

Nager auf Diät: Wie aus deinem Meer- weniger Schweinchen wird

Kugelige Meerschweinchen und Kaninchen sehen niedlich aus. Doch ihre runden Pelzbäuche können ernste bis todernste Folgen für die Nagetiere haben. Hier erfährst du alles über Fütterungsfehler. Du wirst überrascht sein.
Glatt und grau, strubbelig und mehrfarbig, braun und gefleckt: Die Meerschweinchen meiner Kindheit hatten optisch wenig Gemeinsamkeiten. Nur eine einzige und grosse: ihr Bauch. Insbesondere Dimitri kam mir wie ein Staubsaugerroboter vor. Er war fast genauso rund und sog alles ein, was ihm in den Weg kam. Doch wieso waren er und seine Partnerin Lucy solche Brocken? Wir verfütterten doch hauptsächlich gesunde Karotten, Salat und Körnchen?
Diese Frage wird Cornelia Christen, Tierärztin und Spezialistin für Exoten und Heimtiere in der Kleintierpraixs VetTrust in Winterthur, oft gestellt. So manche Kaninchen und Meerschweinchen, die sie zu Gesicht bekommt, sind übergewichtig oder sogar adipös.

Quelle: Darina Schweizer
Wie viele Nager sind zu schwer, Frau Christen?
Ich würde schätzen, knapp ein Drittel ist übergewichtig, rund drei Prozent krankhaft.
Wie erkennen Sie Übergewicht?
Der Körper eines gesunden Meerschweinchens sollte sich vom Boden abheben, wenn es aufsteht. Streckt es sich, sollte es keine Birnenform haben, sondern lang und schlank sein.
Und ab wann ist es krankhaft übergewichtig, sprich adipös?
Oftmals dann, wenn es Atemprobleme oder ein dreckiges Hinterteil hat, weil es sich nicht mehr säubern kann. Das deutlichste Anzeichen ist jedoch, wenn es nur noch in der Ecke sitzt. Viele Nager kriegen so Fussprobleme. Ihre Ballen sind angeschwollen oder offen. Im schlimmsten Fall kommt es zur Blutvergiftung und zum Tod.
Das klingt dramatisch. Wie kann es überhaupt so weit kommen?
Meist ist es Unwissen. Auch wenn das Übergewicht bei Nagern in den vergangenen 15 bis 20 Jahren abgenommen hat, haben viele Leute noch immer das Bild eines kugelrunden Meerschweinchens im Kopf. Dadurch fällt ihnen nicht auf, wenn es zu dick ist und sie verwöhnen es weiter mit Leckerlis, Gemüse und Früchten.



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Moment, Gemüse und Früchte machen doch nicht dick?
Uns nicht. Wir können sie nicht vollständig verwerten. Nagetiere haben jedoch eine andere Verdauung. Sie sind Vollverwerter wie Pferde. Deshalb können für sie vor allem zuckerhaltiges Gemüse wie Karotten oder Peperoni zum Problem werden. Besser sind da Fenchel, Gurke oder Kohlarten. Diese sollte man anfangs aber nur in kleinen Mengen und nicht auf den leeren Magen verfüttern. Früchte sind gar nicht zu empfehlen.
Was empfehlen Sie stattdessen?
Heu und Gras – das, was die Meerschweinchen auch in den Anden essen, wo sie herkommen.
Muss ich beim Graspflücken etwas beachten?
Prinzipiell kann man alles verfüttern. Einzig Meerschweinchen mit Harnsteinproblemen sollte man nicht zu kräuterreiches Gras verfüttern.
Was halten Sie vom Heu aus unserem Shop, würden Sie es empfehlen?
Aus meiner Sicht ist es nicht optimal. Es ist meist so stark zusammengepresst und trocken, dass die Qualität nicht mehr die beste ist.
Welches Heu sollte es dann sein?
Am allerbesten wäre frisches Heu von einem Bauern, der es auch an Pferde verfüttert. Wie gesagt: Ihre Verdauung ähnelt der von Nagern.
Weshalb ist Heu so gesund für sie?
Weil sie es mahlen und so ihre Zähne abschleifen. Beim Knabbern von Getreidekörnern oder Pellets gelingt das nicht und so müssen die Besitzerinnen und Besitzer oft für den Zahnabschliff zu mir kommen. Heu hat aber auch noch einen weiteren Vorteil.
Der wäre?
Durch das Mahlen entsteht vermehrter Speichelfluss, was für ein stabiles Magenklima sorgt. Gerade bei Kaninchen ist das wichtig.
Wieso?
Weil ihre Nahrung häufig zu kohlenhydratreich ist. Dadurch leiden sie unter starken, schmerzhaften Blähungen. Das kann schnell gefährlich werden. Zum Glück haben viele Nagerfutter-Produzenten dies jedoch gemerkt und verkaufen getreidefreies Futter.


