«Einfach bei Ali bestellen? Ganz so einfach ist es dann eben nicht»
Hinter den Kulissen

«Einfach bei Ali bestellen? Ganz so einfach ist es dann eben nicht»

Batterien, Ladegeräte und Kabel – diese Produkte gibt es seit einigen Wochen nicht nur von Markenherstellern, sondern auch direkt von Digitec. Was steckt hinter der Idee der Eigenmarken-Produkte? Ein Interview mit dem Kopf hinter der Strategie.

Die beste Antwort auf diese Frage kann Osman Erdogan geben. Sein Job-Titel: Leader Trade Brand Management. Oder auf gut Deutsch: Er ist der Kopf hinter den Eigenmarken bei der Digitec Galaxus AG.

Osman Erdogan ist seit 2015 bei Digitec Galaxus. Seit September 2022 ist der 47-Jährige für das Eigenmarken-Sortiment im Shop zuständig. Mit seinem dreiköpfigen Team hat er seitdem mehrere Eigenmarken-Serien verantwortet. Ein weiterer Ausbau ist geplant.

Ich musste mich nicht besonders anstrengen, um die Fragen für das folgende Interview zu finden. Die Community hat sie mir quasi auf dem Silbertablett serviert. Ich nehme einfach die Punkte, die in den Kommentaren zu lesen waren, als wir die neuen Kabel und Netzteile vorgestellt haben.

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    Kabel und Netzteile von Digitec: Schnell geladen und gut verbunden

    von Martin Jungfer

Trotzdem könnte es weitere Fragen geben, die hier vielleicht nicht zur Sprache kommen. Aber ich habe mit Osman vereinbart, dass er unten im Beitrag die Kommentare verfolgt und auf Punkte eingeht, die im Folgenden noch nicht behandelt worden sind. Ausser natürlich, es sind Geschäftsgeheimnisse. Auch unsere Transparenz hat Grenzen.

Osman, einige Leute in der Community fragen sich, warum es Dich überhaupt braucht bei uns. Wir kaufen doch einfach nur Charger und Kabel bei Aliexpress und kleben ein Digitec-Logo drauf. Was also machst Du den ganzen Tag?

Osman: (lacht) Naja, so einfach ist es eben nicht. Natürlich kann der Kunde oder die Kundin heute eigentlich alles von überall bestellen. Ich habe selbst zum Beispiel einmal bei Wish bestellt: einen Chronograph für einen Dollar – den musste ich unbedingt haben.

Und?

Die Zeiger der Totalisatoren, also der Stoppuhr, waren auf dem Zifferblatt nur aufgemalt. Lediglich die Minuten- und Stunden-Zeiger haben sich bewegt.

Osman hat auch schon bei Wish bestellt – natürlich aber nur zu Recherchezwecken.
Osman hat auch schon bei Wish bestellt – natürlich aber nur zu Recherchezwecken.
Quelle: Christian Walker

Eine schöne Geschichte. Aber was sagt das aus über den Vorwurf, Du und Dein Team würden einfach nur irgendwas in China bestellen, umlabeln und dann unter der Marke Digitec verkaufen?

Unsere Leistung ist es, dem Kunden und der Kundin Sicherheit zu geben. Natürlich gibt es Ladestecker auch direkt aus China. Kabel erst recht. Wir lassen aber ein sehr gutes Produkt herstellen und es zertifizieren. Und als Digitec-Produkt geben wir die zweijährige Garantie.

Wie muss man sich das vorstellen? Wie geht Ihr vor, um solche Produkte zu finden?

Zuallererst schauen wir, wer das Produkt überhaupt so herstellen kann, wie wir es vorgeben. Wir haben klare Kriterien und Anforderungen dafür entwickelt. Zudem wollen wir nicht mit Zwischenhändlern arbeiten, sondern direkten Kontakt zum Hersteller haben. Dann gibt es eine Liste an Zertifizierungen und vor allem auch Tests.

Wie findet man die richtigen Fabriken?

Wir sind viel auf Messen unterwegs. Dort sind auch die Vertriebsmitarbeiter von Herstellern. Hauptsächlich aber ist es das Migros-Team in Asien, das vor Ort die Bedingungen genau kennt und auch die Fabriken besucht.

Warst Du selbst auch schon in so einer Fabrik?

Ja. Und mich hat überrascht, wie viele Menschen es dort noch braucht, um die vielen einzelnen Arbeitsschritte zu erledigen. Das wäre in Europa bei unserem Lohnniveau undenkbar.

Worauf hast Du sonst noch geachtet?

Ich war ja nicht als Prüfer dort. Aber ich wollte mir einen Gesamteindruck verschaffen. Wie aufgeräumt und sauber ist es dort? Wie ist die Luft, wie die Beleuchtung? Gibt es ausreichend sanitäre Anlagen und Sicherheitsmassnahmen? Ausserdem prüfen wir die sozialen und arbeitsrechtlichen Dinge: Überstunden, Schutz vor Diskriminierung oder willkürlichen Kündigungen.

