Produkttest

Leg&go: Dieses Holz-Laufrad ist ein Verwandlungskünstler

Katja Fischer
26.8.2022

Zuerst war’s die Holzoptik, dann haben es meiner Tochter auch seine inneren Werte angetan. Denn dank mehreren Aufbauoptionen wächst das Leg&go-Laufrad mit ihr mit. Und verschiedene Add-ons sollen das Zusammenleben spannend halten. Warum die junge Liebe trotzdem keine Zukunft hat.

Meine Tochter ist drei Jahre alt und schwer verliebt. Wobei von «schwer» hier eigentlich nicht die Rede sein kann: Ihr Schwarm ist ein Leichtgewicht. Schlank, aber mit natürlichen Rundungen. Zwar finanziell anspruchsvoll, dafür aber unkompliziert und agil. Leg&go, wie er heisst, soll nämlich mit ihr mitwachsen. Ein hehres Versprechen, an dem schon manches Paar gescheitert ist.

Es ist Liebe auf den ersten Blick, als der grosse Karton mit dem stylischen Balance Bike aus Birken-Multiplexholz vor unserer Haustüre steht. Ginge es nach meiner Tochter, fände das erste Date noch heute statt. Wir Eltern bremsen sie, das Leg&go muss schliesslich erst noch zusammengebaut werden. Und bei einem derart teuren Laufrad – 349 Franken kostet das gute Stück – ist schon besondere Sorgfalt angebracht.

Am Wochenende darauf schreiten wir zur Tat. Acht Minuten später steht das Bike schon abfahrbereit auf unserem Vorplatz. Wir sind alle überrascht, wie fix das ging. Noch kurz die Grösseneinstellung überprüfen, passt. Let’s Leg&go!

Das ging dir jetzt doch etwas zu schnell? Verständlich, der Reihe nach.

Runde Sache: Scharfe Kanten suchst du beim Leg&go vergeblich.
Runde Sache: Scharfe Kanten suchst du beim Leg&go vergeblich.

Der Aufbau: Vier Elemente in acht Minuten

Vier Elemente befanden sich in der Kartonbox: ein Hauptrahmen mit Hinterrad, eine Vordergabel mit Vorderrad, ein Mittelstück mit Sattel plus Lenkstange. «Balance Bike 3in1» heisst das Modell – entsprechend hatten wir drei Möglichkeiten, die Komponenten zusammenzuschrauben. Zu einer «Baby Version» mit tiefer gelegtem Sattel oder für Fortgeschrittenere zu einer klassischen «Balance Bike Version» sowie zu einer «Bouncy Version» für etwas mehr Action. Wir haben uns fürs Balance Bike entschieden und beschlossen, später noch die Hüpf-Option zu testen.

Die drei Aufbau-Optionen tragen zum Versprechen bei, dass das Bike mit dem Kind mitwächst. Das ist aber noch nicht alles: Hinzu kommen mehrere Bohrlöcher für eine flexible Einstellung der Höhe und Grösse des Gefährts.

Flexible Grösse dank Löchern: Das Leg&go wird zusammengesteckt …
Flexible Grösse dank Löchern: Das Leg&go wird zusammengesteckt …
... und zusammengeschraubt.
... und zusammengeschraubt.
  • Für die passende Vorderradgabelposition stehen vier Bohrlöcher am Hauptrahmen zur Verfügung.
  • Die beste Sattelposition bekommst du durch die Justierung an einem der sechs Löcher der Sattelhalterung.

Das klingt erstmal kompliziert, war in der Praxis aber relativ selbsterklärend und intuitiv einstellbar. Werkzeug brauchten wir, ausser dem beigelegten Inbusschlüssel und den zwei Schrauben, keine. Illustrationen in der Bedienungsanleitung halfen, die von uns gewählte Einstellung am Ende zu überprüfen. Erstaunt stellten wir fest: Die Grösse des Laufvelos haben wir nun offenbar fast schon ausgereizt.

