marktführer mit ins Programm genommen hat. Wir sind mit Puky aber nicht verheiratet», sagt Julius Müller und unterstreicht, dass sie die Idee auch deshalb nicht verkaufen wollten.
Am Ende des Tages sei es aber immer eine Frage der Investitionskosten. Passe man Mystopy an die Rahmen anderer Hersteller an, sei man schnell bei 50 000 bzw. 60 000 Euro Kosten. Das müsse sich dann erst einmal rechnen. «Wir sind aber in Gesprächen mit anderen Unternehmen», sagt Sebastian Lyschick.

Fazit

Bisher war der Laufradausflug mit meinem Sohn eine Geduldsprobe – und zwar für uns beide. Denn er möchte die Welt entdecken und ich dabei Gefahren vermeiden. Also hörte er ständig: «Fahr nicht so schnell, nicht so weit voraus, bleib auf dem Gehweg, pass auf die Straße auf.» Mit Mystopy ist das Laufradfahren für uns beide entspannter geworden. Weil er seine Erfahrungen machen darf und ich das Gefühl habe, ich bin als Notbremser sein Backup und muss nicht wie ein aufgescheuchtes Huhn ständig nebenher rennen.
Wer also das Laufradfahren für sein Kind sicherer machen möchte, für den ist Mystopy genau die richtige Investition. Den Preis dafür finde ich völlig in Ordnung, zumal die Bremse auch von handwerklichen Legasthenikern wie mir schnell montiert und dabei nichts falsch gemacht werden kann.
P.S.: Die Bremsen gibt es auch farblich passend zum jeweiligen Laufrad. Hier findest du die entsprechende Auswahl im Shop.

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Ich wollte nie etwas anderes, als von Menschen und ihrem Leben erzählen. Deshalb bin ich vor fast 30 Jahren Journalist geworden und habe zuletzt eine Regionalzeitung als Chefredakteur verantwortet. Inzwischen habe ich eine Vollbremsung hinter mir und bin dadurch sogar einen Schritt weiter gegangen. Als systemischer Coach und Gründer einer Strategieberatung für Medien und Menschen erzähle ich nicht mehr nur ihre Geschichten, ich unterstütze die Menschen auch konkret bei Problemen und Herausforderungen und dabei, ihr Leben zu gestalten. 


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