Hintergrund

Guter Atem, weniger Karies: Warum du täglich deine Zunge reinigen solltest

Annalina Jegg
18.7.2023

Übers Zähneputzen denkst du gar nicht nach, sondern machst es einfach. Doch was ist mit deiner Zunge? Falls du bislang noch nicht mit Zungenbürste und Paste deine Zunge schrubbst, tust du das ziemlich sicher nach dem Lesen dieses Artikels.

Was würden wir tun ohne die Zunge? Wir könnten weder schmecken noch sprechen, könnten keine Zungenküsse austauschen oder jemand anderem, ätsch, die Zunge rausstrecken. Gut, letzteres tun natürlich nur Kinder – und Erwachsene in manchen Regionen Tibets, etwa in der Gegend des Bergs Kailash: Dort beweist man mit dem Begrüßungsritual des Zungezeigens (einst erfunden von Mönchen), dass man zu den «Guten» gehört und keine schwarze Zunge hat. Denn die trägt dem Glauben nach nur der Teufel.

Übrigens ist die Zunge der einzige Muskel im menschlichen Körper, der ohne Unterstützung des Skeletts arbeitet. Im Wirkungsfeld der Zunge, in der Mundhöhle, hat die Forschung bislang 700 verschiedene Bakterienarten identifiziert. Damit beherbergt die Mundhöhle nach dem Darm die zweitgrößte Gesamtheit an Mikroorganismen im Körper. Und wie jedes Mikrobiom ist auch dieses ein wichtiger Bestandteil deines Immunsystems.

Grund genug also, unter Mundhygiene nicht nur das Zähneputzen zu verstehen, sondern auch die Zungenhygiene. An Schulen im Kanton Basel-Stadt ist übrigens das Zungenputzen ab der 3. Klasse schon in die übliche Zahnhygiene durch Zahninstruktorinnen und -instruktoren integriert.

Warum ist Zungenhygiene wichtig?

Ob deine Zunge gesund ist, siehst du ganz leicht, wenn du sie dir vor dem Spiegel selber rausstreckst: Eine gesunde Zunge ist rosafarben, feucht, ohne Flecken, Furchen oder weißen Belag. Letzterer kann unterschiedliche Ursachen haben: Mangelnde Mundhygiene, aber auch aggressive Mundspülungen mit Wasserstoffperoxid, eine kohlenhydratreiche Ernährung oder übermäßiger Alkohol- und Nikotingenuss begünstigen weißen Zungenbelag. Wieder ein Grund, sich ausgewogen zu ernähren.

Doch egal, ob eher fleischfarben oder weißlich – bei jedem Menschen gilt: «Etwa 80 Prozent der Bakterien im Mund sitzen auf der Oberfläche der Zunge», sagt die Wiener Zahnärztin Dr. Karin Vornwagner. Und weil die Zunge eine raue Oberfläche hat, können sich Bakterien gut in sauerstoffgeschützten Grübchen und Nischen ansammeln. Eingebettet in eine komplexe Schleimschicht aus Mikroorganismen, sind besonders die «tiefen und adhärenten Schichten dieses Biofilms ein hervorragender Lebensraum für gramnegative anaerobe Mikroorganismen», schreiben die Autorinnen und Autoren um den Basler Fachzahnarzt für Oralchirurgie Prof. Dr. Andreas Filippi in diesem Fachbeitrag.

Diese Bakterien zersetzen organisches Material aus der Nahrung oder dem Speichel. Hauptsächlich ernähren sie sich allerdings von Aminosäuren aus abgestorbenen Schleimhautzellen unter dem Zungenbelag. Die Folge: Schwefelverbindungen entstehen. Die wiederum lassen in Verbindung mit Luft den Atem stinken – Mundgeruch-Alarm. Was man heute weiß: Wer unter Halitosis leidet, hat auf der Zunge eine Bakteriendichte pro Flächeneinheit, die bis zu 25-fach höher ist als bei Menschen ohne Mundgeruch. Übrigens: Zahnarzt-Praxen und Kliniken bieten vielfach spezielle Halitosis-Sprechstunden an.

Mundgeruch: Nur mechanische Zungenreinigung hilft

Wie aber bekommst du, selbst wenn du nicht unter schlechtem Atem leidest, den Belag wieder weg? Der mit lauter gramnegativen anaeroben Bakterien besetzte Biofilm kann «von außen durch Reduktion oder Veränderung der Ernährung nur unzureichend beeinflusst werden», heißt es im zitierten Aufsatz von Filippi et al.. «Auch chemische Substanzen in Mundspüllösungen, Lutschpastillen oder Kaugummis dringen nicht in genügendem Ausmaß in den Biofilm ein. Die einzige suffiziente Maßnahme ist – analog zur Biofilmentfernung auf den Zähnen – die mechanische Zungenreinigung.»

Laut Studien verringert eine mechanische Zungenreinigung zwar nicht die Bakterienzahl. Doch das Säubern kann den Zungenbelag (und damit auch den Mundgeruch) reduzieren. Schließlich geht die Zungenreinigung die flüchtigen Schwefelverbindungen an, die die anaeroben Bakterien erzeugen, und beseitigt sie. Außerdem fanden die Wissenschaftler heraus: Der Geschmackssinn verbessert sich besonders bei älteren Menschen, wenn man regelmäßig die Zunge reinigt.