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Auf Galaxus sind alleine für Meerschweinchen über 200 verschiedene Futtersorten erhältlich. Ist alles davon schlecht?
Man muss etwas unterscheiden. Von Körnchen, Stängeln, Rollis, Drops und Pellets mit Getreide würde ich abraten. Getreidefreie Pellets, trockene Erbsen- und Pastinakenflocken sowie Fenchelsamen hingegen können als Ergänzung zum Heu und Frischfutter in kleinen Mengen verfüttert werden. Auch verschiedene Kräuterheus bringen Abwechslung.



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Wie nützlich sind Vitamin-Tropfen?
Im Trinkwasser verpufft ihre Wirkung innerhalb von 20 Minuten. Tröpfelt man sie über das Futter, wirken sie eher. Bei einer ausgewogenen Ernährung braucht es sie aber meist nicht.
Um abzunehmen, ist bei den Nagern auch Bewegung wichtig. Worauf sollte man achten?
Am wichtigsten ist, dass sie einen grossen Käfig mit Auslauf haben.
Wie gross sollte der Käfig sein? Die Tierschutzverordnung schreibt für zwei Meerschweinchen eine Mindestfläche von 0,5 Quadratmetern (1 Meter x 50 Zentimeter) vor. Und für jedes weitere Tier 0,2 Quadratmeter. Reicht das?
Ich empfehle einiges mehr, für drei Meerschweinchen mindestens zwei Quadratmeter – je grösser das Gehege, desto besser.
Was fördert sonst noch ein gesundes Gewicht?
Es sollte nicht ständig ein gefüllter Futternapf vor den Nagern stehen. Besser animiert man sie zur Futtersuche. Zum Beispiel, indem man die Nahrung im Käfig verteilt oder mehrmals in kleinen Mengen füttert. Für mehr Bewegung sorgen auch mehr Kollegen.

Quelle: Darina Schweizer
Inwiefern?
Je grösser die Meerschweinchengruppe ist, desto häufiger kommt es zu Interaktionen. Das eine muss zum Beispiel weichen oder das andere rennt einem weiteren hinterher.
Was, wenn man keinen Platz für mehr Nager hat?
Dann kann man es auch mit vielen verschiedenen Beschäftigungen wie etwa Clickertraining versuchen. Das braucht jedoch viel Geduld sowie ein Tier, das nicht zu scheu ist. Und auch die Beschäftigung mit dem Tier ersetzt nicht das Leben in einer Gruppe.
Kann man Kaninchen zu einer Meerschweinchengruppe zählen?
Nein. Sie kommen zwar miteinander aus, sprechen aber nicht dieselbe Sprache.
Sprechen Sie dieselbe Sprache wie die Besitzerinnen und -besitzer, wenn Sie auf das Übergewicht ihrer Nager zu sprechen kommen?
Ja, in fast allen Fällen. Meist treffe ich nicht auf Gegenwehr, sondern auf erstaunte Gesichter, wenn wir über die richtige Ernährung sprechen. Und oft auch auf Mitleid, wenn sie ihren Tieren die Körnchen oder das Lieblingsleckerli wegnehmen sollen. Doch die Ernährungsumstellung muss auch nicht von heute auf morgen geschehen.
Wie denn?
Man gibt zum Beispiel nur noch am Sonntag Körnchen oder einen Teelöffel pro Tag. Und bald verspeisen die Nager, von denen man immer dachte, sie mögen kein Heu, dieses von Herzen gerne.
Warum das?
Ganz einfach: Würden Sie mit dem Salat beginnen, wenn ein Dessertbuffet vor Ihnen steht? (lacht)
Worauf achtest du beim Füttern deiner Nagetiere? Verrate es mir in einem Kommentar.
Titelfoto: Darina Schweizer

Ich mag alles, was vier Beine oder Wurzeln hat. Zwischen Buchseiten blicke ich in menschliche Abgründe – und an Berge äusserst ungern: Die verdecken nur die Aussicht aufs Meer. Frische Luft gibt's auch auf Leuchttürmen.