Siri Schubert
Produkttest

Im Test: Der neoprenfreie Surfanzug von Prolimit bietet Wärme auch im Winter

Neoprenfreie Neoprenanzüge? Klingt absurd. Doch genau das bietet die niederländische Marke Prolimit ab diesem Jahr bei allen ihren Wassersportanzügen. Ob ein solcher Anzug selbst bei Minustemperaturen performt, habe ich im Härtetest auf der Surfwelle in München und auf Schweizer Seen herausgefunden.

Die Wassersportsaison ist längst nicht mehr auf den Sommer beschränkt. Dickere, gefütterte und flexiblere Neoprenanzüge machen's möglich. Und selbst wenn es mich fürs Wintersurfen nicht auf die Lofoten zieht wie den Arctic Surfer, schaffte ich es doch bis zum O2 Surftown Munich, Europas grösstem Surfpark im Norden von München.

Hier will ich einen der neuen neoprenfreien Wetsuits der niederländischen Marke Prolimit testen. Angesichts der Kälte entscheide ich mit für den «Mercury TR Hooded FreeX 6/4», einen Anzug mit einer Dicke von sechs Millimetern am Rumpf und vier Millimetern an Armen und Beinen, der komplett ohne erdölbasiertes Neopren auskommt.

Ohne Neopren, dafür mit Austernschalen, recycelten Reifen und Sojaöl kommt der Prolimit Nassanzug daher.
Ohne Neopren, dafür mit Austernschalen, recycelten Reifen und Sojaöl kommt der Prolimit Nassanzug daher.
Quelle: Siri Schubert

Auf die Welle bei Minustemperaturen

Sommer, Strand und Sonnenschein – nichts davon trifft auf mein Surferlebnis in München zu. An diesem Dezembertag sind fast alle Surfsessions ausgebucht, glücklicherweise kann ich noch einen Termin um 17:45 Uhr ergattern. Es ist bereits dunkel, das Thermometer zeigt -3 Grad und die Wassertemperatur liegt bei 5 Grad. Auf den breiten Geländern, die den Wave Pool umgeben, hat sich eine Eisschicht gebildet.

Schon beim Anziehen fällt mir auf, wie flexibel der Anzug ist. Er fühlt sich durch die hohe Dehnbarkeit fast etwas dünn an und ich zweifle für einen Moment, ob er wirklich für diese Temperaturen geeignet ist. Im Inneren des Anzugs befindet sich eine kuschelig weiche Fleeceschicht aus recyceltem Polyester, die mich hoffen lässt, dass es so kalt dann doch nicht werden wird.

Die weiche Fleeceschicht aus reyceltem Polyester im Inneren sorgt für angenehme Wärme.
Die weiche Fleeceschicht aus reyceltem Polyester im Inneren sorgt für angenehme Wärme.
Quelle: Siri Schubert

Geschlossen wird er mit dem für Surfanzüge inzwischen üblichen kleinen Reissverschluss über der Brust, der verhindern soll, dass viel Wasser eindringt. Die Haube sitzt eng, was mich ebenfalls vor kaltem Wasser schützen soll.

Durch den kurzen Reissverschluss wird verhindert, dass zu viel Wasser ins Innere des Anzugs gelangt.
Durch den kurzen Reissverschluss wird verhindert, dass zu viel Wasser ins Innere des Anzugs gelangt.
Quelle: Siri Schubert

Ab ins kühle Nass

Beim Briefing vor der Surfsession treffe ich die anderen in stretchigem Schwarz gekleideten Surferinnen und Surfer, mit denen ich mir die rechtslaufende Welle teilen werde. Sechs Millimeter dicke Anzüge scheinen der Standard für diese Temperaturen zu sein, kombiniert mit Haube, Handschuhen und Füsslingen.

Als ich ins Surfbecken gehe, bin ich positiv überrascht. Es dringt kein Wasser durch das Gummi und die gut verklebten Nähte. Meine Haut bleibt dadurch weitgehend trocken und folglich warm. Nur am oberen Rücken und im Brustbereich fühle ich etwas Feuchtigkeit. Das ändert sich auch nicht gross, als ich eine der Wellen nicht erwische und im Weisswasser herumgewirbelt werde.

Die Wellen sind so getaktet, dass ich immer in Bewegung bleibe. Kein Warten, sondern eine Abfolge von Anpaddeln, Surfen und wieder zum Einstieg laufen. Dadurch verringert sich die Wahrscheinlichkeit, auszukühlen. Zwar werden Hände und Füsse nach einiger Zeit unangenehm kalt, doch der Körper bleibt warm. Das Gleiche erlebe ich am nächsten Tag, als ich erneut eine abendliche Session auf der Welle buchen kann.

Beide Male bin ich unter dem Anzug weitgehend trocken geblieben. Perfekt! Auch wenn es vor Ort warme Duschen gibt, kann ich so den Heimweg antreten und mit dem Duschen warten, bis ich wieder im Hotel bin.