Das klingt nach viel Aufwand …

Das ist es auch. So etwas gut zu prüfen, braucht Zeit und Erfahrung. Wer die nicht mitbringt, wird schon einmal hinters Licht geführt. Da gibt es zum Beispiel Scheinfabriken, die die Kriterien erfüllen. Eigentlich «arbeiten» dort aber nur Statisten, während ein Gebäude weiter hinten unter unmöglichen Bedingungen die echte Produktion läuft.

Weiss man das alles, wenn man mit Eigenmarken-Produkten loslegt?

Wir lernen jeden Tag dazu. 2019 haben wir mit Netzwerkkabeln begonnen. Darauf sind wir gekommen, weil wir unser Sortiment überprüft haben. Dabei haben wir 22’000 verschiedene Kabel gefunden und uns gefragt, wie der Kunde oder die Kundin hier überhaupt sinnvoll auswählen kann. Auf was kann er sich verlassen? Und wir waren überzeugt: Wenn wir selbst Kabel herstellen lassen, können wir doch einen Mehrwert bieten.

So einen Mehrwert versprechen ja andere Marken auch schon.

Das stimmt schon. Wir denken aber, dass es um das Verhältnis zwischen Preis und Leistung geht. Und ganz klar: Wir können einen besseren Preis machen. Die Marken haben ja grössere Vertriebsnetzwerke, Zwischenhändler, Ausgaben fürs Marketing und am Ende noch ihre Margen. Für all das bezahlst du bei einem Markenprodukt. Wir dagegen können uns einiges sparen. Werbung für die Produkte selbst machen wir nicht, also müssen wir das nicht auf die Preise umschlagen. Zwischenhändler gibt es auch nicht.

Verdienen wir im Shop an einem Produkt der Marke Digitec also mehr als an einem Markenprodukt?

Ja, wir verdienen etwas mehr, die Marge ist besser. Noch wichtiger ist uns aber, dass wir permanente Verfügbarkeit sicherstellen können. Wir haben die volle Kontrolle über die Lieferkette.

Ist ein günstiger Einkaufspreis der Schlüssel zum Geldverdienen?

Nein, dafür sind unsere Einkaufsmengen bei den Herstellern schlicht zu gering. Wir drehen an anderen Stellen an den Schräubchen, um erfolgreich zu sein. Wir optimieren bei der Verpackung, beim Transport und der Lagerhaltung. Da sind wir sehr effizient.

Bei der Verpackung spart Digitec Volumen und damit Transportkosten ein.
Bei der Verpackung spart Digitec Volumen und damit Transportkosten ein.
Quelle: Christian Walker

Du sagst: «Der Kunde bekommt bei uns Sicherheit.» Habe ich die nicht, wenn ich auf Aliexpress etwas bestelle?

Nein. Ich erinnere mich an eine Kritik eines Community-Mitglieds, das behauptet hat, den Desk-Charger für 15 Dollar bestellen zu können. Das ist, soviel kann ich sagen, weit unter unserem Einkaufspreis. Das kann also nicht funktionieren. Wir sind uns ziemlich sicher, dass die für diesen Charger verwendeten Komponenten keiner Qualitätsprüfung standhalten. So ein Ding würde ich nicht verwenden, erst recht nicht über längere Zeit und unbeaufsichtigt.

Vielleicht sollten wir das einfach mal selbst bestellen und überprüfen …

Eine gute Idee. Das machen wir und nehmen es dann mal auseinander.

Apropos Auseinandernehmen. Welche Tests gibt es für Digitec-Eigenmarken-Produkte?

Das hängt vom Produkt ab. Wir prüfen, welche Zertifizierungen wichtig sind. Bei einem Netzwerkkabel geht es zum Beispiel vorrangig um die Übertragungsleistung. Das lassen wir in Labors und von Prüfinstituten testen. Ausserdem untersuchen wir die Feuerfestigkeit des Kunststoffs. Wir bekommen in der Regel aus der Fabrik Vorserienprodukte. Die Tests finden hier in der Schweiz statt. Erst wenn alle Tests bestanden sind, startet die Produktion. Und damit nicht genug: Wir nehmen aus der Serienproduktion Zufallsproben und schicken die Geräte noch einmal durch alle Tests. Bei unseren Batterien haben wir sogar den K-Tipp-Test nachbauen lassen. Beim letzten Mal waren unsere Batterien dort ja noch nicht im Testfeld.

Und wie sehen die Ergebnisse aus?

Alle unsere Batterien bringen eine höhere Leistung als vergleichbare Markenprodukte. Darauf sind wir im Team sehr stolz. Obwohl Batterien je nach Einsatzzweck sehr unterschiedliche Anforderungen erfüllen müssen, sind sie überall gut. Egal ob für die Fernbedienung oder in Fotokameras. Ehrlich gesagt haben mich die Ergebnisse der Batterien der grossen Marken schon enttäuscht.

