Produkttest

Fanny Pack – aber nur für Fernreisen

Jahrelang habe ich Freunde verachtet. Vor vier Wochen habe ich mir nun selber ein Exemplar zugelegt. Die Rede ist von der Bauchtasche. Das Ding ist leider echt praktisch – zumindest für Fernreisen.

Für mich war die Bauchtasche jahrelang ein klares modisches No-Go. Meine Eltern binden sie sich mit Leckerli gefüllt um die Hüfte für den Hundespaziergang. Amerikanische Väter mit New-Balance-Schuhen und schnittigen Oakley-Sonnenbrillen schnallen sie sich ganz selbstverständlich auf jedem Städtetrip um. Und auf jeder aargauischen Hundsverlocheten zierten sie schärpenähnlich die gesamte anwesende Dorfjugend.

Peinlich. Niemals würde ich mir so ein Ding kaufen. Praktikabilität hin, Praktikabilität her. Lieber tut mir meine Schulter weh, weil einseitig ein Jutebeutel an mir herunterhängt. Lieber stopfe ich alles in Crossbody-Bags, die sich nur sehr unsicher verschliessen lassen. Sogar trage ich lieber einen Rucksack und nehme ihn an überfüllten Plätzen vor die Brust.

Klar, unterdessen gibt es die kleinen Taschen auch in der Designervariante. An durchgestylten Models schweben sie dann über die Laufstege dieser Welt. Und das sieht tatsächlich elegant und grazil aus. Nur leider bin ich weder Model noch werde ich morgens von sechs Händen verschönert. An mir wirkt die Bauchtasche trampelig und unkultiviert. Was anderes lasse ich mir auch von Hochglanzbildern nicht einreden.

So noch meine Meinung vor wenigen Wochen. Und dann kam Indien.

Drei Tage vor Abflug klickte ich mich durchs Bauchtaschen-Sortiment. Eine Hochzeit in Delhi und anschliessendes Alleinreisen durch den Nordosten des Landes liessen mich an meiner Bockigkeit zweifeln. In Indien leben knapp 1,4 Milliarden Menschen. Gedränge wird eher Norm als Ausnahme sein. Ausserdem würde ich in Nachtzügen schlafen, in denen ich wahrscheinlich froh sein werde, meine Wertsachen nah bei mir tragen zu können.

Das Modell Springer von Eastpak in dezentem Schwarz landet im Warenkorb.

Und was soll ich sagen. Täglich habe ich mir das Ding analog zu der Aargauer Partygänger umgeschnallt. Das diagonale Tragen schien mir am Ende doch stilvoller als die Ranzenvariante. Pass, Geld, Kamera, Handy, Lippenpomade und Kaugummi waren stets griffbereit. Beim Essen am Strassenrand kam mir das Ding nicht in die Quere. Und die geringe Grösse zwang mich zur Priorisierung, wofür mir mein Körper mit lockeren Schultermuskeln dankte. Weiterer Pluspunkt: Weil ich das Täschli nie ausziehen musste, konnte ich es auch nirgends liegenlassen (im Gegensatz zu einem Buch und einem Leinenhemd).

Zugegeben: Mit einem Schirm zwischen den Beinen, einem Blumenkranz um den Hals und Samosa in den Backen stellt die Bauchtasche ein eher geringes Problem dar.
Zugegeben: Mit einem Schirm zwischen den Beinen, einem Blumenkranz um den Hals und Samosa in den Backen stellt die Bauchtasche ein eher geringes Problem dar.

In Indien war ich der kleinen Tasche unglaublich dankbar für ihre Dienste. Seit ich wieder zurück in der Schweiz bin, hängt sie aber trostlos an einem Garderobenhaken. Hier habe ich die uneingeschränkte Auswahl all meiner Taschen und Kleider und komme auch mitten in der Stadt Zürich kaum jemals in Bedrängnis. Und vor allem: Ich bin viel eitler. In kein Restaurant, in keine Bar, in kein Museum kommt das Ding mit. Als Touristin wie eine Touristin auszusehen, ist noch knapp in Ordnung. Als Einheimische aber will ich partout nicht mit einer Reisegruppe-Teilnehmerin auf dem Weg nach Interlaken verwechselt werden.

Das Fanny Pack hat ausgedient. Zumindest solange, bis ich mich wieder auf Reisen in die Ferne begebe und ich meine modische Würde zusammen mit meinem 70-Liter-Rucksack am Check-in-Schalter abgebe.

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Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.


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