Auch zum Pumpfoilen geeignet

Zurück in der Schweiz will ich die wärmende Gummikleidung auch auf heimischen Gewässern testen. Diesmal nicht auf einer Welle, sondern beim Pumpfoilen. Als Anfängerin lande ich noch oft im Wasser. Auch hier bleibe ich während meiner einstündigen Übungssession angenehm warm. Allerdings kommt mehr Wasser in den Anzug als beim Surfen, was vermutlich daran liegt, dass ich beim Fallen nicht ins Weisswasser, sondern tiefer und mit mehr Schwung ins grüne Wasser eintauche, wo der Druck höher ist.

Da ich als Anfängerin beim Pumpfoilen noch oft im Wasser lande, sind mir die Wärme und Bewegungsfreiheit des Anzugs besonders wichtig.
Da ich als Anfängerin beim Pumpfoilen noch oft im Wasser lande, sind mir die Wärme und Bewegungsfreiheit des Anzugs besonders wichtig.
Quelle: Siri Schubert

Bei der Flexibilität merke ich im Vergleich zu herkömmlichen Neoprenanzügen keinen Unterschied. Der Anzug aus Naturkautschuk bietet hohe Bewegungsfreiheit, sowohl bei den Pop-Ups beim Wellenreiten als auch bei den explosiven Kniebeugen beim Pumpfoilen.

Warum ein neoprenfreier Anzug?

Dass erdölbasierte Neoprenanzüge zwar warm halten, aber nicht gerade umweltfreundlich sind, ist seit langem bekannt. Deshalb bemühen sich Unternehmen wie Prolimit, Patagonia und Soöruz, Alternativen zu finden.

Nassanzüge (wie die gummiartige Wassersportbekleidung wohl besser heissen sollte) auf Kalksteinbasis waren ein erster Schritt. Doch der ganz grosse Durchbruch blieb aus. Schliesslich wird Kalkstein in Minen abgebaut, ist nicht erneuerbar und beeinflusst den Grundwasserspiegel. Im Vergleich zu Neopren ist es zwar umweltfreundlicher, doch bei der Verarbeitung wird viel Energie benötigt, was ebenfalls negativ zu Buche schlägt.

Mit Kautschuk ging die Reise in Richtung Nachhaltigkeit weiter. Doch auch hier gibt es negative Aspekte. Denn Kautschukplantagen können zur Abholzung von natürlichen Wäldern beitragen, selbst wenn die Kautschukbäume selbst nicht gefällt werden und bis zu 30 Jahre lang Gummi produzieren können. Ob die Zertifizierung des «Forest Stewardship Councils (FSC)» eine Verbesserung bringt, wurde von Organisationen wie Greenpeace und anderen in der Vergangenheit angezweifelt. Der WWF empfiehlt dagegen FSC-zertifizierte Produkte.

Das Label des Forest Stewardship Councils ziert den Surfanzug aus Kautschuk, Muschelschalen und Sojaöl.
Das Label des Forest Stewardship Councils ziert den Surfanzug aus Kautschuk, Muschelschalen und Sojaöl.
Quelle: Siri Schubert

Für Prolimit ist Naturkautschuk zumindest die derzeit beste Alternative. Anders als das ebenfalls auf natürlichem Gummi basierende Yulex enthält das von Prolimit verwendete Natureprene nach eigenen Angaben 82 bis 90 Prozent biobasierte Rohstoffe. Bei Yulex sollen es dagegen 63 Prozent sein.

Zudem verwendet Prolimit Austernschalen, Sojaöl, recyceltes Polyester und wasserbasierte Farben in ihren Anzügen. Allein beim Färbeprozess spart das Unternehmen pro Anzug nach eigenen Angaben 119 Liter Wasser oder 91 Prozent verglichen mit traditionellen Färbemethoden. Und hat angekündigt, dass bis 2026 alle ihre Surfanzüge recycelbar sein sollen.

Fazit

Stretchy und warm für Wassersport im Winter

Die Frage, ob ein völlig neoprenfreier Surfanzug in Bezug auf Wärme und Flexibilität das leistet, was ich von traditionellen, neoprenbasierten Anzügen gewohnt bin, kann ich eindeutig mit Ja beantworten. Der «Mercury TR Hooded FreeX 6/4» von Prolimit hält auch bei Minustemperaturen warm und ist so stretchy, dass die Take Offs beim Surfen und die Pumpbewegungen beim Foilen kein Problem sind. Dass der Anzug nach Angaben des Unternehmens hypoallergen ist, sehe ich als weiteren Pluspunkt, da ich in der Vergangenheit von verschiedenen Neoprenanzügen Hautausschlag bekam.

Pro

  • basierend auf nachwachsenden Rohstoffen
  • hypoallergen
  • in der 6/4-Millimeter-Variante fürs Wintersurfen geeignet
  • Dehnbarkeit ermöglicht hohe Bewegungsfreiheit
  • wärmendes Innenfutter aus recyceltem Polyester
Prolimit Mercury TR Hooded FreeX 6/4 (50)
CHF479.–

Prolimit Mercury TR Hooded FreeX 6/4

Titelbild: Siri Schubert

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Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.


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