Osman zeigt mir die Prüfergebnisse für den Batterientest, der gerade frisch in sein E-Mail-Postfach geflattert ist. Digitec-Batterien schlagen die eines grossen Markenherstellers um Längen. Hinweis: Falls du jetzt ganz nah reingezoomt haben solltest, um die Herstellernamen zu sehen – Pech gehabt, wir haben diese ausgegraut.
Osman zeigt mir die Prüfergebnisse für den Batterientest, der gerade frisch in sein E-Mail-Postfach geflattert ist. Digitec-Batterien schlagen die eines grossen Markenherstellers um Längen. Hinweis: Falls du jetzt ganz nah reingezoomt haben solltest, um die Herstellernamen zu sehen – Pech gehabt, wir haben diese ausgegraut.
Quelle: Christian Walker

Wie finden denn die Markenhersteller die Eigenmarken-Strategie? Da gibt es ja nun noch mehr Konkurrenz im Shop.

Wir glauben an unsere Produkte und vielleicht bringen wir die A-Brands sogar dazu, dass sie ihre Preise senken. Wenn wir eine Leistung offerieren können, die besser ist und noch dazu günstiger, wäre das doch logisch. Das wäre gut für die Kundschaft insgesamt.

Wie gut kommen die Eigenmarken-Produkte denn bisher an?

Viel besser als wir vermutet haben. Ich glaube, dass die Kunden genau das suchen, was wir anbieten. Bei einigen Chargern und Kabeln sind wir sogar kurzzeitig ausverkauft. Da müssen wir jetzt tatsächlich sogar auf Nachschub warten.

Ha! Vorhin hast Du doch gesagt, wir sind gut in Verfügbarkeit.

Ja, aber es gibt Dinge, die wir nicht in der Hand haben. Zurzeit müssen die Frachtschiffe um Afrika herumfahren. Im Roten Meer ist die Gefahr zu gross, Opfer von Angriffen der Houthis zu werden.

Wohin geht die Reise bei den Eigenmarken in nächster Zeit?

Wir werden weiter neue Produktbereiche angehen und immer auf unsere Community schielen, welche Inputs sie uns zu bestehenden Produkten geben. Durch diese Inputs werden wir auch unsere bestehenden Eigenmarken verbessern.

Also wird es immer wieder neue Generationen geben?

Genau. Bei Chargern gehe ich davon aus, dass wir einmal im Jahr ein Update haben werden.

Im Portfolio dominieren derzeit Tech-Gadgets. Was kommt als nächstes?

(lacht) Noch mehr Tech-Gadgets. Wir bleiben auf der Linie Strom und Energie: Powerbanks sind das nächste, was wir lancieren werden. Darüber hinaus arbeiten wir an USB-Hubs. Die sind für die neueren Notebooks praktisch, die immer weniger Anschlüsse haben.

Aus der Community kam der Wunsch nach wiederaufladbaren Batterien.

Zurecht. Das ist ein Produkt, das wir uns auch sehr wünschen. Wir sind intensiv auf der Suche nach einem guten Partner, haben ihn bisher aber noch nicht gefunden. Aber wir bleiben dran.

Gibt es gar nichts, was nicht mit Tech zu tun hat?

Doch, wir sind ja genauso für Galaxus zuständig. Bisher gibt es da «nur» unsere Umzugskartons. Gute Ideen für Produkte haben wir schon, aber die Herausforderungen sind da noch einmal andere.

Danke für das Gespräch, Osman.

Moment! Darf ich noch kurz Werbung machen?

Wofür?

Für unsere drei besten Eigenmarken-Produkte, oder besser gesagt, die Produkte, die am meisten verkauft werden. Das sind nämlich diese hier:

digitec HDMI-HDMI 2.0 (2 m, HDMI)
Video Kabel
19.– CHF

digitec HDMI-HDMI 2.0

2 m, HDMI

digitec USB Typ C – USB A (1 m, USB 3.2 Gen 1)
USB Kabel
11.– CHF

digitec USB Typ C – USB A

1 m, USB 3.2 Gen 1

digitec Fast Charger (30 W, Power Delivery 3.0, Power Delivery 2.0, Adaptive Fast Charge, Quick Charge 3.0, Quick Charge 2.0)
USB Ladegerät
16.90 CHF

digitec Fast Charger

30 W, Power Delivery 3.0, Power Delivery 2.0, Adaptive Fast Charge, Quick Charge 3.0, Quick Charge 2.0

digitec HDMI-HDMI 2.0 (2 m, HDMI)
19.– CHF

digitec HDMI-HDMI 2.0

2 m, HDMI

digitec USB Typ C – USB A (1 m, USB 3.2 Gen 1)
11.– CHF

digitec USB Typ C – USB A

1 m, USB 3.2 Gen 1

digitec Fast Charger (30 W, Power Delivery 3.0, Power Delivery 2.0, Adaptive Fast Charge, Quick Charge 3.0, Quick Charge 2.0)
16.90 CHF

digitec Fast Charger

30 W, Power Delivery 3.0, Power Delivery 2.0, Adaptive Fast Charge, Quick Charge 3.0, Quick Charge 2.0

Okay, jetzt ist das Interview aber zu Ende. Danke.

Titelbild: Christian Walker

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Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice,schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln. 


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