

Kratzbaum – warum bist du so hässlich?
Die Hauskatze ist anspruchsvoll. Sie braucht Möglichkeiten, um sich zurückzuziehen, die Wohnung und ihre Halter zu überblicken und ihre Krallen zu wetzen. Müssen diese Möglichkeiten aber immer hässlich sein?
Eine kurze Suche nach den Bestsellern im Bereich Kratzbaum attestiert unserer Kundschaft einen grauenhaften Geschmack. Da finden sich sperrige, mehrstöckige, mit Kunstfell und Velours bezogene Installationen, welche direkt aus einem schlechten 60er-Jahre Science-Fiction-Soft-Erotik-Film zu stammen scheinen.

Es dünkt mich wahrscheinlich, dass sich die Katzenbaum-Designer:innen hauptberuflich als Innenausstatter von Bordellen oder Swingerclubs eine goldene Nase verdient haben, ihre Dienste aber seit geraumer Zeit nicht mehr gefragt sind. Selbst Bordelle und Swingerclubs sind heute von lila Kunstfell und beigem Velours auf dunkles Leder und bordeauxroten Samt umgestiegen und haben sich damit designtechnisch emanzipiert. Kratzbäume hingegen sind in ihrer Ästhetik bei Barbarella stehengeblieben.
Ich weiss: Alles für die kleinen Lieblinge und so. Sie sollen sich wohlfühlen und austoben können. Das rechtfertigt die Anschaffung einer solch hässlichen Installation keinesfalls. Ich ziehe die Grenze klar bei mit Sisal umwickelten Kartonröhren, auf die mit Kunstfell betackerte Sperrholzplatten geschraubt wurden. Scheinbar gibt es aber keine Alternative zum Soft-Porno-Kratzbaum. Das beweisen katzenbesitzende Menschen in meinem Umfeld, die sich diese höllischen Ausgeburten der tierfreundlichen Idealvorstellung nicht ins Wohnzimmer stellen wollen, aber dennoch eine besitzen. Die verschwinden dann diskret in einem Zimmer, das beim Wohnungsrundgang mit dem Kommentar «und hier sind die Katzen, das interessiert dich eh nicht» ausgelassen wird. Das ist ganz in meinem Sinne: Im Wohnzimmer wohnt der Mensch, fertig.
Wohnst du noch oder kratzt du schon?
Es kommt aber vor, dass sich Mensch dem Tier unterwirft. So geschehen neulich bei einem befreundeten, von aussen ganz normal wirkenden Paar. Er arbeitet bei der Bank, sie macht irgendetwas mit Medien. Netterweise haben sie mich zum Apéro eingeladen, wo mich beinahe der Schlag traf. Mitten im Wohnzimmer stand ein Monstrum von einem Katzenbaum, der den halben Raum mit seinen verwinkelten Nischen und langen Armen einnahm. Mehrere Hängematten, vier Höhlen und fünf Ebenen hatte das neu angeschaffte Exemplar. Aus Verlegenheit und mangels besserer Optionen platzierte ich mein leeres Apéro-Glas dann auf einer der zwölf abgestuften Etagen. Sofort und sehr bestimmt wurde ich von den Gastgebern darauf hingewiesen, dass die Konstruktion «für die Katze» sei und ich mein leeres Glas doch in die Küche stellen sollte.
«Die Katze» war allerdings nirgends zu sehen. Sie hatte es sich nämlich in einer Kartonschachtel in einem Einbauschrank gemütlich gemacht, wo sie auch durch liebliches Zureden und «Ts, Ts, Ts»-Laute nicht hervorzukriegen war. Der Schrank sei ihr Lieblingsplatz und sie müsse sich eben noch an den neuen Kratzbaum gewöhnen, versicherten die Gastgeber. Ich hatte meine Zweifel. Katzen haben ihren eigenen Willen, Stil und Geschmack. Ich würde mich auch nicht in diese Pornospielwiese legen. Tatsächlich war die Anschaffung des Möbels «für die Katz».
Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.