Erste Punktevergabe

Mitwachsen? Nur, wenn die Tochter Benjamin Button hiesse und bald rückwärts altern würde. Gut, für ihre dreieinhalb Jahre ist sie mit 104 Zentimeter verhältnismässig grossgewachsen. Aber die «Balance Bike Version» verspricht eigentlich einen Einsatz bis für Fünfjährige – und bis dahin dauert es doch noch eine Weile. Auf der Website des lettischen Herstellers suchte ich eine Grössenangabe und fand beim entsprechenden Modell gleich zwei. Einmal 115 Zentimeter, ein paar Zeilen weiter 110 Zentimeter. Ich resümiere: Das Laufrad passt höchstens für klein gewachsene Fünfjährige. Diesen Minuspunkt hat das Leg&go schon mal eingefahren.

Dafür aber auch einige Pluspunkte. Was sofort aufgefallen ist: Es ist sehr leicht. 3,3 Kilogramm zeigt die Waage an. Zum Vergleich: Das «Kokua Jumper» von Like a Bike, mit dem meine Tochter sonst durch die Gegend flitzt, wiegt 3,8 Kilogramm. Das «Bonsai»-Rad von Early Rider, das ebenfalls aus Holz ist und im kürzlichen Test von Stiftung Warentest das Prädikat «gut» erhielt, hat ein Gewicht von 3,75 Kilogramm. Definitiv eine Stärke des Leg&go – denn weniger ist mehr, wenn es darum geht, die Balance zu finden.

Zur besseren Kontrollierbarkeit tragen ebenso die unterschiedlich grossen aufblasbaren Reifen bei: Das Vorderrad weist 14 Zoll auf, das Hinterrad nur 12 Zoll. Das habe ich noch an keinem anderen Laufrad gesehen. Ein Extrapunkt fürs Bike für den Extrahalt der Fahrerin.

Der Lenker ist auffallend schmal und der Lenkradius aufgrund einer Lenkeinschlag-Begrenzung klein, um vor scharfen Kurven zu schützen. Fürs Fahrvergnügen aber vielleicht zu klein? Wir werden’s bald sehen.

Lenkbegrenzung: Weiter nach links einschlagen ist nicht möglich.
Lenkbegrenzung: Weiter nach links einschlagen ist nicht möglich.

Die erste Fahrt: Über Stock, Stein und Wellen

Es geht los in Richtung Pumptrack im Dorf. Der Weg führt über Asphalt und Pflastersteine, was Tochter und Bike mühelos meistern. Der Holzrahmen federt die Stösse ab, das ist nicht nur sicht-, sondern auch hörbar. Oder um es in den Worten der Testerin auszudrücken: «Mami, es macht einen Ton.» An das leise Knarren ihres neuen Freundes gewöhnt sie sich aber rasch, seine Flexibilität schenkt ihr dafür umso mehr Fahrspass. Inspirationsquelle für die Holzkonstruktion war laut Hersteller übrigens der finnische Architekt und Designer Alvar Aalto, der in den 1930er-Jahren als Erster für seinen ikonischen Stuhl Paimio den natürlichen Federeffekt nutzte.

Im Pumptrack angekommen, entpuppt sich die Lenkeinschlag-Begrenzung bald als Sicherheitshilfe, um in der Spur zu bleiben. Für ein anderes Terrain und schärfere Kurven liesse sie sich entfernen, hier aber stört sie nicht und wird sogar zum Vorteil. Zügig und vor Freude quietschend brettert meine Tochter über die Pumptrack-Wellen, ich renne filmend (und keuchend) neben (und bald hinter) ihr her.

Wellenreiterin auf zwei Rädern.
Wellenreiterin auf zwei Rädern.

Nach einer halben Stunde rüsten wir zur «Bouncy Version» um. Die Transformation ist ein Kinderspiel und dauert rund zwei Minuten – genauso wie die Re-Transformation, die wir bald schon vornehmen. Die Tochter hat nämlich keine Lust aufs nächste Beziehungslevel, das Rumgehüpfe ist ihr zu viel des Guten. Sie streikt, bis sie ihre Balance-Version zurück hat.

Die hat sie umso lieber und testet sie in den folgenden Testtagen noch ausgiebig. Ihren alten «Kokua Jumper» lässt sie derweil links liegen. Der Reiz am Neuen.