Zunge reinigen: Schaber oder Bürste – welche Tools sind am besten?

Um die Zunge zu reinigen, gibt es verschiedene Tools. Prinzipiell funktioniert es auch mittels herkömmlicher Zahnbürste; manche Zahnbürsten haben speziell dafür auf der Rückseite des Bürstenkopfs extra Lamellen, die sich für die Zungenreinigung eignen sollen. Das Problem: Der meiste Zungenbelag befindet sich auf dem hinteren Drittel der Zunge – da kommst du mit der Bürste nur schwer hin, ohne den Würgereiz auszulösen. Der hohe Bürstenkopf der Zahnbürste schrubbet nämlich schnell mal am Gaumenzäpfchen. Plus: Die Fläche des Bürstchens ist für eine effektive Reinigung tendenziell zu klein und die Borsten zu weich.

Fachleute empfehlen daher etwas anderes: Eigens zur Zungenreinigung entwickelte Zungenbürsten. Diese sehen ähnlich aus wie Zahnbürsten, haben aber einen flachen Bürstenkopf, mit entweder kurzen Borsten oder Lamellen.

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Außerdem gibt es Zungenschaber in unterschiedlichen Ausführungen: Manche sind löffelförmig, andere haben eine Art Schlinge, mit der die Zunge abgeschabt wird. Wieder andere sehen aus wie ein rundes V oder ein v-förmiges U.

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Allerdings empfehlen Ärztinnen und Ärzte wie der Basler Halitosis-Experte Filippi diese Zungenschaber mit dem heutigen Wissensstand der Forschung nicht mehr uneingeschränkt: «Sie können lediglich die oberen Belagschichten entfernen und beeindrucken dabei die gramnegativen Anaerobier in der Tiefe des Epithels nicht. Das erklärt auch, warum die Wirkungsdauer nach Verwendung von Zungenschabern deutlich kürzer ist als nach der Reinigung mit Zungenbürsten», schreibt er in seinem Kompendium «Halitosis. Professionelle Behandlung von Mundgeruch in der zahnärztlichen Praxis». Und weiter: «Außerdem ist die Verletzungsgefahr mit Zungenschabern um ein Vielfaches höher.»

Zusätzlich zur speziellen Zungenbürste sollten unbedingt Zungenpasten verwendet werden, um die Wirkungsdauer der Reinigung zu verlängern.

Zungenbürste richtig anwenden: So geht’s ohne Würgen

Im Grunde ist das Zungenreinigen dem Zähneputzen sehr ähnlich: Paste einmassieren, abschrubben, fertig. Doch es braucht ein wenig Übung und am besten einen Spiegel, zumindest für die ersten Sitzungen.

Als erstes die Zunge weit herausstecken und die spezielle Zungenpaste mit der Zungenbürste sanft einmassieren. Wichtig: Die Bürste nicht zu weit hinten ansetzen – maximal bis zum höchsten Punkt der Zunge, dem erkennbaren «top of the hill». Wer weiter nach hinten («dorsal») geht, riskiert Verletzungen an der Zungenoberfläche.

Die Paste nun mit der Bürste einmassieren, um anschließend mit ihr den entstandenen Schaum von hinten nach vorne abzuziehen. Expertin Vornwagner sagt: «Den Zungenreiniger am besten morgens nach dem Aufstehen, aber vor dem Zähneputzen verwenden.» Über Nacht lagern sich Abfallstoffe auf der Zunge ab, die dann einfach abgeschabt werden können. Bei Mundgeruch, der tatsächlich orale Ursachen hat, empfiehlt sich die Reinigung sogar zwei- bis dreimal täglich.

Gut möglich, dass das Zungenschaben einen Würgereiz auslöst. «Mein Tipp: Konzentrieren und durch die Nase atmen», sagt Zahnärztin Vornwagner. Was außerdem hilft: Die Augen während der Prozedur zu schließen und/oder die Zungenspitze festzuhalten. Und nicht zuletzt macht auch bei der Zungenreinigung Übung den Meister: Wer regelmäßig die Zunge blank putzt, würgt nicht mehr, schafft aber die besten Voraussetzungen für eine rundum gesunde Mundhöhle. Dazu erneut Experte Filippi in seinem Kompendium: «Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass Zungenreinigung auch eine kariesprotektive Wirkung hat und die Therapie von Parodontitis marginalis und Periimplantitis positiv beeinflussen kann.» Die Zunge regelmäßig zu säubern, verhilft im besten Fall also nicht nur zu besserem Atem, sondern schützt offenbar auch vor Karies und kann bei Zahnfleischentzündungen helfen.

Titelfoto: shutterstock

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Annalina Jegg
Autorin von customize mediahouse
oliver.fischer@digitecgalaxus.ch

Mich buchstabiert man so: Aufgeschlossen, Nachdenklich, Neugierig, Agnostisch, Liebt das Alleinsein, Ironisch und Natürlich Atemberaubend.
Schreiben ist meine Berufung: Mit 8 habe ich Märchen geschrieben, mit 15 «supercoole» Songtexte (die nie jemand
zu lesen bekam), mit Mitte 20 einen Reiseblog, jetzt Gedichte und die besten Beiträge aller Zeiten! 


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