Produkttest

Carhartt Double Front Pant: Review einer Hose? Review einer Hose!

Nachdem ein Unfall mit einem Brenner meine alten Arbeiterhosen getötet hat, suche ich Ersatz. Zufällig bin ich auf eine Hose der Marke Carhartt gestossen. Und Arbeitskleidung kann reviewt werden. Darum: Ein Review einer Hose.

Wenn ich mit einer Schweissfackel in einem meiner Lieblingsorte der Stadt Zürich – dem Werkbereich des Kulturhauses Dynamo – rumwerkle, dann sind mir «die heissesten Styles für kalte Tage» oder die «basic Jeans als Accessoire» scheissegal. Ich will Taschen, ich will dicken Stoff und ich will Bewegungsfreiheit.

Einer der besten Orte der Stadt: Das Dynamo

Ich will eine verdammt gute Arbeitshose.

Nicht irgendeinen Schischi, den du im H&M oder zu weiten Teilen bei Galaxus kaufen kannst. Klar, die eine oder andere Hose sieht so aus, als ob sie was taugen würde, aber ich traue Fashion Brands nicht, wenn ich mit einer Flamme herumwerkle, die über 1 000 Grad heiss ist. Denn es ist diese Flamme, der meine alten Work Pants, wie sie neudeutsch heissen, zum Opfer gefallen sind. Einmal schnell unachtsam gewesen, Feuer unterm Knie, Hose löst sich auf, Dominik hat ausserhalb des Schlafzimmers noch nie so schnell eine Hose ausgezogen. Glücklicherweise blieb ich unverletzt. Die Hose aber hatte Totalschaden zu beklagen.

Seither bin ich auf der Suche nach einer neuen Hose. Der neueste Versuch kommt aus dem Hause Carhartt und hört auf den Namen «Double Front Pant». Darum schreibe ich diesen Text jetzt auch, denn im Internet Arbeitskleidung zu bestellen ist heikel, ausser du kennst sie schon. Ich hoffe, dass du nach diesem Text eine Hose mehr kennst.

Eigentlich haben wir die Hose im Haus, weil der Hersteller damit prahlt, dass mit der Hose ein Auto abgeschleppt werden kann. Wollen wir testen. Da die eine Hose im Karton unter meinem Tisch aber so in etwa ausgesehen hat, als ob sie mir passen könnte, habe ich sie mal anprobiert. Mehr aus Spass als aus dem «Ich teste die mal»-Gedanken. Ja, auch auf der hektischen Redaktion gibt es manchmal so zehn Minuten, in denen es einfach nur langweilig ist. Meist sind das die Minuten, in denen ich mit meinen Bau-Ideen daherkomme.

Arbeitshosen im Büro: Ein No-Go

Okay, ich fühle mich daneben. Bei uns im Büro herrscht so die Casual-Kultur – also jeder so, wie er grade will – und von da her ist eine Arbeiterhose durchaus vertretbar, aber die Double Front Work Pant ist definitiv nicht gemacht, um im Büro rumzusitzen. Klar, ich sehe nicht wesentlich obdachloser aus als sonst, ausser dass die Hosenbeine etwas lang sind. Aber egal, einmal rumfalzen und gut ist. Wenn das Zukunft haben soll mit der Hose in der Werkstatt, dann müssen sie gekürzt werden. Weil wenn mir etwas heisses in den Falz fällt… nicht lustig.

Der zweilagige Stoff ist zwar übelst stabil, aber nicht wirklich bequem zum drin rumsitzen

Trotzdem, die Hosen sind definitiv kein Büromaterial. Der Stoff vorne auf den Oberschenkeln ist zweilagig, was die Hose steif und massig macht. Normal gehen ist damit schwierig, weil die Schneider bei Carhartt sich gedacht haben, dass hier Bewegungsfreiheit über allem stehen soll.

Der Fokus der Hose liegt auf der Bewegung. Ganz klar. Für's rumsitzen sind die Hosenbeine zu steif und werden auch nach Wochen des Tragens und Waschens nicht weicher. Verstärkte Front ist halt verstärkt.

Ah ja, und warm wird es in der Hose. Denn der dichte Stoff erlaubt nur wenig Luftzirkulation, ohne dass du dich bewegst. Im Büro sind Jeans eindeutig besser.

Arbeitshose in der Werkstatt: Oh yeah!

Gut, die Carhartt Double Front Pant in ihrem wirklich wenig bezaubernden Braun, von Carhartt liebevoll «Carhartt Brown» getauft, ist nicht gemacht für eine Büroumgebung. Ausser du kommst rein, um da zu werken und nicht um ellenlange Texte zu schreiben, in denen du öffentlich Arbeitshosen kommentierst.

Ich schreibe diesen Text nicht für die Büroleute dieser Welt. Ich schreibe ihn für die Bastler, die Maker, die Bauarbeiter und die, die oft und gerne in der Werkstatt zu finden sind. Die, die erschaffen, reparieren und bauen, experimentieren und testen.

Darum ist das Dynamo mein Testgebiet. Die Metallwerkstatt von Gunar Hambrecht und Patrick Wild um genau zu sein. Schweissflammen, Funkenflug und Sandstrahlung stehen den Hosen bevor. Mein derzeitiges Projekt ist eine Garderobe aus Kettenhaken – mehr dazu nach Abschluss der Arbeiten – und denen muss die Farbe abgezogen werden. Denn sie sind knallrot. Das geht gar nicht.