Die Bouncy-Version ist rasch zusammen, die Testerin mag dann aber doch nicht hüpfen.
Die Bouncy-Version ist rasch zusammen, die Testerin mag dann aber doch nicht hüpfen.

Die Zusatzteile: Schaukel bis Schlitten

Kehrt irgendwann jedoch auch mit dem Leg&go der Beziehungsalltag ein, ist Zeit für frischen Wind. Oder: die Pedale. Unsere Tochter kann schon ein paar ordentliche Runden mit dem Fahrrad der grossen Schwester drehen. Für Strecken abseits unseres Hausvorplatzes blieben wir bislang aber auf der sicheren Seite mit dem Laufrad. Beim Leg&go hätten wir die Möglichkeit, uns für 149 Franken einen Pedalen-Zusatz zu kaufen, würden also erstmal kein anderes Fahrrad benötigen. Theoretisch. Weil die Rahmengrösse aber sowieso schon bald ausgereizt ist, bliebe dieses Feature wohl eine nette, aber nicht lohnenswerte Spielerei. Da krallen wir uns doch lieber wieder den 16-Zöller der Schwester.

Die weiteren Add-ons dürften das Zusammenleben aber tatsächlich spannend erhalten. Eine Fussablage mit Bremse etwa, die das Bike in eine Downhill-Version verwandelt. Ein Gepäckträger für eine Dreirad-Version. Oder eine Elefantenschaukel für erste Balance-Erfahrungen. Und bald soll’s mit dem «Polar Bike»-Modul auch noch in den Schnee gehen.

Ein Bike, acht Optionen. Sofern du dir die Zusatzteile anschaffst.
Ein Bike, acht Optionen. Sofern du dir die Zusatzteile anschaffst.
Quelle: Leg&go

Für meine Tochter bleibt das Leg&go aber ein kurzer Lebensabschnittspartner. Ihre Wege trennen sich bereits wieder. Sie ist einfach schon zu gross für das Bike. Der Altersunterschied war dann doch zu gross. Sie behält ihn aber in guter Erinnerung und blickt aber wehmütig auf die kurze gemeinsame Zeit zurück: «Mega lässig» sei das Laufvelo gewesen, sagt sie.

Fazit: Toll ist teuer

Pluspunkte:

  • Leichtgewicht
  • Grössenverstellbarkeit
  • Holz-Design mit Federeffekt
  • Unterschiedliche Radgrössen
  • Spannende Add-ons

Minuspunkte:

  • Preis
  • Für Pedalen-Option bald zu klein

Keine Frage, das Leg&go ist ein toller Begleiter für dein Kind. Vor allem, wenn du seine Vorzüge schon früh nutzt. Für Kleinkinder, die sich noch am Anfang (Baby Bike) oder vor (Schaukel oder Dreirad) ihrer Laufvelo-Karriere befinden, lohnt sich der tiefe Griff ins Portemonnaie. Immerhin ist das Bike wertstabil und lässt sich bei entsprechender Pflege auch nach ein paar Jahren noch gut weiterverkaufen.

Wie lange es hält, hat der Hersteller übrigens getestet: Er schickte es auf virtuelle Weltreise, wobei ein Druckzylinder die Rolle eines 30 Kilogramm schweren Kindes auf dem Sattel imitierte. Das Gefährt fuhr 300 Tage hintereinander über imitierte holprige Strassen und legte mehr als 40 000 Kilometer zurück – es rollte also einmal um die Erde. Beste Voraussetzungen für eine (oder mehrere) langjährige(n) Partnerschaft(en).

Das Leg&go bietet viele Möglichkeiten für viel Geld.
Das Leg&go bietet viele Möglichkeiten für viel Geld.

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Anna- und Elsa-Mami, Apéro-Expertin, Gruppenfitness-Enthusiastin, Möchtegern-Ballerina und Gossip-Liebhaberin. Oft Hochleistungs-Multitaskerin und Alleshaben-Wollerin, manchmal Schoggi-Chefin und Sofa-Heldin.


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