Ich weiss, meine Flamme ist schlecht. Aber das Bild sieht gut aus, oder?

Acetylen-Schweissfackel an, Farbe abbrennen. Easy. Zwar nicht grade das Umweltfreundlichste aller Zeiten, aber der Sandstrahler geht zu lange, weil der Sand zu fein ist und draussen Arbeiten geht nur bis zum Einbruch der Dunkelheit. Klar, das Team um Gunar hat Scheinwerfer installiert, aber wenn die Schweissfackel an ist, dann ist alles, was dunkler ist als Tageslicht zu dunkel um effizient zu arbeiten.

Ich erwarte Russ und Hitze. Ich hoffe zwar, dass ich mich nicht anzünde, aber ich bin lieber vorbereitet als dass ich mich dann am Ende verletze. Ich lege los. Eine Viertelstunde später fühle ich mich ganz wohl in meiner Haut. Die Hose macht mit. Was mich vor allem erstaunt und vor allem erfreut, ist, dass die Hose jede Bewegung einfach so mitmacht.

Die Hosenbeine sind etwas lang, aber sehr geräumig

Vor allem fällt mir auf, dass die Unterschenkelpartie der Hose extrem weit geschnitten ist. Darum ist das Gehen zwar mehr eine breitbeinige Cowboy-Angelegenheit, aber bei der Arbeit ist das grossartig. Die Hose ist mir nie im Weg. An weite Oberschenkel in Arbeitshosen bin ich mich gewöhnt, aber so weite Unterschenkel sind neu.

Und jetzt: Der Härtetest

Gut, ich arbeite also so ein paar Stunden. Es ist zwar so etwa zwei Grad draussen, aber ich friere nicht. Am Oberkörper ist das schnell gemacht, aber es muss viel passieren, bis ich mich in lange Unterhosen schmeisse. Pluspunkt für die Hose.

Was ich aber bemerke, ist dass der angemachte Gurt am linken Bein für das schnelle Einhängen von Werkzeugen und so arg kurz ist. Vielleicht bin ich mich es einfach nicht gewohnt, dass der Gurt nur von der Seitennaht der Hose bis zur Tasche hinten an der Hose reicht, aber die Schnell-Einhängen-Bewegung fällt mir schwerer als bei meinen alten Hosen.

Update 08.01.2018: Die Gurtpartie heisst Hammerschlaufe. Danke an User Miltex für den Hinweis.

Das Gurtpartie-Dings – wie heisst das Teil eigentlich? – ist etwas zu kurz für meinen Geschmack

Apropos Taschen. Die Taschen an der Hosen sind nicht für die Aufbewahrung von Schrauben, Nägeln und allerlei Kram geeignet. Dies, weil der Bund der Taschen bewusst eng gefasst ist, damit das, was in den Taschen drin ist, drin bleibt. Es ist klar, dass die Double Front Pant für die Nutzung mit Gürteltasche oder Werkbank gemacht wurde. Die Hose selbst soll sicherer Aufbewahrungsort sein während andere Taschen und Aufbewahrungsmöglichkeiten für Dinge da sein sollen, um schnell an Dinge zu kommen.

Um die verstärkten Hosenbeine bin ich froh. Funkenflug und dergleichen macht mir keine Sorgen. Nicht nur, weil ich im Laufe der Jahre ohnehin schon gelernt habe, dass Funken versus Hosen lange ignoriert werden kann, aber auch weil sich die stabilere Hose einfach sicherer anfühlt.

Warum das Ding nicht stylish ist

Okay, modisch sind die Hosen nicht. Das gebe ich zu. Das Carhartt-Braun war spätestens mit dem Fall der Skater-Szene in den 1990ern out. Doch das Branding der Hose selbst weist darauf hin. Denn Carhartt ist nicht gleich Carhartt.

  • Carhartt WIP ist das Fashion Label der Marke
  • Carhartt Workwear ist das Label für Kleidung, die für die Arbeit gemacht ist

In Zürich findest du in der Regel WIP-Kleidung. Hinter dem Label steckt übrigens ein Schweizer. Edwin Fäh, ehemaliger Jeans-Shop-Betreiber, hat das Label mit dem Segen des US-amerikanischen Mutterkonzerns anno 1994 aus der Taufe gehoben. Er hat die Arbeiterklamotten für sich entdeckt und dann eine Streetwear Brand daraus gemacht. Mit Erfolg. Alleine in Zürich hat Carhartt WIP zwei Ladengeschäfte, eines bei der Sihlpost das andere im Niederdörfli. Carhartt WIP macht über 120 Millionen Franken Umsatz pro Jahr.

Derweil stellt der Mutterkonzern in den USA nach wie vor auf Arbeiterbekleidung. Für Frauen so bitzli, für Männer ganz viel. Schwere Stoffe, urchige Karomuster, bequeme Schnitte, vor allem funktional. Carhartt kennt sein Publikum und will nur wenige ausserhalb dieser Zielgruppe erreichen. Seit die Firma im Jahre 1889 von Hamilton Carhartt in Dearborn, Michigan, gegründet wurde, ist sie nie im Trend und nie out. Arbeiter tragen die Kleidung wie andere Levi's Jeans tragen. Im Jahr 2013 hat Carhartt über 600 Millionen Franken Umsatz gemacht.

So. Fertig.

So. Fertig. Geh was bauen. Auch wenn es kacke wird, immerhin hast du was getan.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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